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Ein zugleich räumlicher und intimer Klang

Die erste Multichannel Hybrid SACD-Aufnahme der "Marienvesper" von Claudio Monteverdi ist erschienen, mit dem King's Consort unter der Leitung von Robert King.

Von Christiane Lehnigk |
    Erschienen ist die Einspielung vom Februar dieses Jahres beim britischen Label Hyperion.

    * Musikbeispiel: Claudio Monteverdi, aus: Marienvesper, Vespern, Deus in adiutorium meum intende

    Es ist jetzt gut 70 Jahre her, dass die so genannte "Marienvesper" von Claudio Monteverdi das erste Mal in der heutigen Zeit aufgeführt worden ist. Monteverdi, der bedeutendste italienische Komponist des 17.Jahrhunderts, hatte die Sammlung von Vesper Psalmen, Magnificat- Vertonungen und nicht liturgisch gebundenen Motetten sowie einer Messe 1610 für die Marienfeierlichkeiten veröffentlicht, als er noch im Dienste des Herzogs Vincenzo Gonzaga von Mantua stand. Drei Jahre später sollte er seine Lebensstellung als Kapellmeister von San Marco in Venedig antreten, die er bis zu seinem Tode 1643 innehatte.

    Es ist fraglich, ob diese Musik als ein zusammenhängendes Oeuvre gedacht war oder ob Monteverdi selbst jemals Teile daraus aufgeführt oder gehört hat. Die Stücke waren als eine Art Handbuch für Kantoren der Hofkapellen und der großen Kirchen gedacht, denen fest angestellte, professionelle Sänger zur Verfügung standen und die die jeweils notwendigen Instrumentalisten anfordern konnten.

    Was man dann daraus für eine Aufführung entnahm, hing von den Möglichkeiten und Gegebenheiten ab. In dieser Einspielung werden auch die beiden Magnificat-Vertonungen vorgestellt, eine für 7 Stimmen mit Streichern, Bläsern und Orgel und eine für 6 Stimmen nur für Orgel. Hinzu kommt noch die Missa in illo tempore.

    Robert King hatte bereits vor 25 Jahren die Marienvesper aus den Stimmbüchern transkribiert und eine erste praktische Ausgabe angefertigt, die 2004 noch einmal für eine Aufführung bei den BBC Proms leicht verbessert wurde.

    Mittlerweile sind , so King, allerlei "neue" Versionen der Marienvesper hervorgebracht worden, wobei, nicht von Monteverdi stammende Sätze hinzugefügt wurden, extra Cantus-planus-Passagen eingefügt, die Abfolge der Sätze verändert, das Ganze in Einzelbesetzung aufgeführt und andere "Verbesserungen" vorgenommen wurden. "Jedoch ebenso wenig wie die großen geistlichen Werke Bachs, Mozarts oder anderer Giganten der klassischen Musik Aufbesserung nötig haben," so Robert King, " braucht auch dieser riesigen Vertonung kein extra Lametta angehängt zu werden. Monteverdis Marienvesper ist sicherlich die grandioseste Visitenkarte, die jemals geschrieben wurde und behauptet sich stolz und selbständig als einer der wichtigsten Grundsteine der westlichen klassischen Musik."

    * Musikbeispiel: Claudio Monteverdi, aus: Marienvesper, Magnificat a 7, Gloria Patri

    Zu den Referenzaufnahmen der "Marienvesper" gehört die von John Eliot Gardiner aus dem Jahre 1989. Diese majestätische Version mit einem großen Chor-und Orchesteraparat entstand im Markusdom und spielte mit dem Klang dieses überdimensionalen sakralen Raumes. Eine solche Produktion wäre an diesem Ort heute wohl kaum mehr durchzuführen.

    Aber die Aufnahmetechnik hat ja seit dieser Zeit auch enorme Fortschritte gemacht und nahezu jeder Raum kann heute digital nachgestellt werden. Robert King hat seine "Marienvesper", die fünfte seiner Monteverdi-Einspielungen, im Februar in St-Jude-on-the-Hill in London aufgenommen.

    Neben der, von der großartigen englischen Chortradition geprägten Aufnahme, fasziniert hier natürlich zunächst der Klang der Super Audio CD der absolut keine Wünsche offen lässt. Plastisch, räumlich und intim zugleich, solch einen "Sound" zu kreieren bedarf es schon großer Kunstfertigkeit. Die Tempi, die Robert King nimmt, sind weder zu forsch noch zu gravitätisch, die Chorstimmen lupenrein und das Sängerensemble ausgewogen und stilsicher, wenn auch hier manchmal etwas weniger Vibrato noch perfekter wäre. Auch das kleinbesetzte Orchester beeindruckt durch sensibles aber frisches Spiel, wobei besonders die virtuosen Zinken und Barockposaunen brillieren. Erstaunlich, was sich die Instrumentalisten der historischen Aufführungspraxis in den letzten Jahren an Fertigkeiten zugelegt haben. Ein großes Verdienst dieser Einspielung ist es, die Zeitlosigkeit dieser Musik vermitteln zu können, so werden zum Beispiel die harmonischen Reibungen ebenso ausgekostet wie die "Terzenseligkeit", was auch heute noch "unter die Haut geht", wie mag das erst zu Monteverdis Zeiten gewirkt haben?

    * Musikbeispiel: Claudio Monteverdi, aus: Vespro della beata Vergine, Concerto Duo Seraphim

    * Musikbeispiel: Claudio Monteverdi, aus: Vespro della beata Vergine, Pulchra es

    Über die Bedeutung der so genannten "Marienvesper" von Claudio Monteverdi ist viel diskutiert worden in den letzten Jahrzehnten. Nicht nur in Bezug auf die Abfolge der Stücke und die liturgische Bedeutung sondern auch , ob die Sammlung überhaupt als ein Gesamtwerk verstanden werden sollte. Viele aufführungspraktische Fragen konnten geklärt werden aber manches wird immer noch im Dunklen bleiben müssen.

    Der Originaltitel der Ausgabe von 1610 lautet: Sanctissimae virgini missa senis vocibus ad ecclesiarum choros ac Vespere pluribus decantandae.

    Es ist in jedem Fall ein Jahrhundertwerk, das einen durch seine Mischung von altem und neuem konzertierenden Stil , der auch opernhafte Element mit einbezieht, in seinen Bann zieht und in sich schon ein Stück Musikgeschichte darstellt. Robert King und seinen Ensembles vom King's Consort, die auf eine mittlerweile über 20zig-jährige, vielfach ausgezeichnete Arbeit zurückblicken können, ist hier , unterstützt von einer fulminanten Technik, eine seiner besten Aufnahmen geglückt. Natürlich ist die Einspielung von englischer Chortradition und Gesangtechnik geprägt, was jedoch hier auch ein Qualitätssiegel bedeutet.

    Die SACD kann auf einem normalen, neueren CD-Recorder abgespielt werden, aber man sollte sich auch einmal das Vergnügen gönnen, sie auf einer Surround-Anlage zu hören, weil so die räumlichen Effekte noch stärker fassbar.

    * Musikbeispiel: Claudio Monteverdi, aus: Marienvesper, Sonata sopra Sancta Maria

    Montaverdi Vespers
    The Complete 1610 Publication
    Choir of the King's Consort
    The King's Consort
    Leitung: Robert King
    Label: Hyperion, LC 07533
    Bestell-Nr.: SACD A 67531/2