Die neue Malfreiheit des Fabritius wird vor allem an seiner Bearbeitung christlicher und mythologischer Themen ablesbar. Er geht dergestalt souverän und zugleich kunstvoll mit den überlieferten antiken oder biblischen Inhalten um, kombiniert sie scheinbar umstandslos mit Accessoires, Kleidung, den Stadtlandschaften, kurz mit den Alltagssituationen der eigenen Zeit, dass sie Gegenwartsbilder seines Publikums werden. Damit bereitet er das Terrain, auf dem wenig später Vermeer und Pieter de Hooch eine neue Seite im Buch der niederländischen Malerei aufschlagen konnten. Fabritius findet früh und geradezu spielerisch zu einer Frische der Malerei, die wir erst bei Frans Hals wieder finden. Einfache Gegenstände, aber auch einzelne Gesichtszüge, Wangen oder Lippen, seiner Portraits sind gemalt wie aus Einzelteilen, die dem Auge erst beim Betrachten zu einem Ganzen zusammenschnurren. Ein besonders schönes Beispiel dafür der berühmte kleine Distelfink, der sonst im Haager Mauritshuis hängt, direkt neben Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrring. Die vornehme Farbigkeit des Gefieders ist wie eine Vorahnung des weichen Pinsels von Chardin. Die grobe, graue Wand dahinter wird durch eine - wie mit der Hand greifbare - Sitzstange aus golden schimmerndem Messing nobilitiert.
Nach dem frühen Tod des Künstlers wurde es stiller um Fabritius. Viele seiner Gemälde wurden umsigniert und als Rembrandt verkauft, was immerhin verdeutlicht, welche Wertschätzung diese Bilder genossen. Erst im frühen 19. Jahrhundert taucht sein Name wieder auf: Napoleon hatte das Schweriner Gemälde als Beutekunst mit nach Paris genommen, wo französische Restauratoren die Fabritius-Signatur unter späteren Übermalungen wieder freilegten. Die Ausstellung und das begleitende Symposium vermessen das Werk des Carel Fabritius kunsthistorisch neu. Diese Werk-Zusammenschau aus 14 verschiedenen großen Museen zwischen Moskau und Los Angeles, Amsterdam und Boston, Hannover und Glasgow macht das Oeuvre eines Künstlers lebendig und plastisch, dessen plötzlicher Tod der Nachwelt viele Rätsel aufgegeben hat. Zum ersten Mal scheint es gelungen, eine Ahnung davon zu vermitteln, welchen Innovationsschub Carel Fabritius seiner Zeit gegeben hat.