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Einblick in eine untergegangene Mikrobenwelt

Es war hauptsächlich der Pflug, der die Tallgrass-Prärie im Mittleren Westen der USA stark dezimiert hat. Die dortigen Ökosysteme verschwanden fast vollständig. Nun zeigt eine Studie: Nicht nur die Pflanzen- und Tierwelt hat es hart getroffen, sondern auch die Mikroorganismen im Boden.

Von Dagmar Röhrlich |
    Den Bauern, die in die Prärie Nordamerikas kamen, erschien das Land wie ein Paradies: fruchtbarer Boden, der nur darauf zu warten schien, untergepflügt zu werden. Das galt besonders für die Tallgrass-Prärie. Das ist die Prärie, in der Dutzende von Grasarten wachsen, die mannshoch werden können:

    "Die Tallgrass-Prärie reichte von Kanada bis nach Texas, von Illinois bis Nebraska. Sie war ungeheuer produktiv und ernährte die riesigen Bisonherden und die vielen anderen Wildtiere, die damals dort lebten. Heute existiert dieses einst so reiche Ökosystem nur noch ganz vereinzelt",

    erzählt Noah Fierer von der University of Boulder in Colorado. Ihn interessieren die Mikrobengemeinschaften im Prärieboden einmal mit Blick auf Projekte, die dieses Ökosystem in Schutzgebieten wieder herstellen wollen. Vor allem aber möchte er verstehen, wie Bodenfruchtbarkeit funktioniert:

    "Der Prärieboden wurde zum größten Teil zur landwirtschaftlichen Nutzfläche umgewandelt. Uns interessiert, wie das die Lebensgemeinschaften in den Böden verändert hat. Bei der Fruchtbarkeit geht es nämlich um mehr als Nährstoffe und Wasser im Boden: Sie wird auch durch die Mikroorganismen bestimmt, die darin leben."

    Noah Fierer und sein Team fanden im ehemaligen Verbreitungsgebiet der Tallgrass-Prairie 31 Standorte, die nie landwirtschaftlich genutzt wurden. Sie nahmen Bodenproben und sequenzierten die DNA der Mikroorganismen. Deren Vielfalt ist überraschend hoch:

    "In den Böden der Tallgrass-Prärie ist eine besondere Gruppe von wenig bekannten Bakterien stark verbreitet: die Verruco-mikroben, die Kohlenhydrate abzubauen scheinen. Dass sie Böden mit niedrigem Nährstoffgehalt bevorzugen und langsam wachsen, könnte erklären, warum sie in landwirtschaftlich genutzten Böden seltener sind. Es könnte auch sein, dass bei ihrer Verbreitung Bodenorganismen wie Fadenwürmer eine Rolle spielen. Genau wissen wir das nicht."

    Zwar waren Verrucomikroben in allen Proben der Tallgrass-Prärie dominant. Davon abgesehen variiert die Mikrobengemeinschaft:

    "Es gibt einen Nord-Süd-Gradienten, bei dem anscheinend das Klima eine Rolle spielt. Dann haben wir mit einem Computermodell anhand der Klimavariationen im Mittleren Westen berechnet, wie die Mikrobengemeinschaften vor 100, 150 Jahren verteilt gewesen sein könnten, bevor die Prärie in Ackerland umgewandelt worden ist."

    Die neuen Erkenntnisse seien wichtig für die Rettung des verschwindenden Ökosystems, erklärt Noah Fierer:

    "Jetzt, wo wir wissen, welche Mikroorganismen einst im Prärieboden gelebt haben, können wir anfangen, die heutigen Lebensgemeinschaften darin in diese Richtung zu verändern. Um das Ökosystem der Tallgrass-Prärie wieder herzustellen, reicht es nicht, ein paar Pflanzen auszusetzen, denn auch die Böden waren Teil dieses Ökosystems. Wir haben nun zumindest eine Idee, was wir eigentlich rekonstruieren wollen."

    Außerdem könnten die Erkenntnisse genutzt werden, um Böden ohne Düngereinsatz produktiver machen. Das unterstreicht auch Mary Scholes von der University of the Witwatersrand in Johannesburg in ihrem Kommentar zur Arbeit ihrer Kollegen, an der sie nicht beteiligt war:

    "Wir haben früher gedacht, dass es zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit reicht, wenn wir - wie bei einem Eintopf - Nährstoffe wie Gewürze zufügen. Aber das stimmt so nicht: Die Wurzeln nehmen auf, was von Mikroorganismen im Boden chemisch verfügbar gemacht worden ist."

    Um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten, sei es zentral, die Vielfalt der Mikroorganismen in den Böden besser zu verstehen.