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Ein Wiederbesuch im Ape Café

Ape - italienisch für Biene - das sind die dreirädrigen Zwittermobile zwischen Transporter und Roller aus Italien. In Freiburg wurde in eine Ape ein ganzes Geschäftsmodell gepackt. Nils Theurer hat das Apecafé vor zwei Jahren im Firmenporträt vorgestellt - und jetzt wiederbesucht.

Von Nils Theurer |
    Im Frühjahr 2007 parkte Gerald Walter zum ersten Mal sein lindgrünes Ape-Dreirad auf dem Stühlinger Kirchplatz in Freiburg. Aus den Klappen des winzigen Aufbaus entfaltet er ein ganzes Straßencafé. Gerald Walter war bis zu diesem Zeitpunkt arbeitslos. Er startete fortan mit etwas Zweitaktmief und reichlich Kaffeeduft – in die Selbstständigkeit, die zunächst ein paar Investitionen benötigt hatte:

    "Die Maschine habe ich bei Ebay ersteigert. Die stand in Stuttgart in einem italienischen Restaurant und ist zwölf Jahre alt. Ich habe sie auseinandergebaut und wieder zusammengebaut. Jetzt läuft sie wieder perfekt. Die andere Ape ist auch genau zwölf Jahre alt, die habe ich auch über Ebay ersteigert. Die stand in Wolfsburg, ich hab die dann geholt mit dem Autozug bis hier runter."

    Mit seinem knuffigen Dreirad, das die meisten als Waren-Feinlogistik aus Italienurlauben kennen, wollte er von Beginn an vor allem Qualität bieten:

    "Der Kaffee soll möglichst gut sein. Das soll der Beste werden von Freiburg."

    Diesem Grundsatz ist Gerald Walter treu geblieben. Seine Kunden kommen zumeist aus Überzeugung:

    "Weil der Kaffee hier sehr lecker ist, leckerer als woanders in Freiburg."

    "Weil das der Beste nördlich von Palermo ist!"

    "Ohne Kaffee würde ich mich hier gar nicht hinsetzen wollen, weil, so hübsch ist der Park auch wieder nicht. Das Café macht es erst richtig attraktiv, hier zu sitzen."

    Jeden Mittwoch und jeden Samstagmorgen stand er seitdem auf dem Wochenmarkt im beliebten, aber keineswegs großbürgerlichen Freiburger Stadtteil Stühlinger. Am Anfang gingen Gerald Walter oft die Tassen aus; er musste dann in einer kleinen Wanne von Hand abspülen:

    "Das ist das, was ich noch als Nächstes machen will, ich will noch eine Spülmaschine einbauen."

    Schon seit drei Jahren verrichtet die kleinste erhältliche Gastrospülmaschine jetzt ihren Dienst. Während der Fußball-Europameisterschaft 2008 erhielt Gerald Walter für vier Wochen ein Engagement in Zürich. Seine Stammgäste in Freiburg wollte er so lange nicht auf dem Trockenen sitzen lassen:

    "In dem Fall blieb mir nichts anders übrig, als noch eine zweite Ape zu bauen."

    Kurz darauf stellte sich dieses Backup-Ape als absolut notwendig heraus:

    "In einer Ape ist eine Mitarbeiterin von mir gefahren, und die hat die Kurve zu schnell genommen. Die Ape ist aufs Dach gefallen. Also nicht nur zur Seite, sondern aufs Dach."

    Und auch aktuell verlangen seine mobilen Schätzchen Betreuung:

    "Es ist einfach sehr kompliziert geworden, zu fahren. Jetzt muss einfach mal eine neue Kupplung rein, und die Verschleißteile müssen erneuert werden."

    Insgesamt geht es jedoch bergauf, was sich auch am Mitarbeiterstamm ablesen lässt:

    "Es sind eine ganze Menge geworden: Ein ganzer Pool von Mitarbeitern, sechs Mitarbeiter."

    Für die italienische Musik als akustischen Teppich bezahlt er GEMA-Gebühren, auch in andere Hürden der Abrechnung hat er sich einarbeiten müssen:

    "Ich kaufe ja zum Beispiel mit sieben Prozent ein, weil es ja Lebensmittel sind. Ich muss den Cappuccino aber mit 19 Prozent verkaufen. Irgendwo kommt das nicht ganz hin, das wird insofern ja nicht ganz ausgeglichen."

    Seiner ausgesuchten Rösterei ist er treu geblieben, was ihm besonders an neuen Standorten Zustimmung einbringt:

    "Wenn ich jetzt woanders hinkomme, zum Beispiel nach Tübingen, dann ist das wieder wie am Anfang auf dem Stühlinger. Da sagt dann wieder jeder Zweite: Das ist ein geiler Cappuccino."

    Seine treue Stammkundschaft zu Hause weiß, dass man beim Apecafé zum Kaffeetrinken nicht unbedingt stehen muss:

    "Eine Freundin hatte mir gesagt: Nimm doch Picknickdecken. Dann habe ich zehn, fünfzehn Picknickdecken gekauft, und die Leute können sich die Picknickdecke nehmen und sitzen auf den Rasen und sind glücklich."

    Auf Festen und Firmenveranstaltungen wird er regelmäßig gebucht, die Veranstalter bezahlen ihn nach Stunden. Er brüht dann so viele Portionen wie möglich. Kann er, wirtschaftlich gesehen, mit seinem Bonsai-Straßencafé eher überleben oder tatsächlich davon leben?

    "Das ist ein bisschen schwer zu sagen. Im Sommer kann man gut davon leben. Im Winter ist es fast noch ein bisschen zu knapp. Weil da keine Veranstaltungen sind, da heiratet keiner."

    Und schließlich gibt es seit einiger Zeit Pläne:

    "Es gibt da zwei Optionen: Zum einen in einer Galerie etwas einzubauen, das andere ist in einem Friseurladen, wo man eine gute Cafébar reinbauen könnte."

    An seinen Preisen hat er bislang nichts geändert, der Espresso kostet immer noch 90 Cent. Und dass sich auch im Angebot kaum etwas wandeln darf, da ist er sich ganz sicher.

    "Kaffee mit Aroma oder solche Sachen – das wird's bei mir nie geben. Das muss ein Kaffee sein – und fertig."

    Decken, Schirm und Theke sind schnell wieder eingepackt, in zwei Stunden werden auf dem Wochenmarkt im nächsten Stadtteil schon wieder der erste Espresso, Cappuccino oder die nächste Latte Macchiato ausgeschenkt.
    Gerald Walters lindgrünes Ape-Dreirad
    Gerald Walters lindgrünes Ape-Dreirad (Nils Theurer)