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Einblicke in die Idylle

Heldenbilder von Georg Baselitz, riesige Fotoarbeiten von Thomas Struth und Bronze-Fratzen von Jonathan Meese präsentiert die Ausstellung "Paradies und zurück" in Schloss Dyck bei Neuss. Die private Sammlung "Rheingold" zeigt sich damit zum ersten Mal der Öffentlichkeit. Später soll sie sich auf Wanderschaft begeben.

Moderation: Karin Fischer |
    Karin Fischer: "Paradies und zurück" heißt der Titel einer Ausstellung, die jetzt erstmals die Sammlung "Rheingold" in Schloss Dyck bei Neuss präsentiert. Und beides, den Titel wie die Sammlung, müssen wir näher beleuchten. Die Sammlung ist nämlich noch recht jung. Sechs Jahre ist sie erst alt. Sie ist eine private Sammlung. Und die Zusammenarbeit mit Museen im Rheinland gehört programmatisch mit zum Konzept. Sie soll wandern, sie soll verschiedene Orte bespielen und häufig begutachten wir diese Art Verleihpolitik von privaten Sammlungen an öffentliche Institutionen ja mit einigem Argwohn. Deshalb zuerst die Frage an meine Kollegin Christiane Vielhaber. Was haben wir hier kulturpolitisch eigentlich vor uns?

    Christiane Vielhaber: Ja, dieser berechtigte Argwohn bleibt. Es geht um eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die 2002 unter Federführung des Unternehmensberaters, Kunstvermittlers und Sammlers aus Düsseldorf stammend, Helge Achenbach, gegründet wurde. Es waren zunächst dabei die vier Brüder Viehoff, davon sind nur noch drei geblieben. Es sind nur noch fünf Gesellschafter beziehungsweise fünf Sammler. Und damit sie im großen Stil sammeln können, haben sie einen Pool gebildet. Und damit nicht gekleckert wird, klotzen sie und kaufen immer ganze Volute von Künstlern, das muss man dazu sagen, die schon einen Namen haben, aber, und das ist entscheidend, die noch einen Steigerungswert besitzen in ihren Augen.

    Wenn man sich jetzt diese Ausstellung anguckt, Sie sagen, es ist die erste Ausstellung dieser Sammlung, es ist auch nur die Spitze eines Eisberges. Denn diese Gesellschafter haben mit dem Museum in Köln, mit Mönchengladbach, mit Siegen, mit der Kunsthalle Düsseldorf jeweils Kooperationsverträge geschlossen. Und das bedeutet, sie können nach Belieben diese Museen bestücken mit Werken aus ihrer Sammlung und belohnt werden die dann, die Museumsdirektoren, mit einem Bild, was sie dann aus dieser Sammlung behalten können oder im Fall von Köln eine Kooperation mit bewegten Bildern, dass sie Videos oder Filme in Auftrag geben und die Nullnummer dieses Filmes, das Künstlerexemplar bleibt beim Künstler und das erste Exemplar beim Museum. Und der Rest verteilt sich dann über die Galeristen, die mit diesem Künstler handeln.

    Fischer: Hat man diese Ausstellung nun explizit auf ihre wunderschöne Umgebung hin gebaut oder ist das der Ausdruck eines ganz aktuellen pessimistischen Naturverständnisses, dieses "Paradies und zurück". Ist da Inhalt dahinter?

    Vielhaber: Dieses Paradies? Der Erste, der dort eine Ausstellung gemacht hat mit dem Titel "Grazie" war Jan Huth, und er hat die Künstler losgelassen, die er eingeladen hatte und die konnten sich diese frühbarocke Vierflügelanlage durchstöbern, die konnten sich Räume aussuchen, diese Räume gestalten. Sie konnten den Garten gestalten. Hier haben Sie den Eindruck, es ist ein Griff ins Depot.

    Und dieser Begriff "Paradiese und zurück" ist so was von beliebig. Er bezieht sich auf eine Fotoarbeit von Thomas Struth. Thomas Struth hat riesige Fotos gemacht von tropischen Regenwäldern, unter anderem aber auch vom Bayerischen Wald. Das heißt eigentlich, was wir uns so paradiesisch vorstellen, ist natürlich Gefahr. Im Dschungel lauern die Schlangen und die Mücken und Moskitos. Und der Bayerische Wald ist auch nicht mehr das, was er ist. Es kann alles subsumiert werden.

    Sie haben einen ganzen Raum mit großen Baselitzbildern. Das sind Remix-Bilder, das ist das, was er seit ein paar Jahren macht. Er malt seine frühen Bilder neu. Das ist aber aus der Zeit der Heldenbilder, da gingen seine Figuren noch aufrecht durchs Bild und nicht kopfüber. Was jetzt diese Helden mit Paradies oder Verlust des Paradieses zu tun haben, erschließt sich eigentlich auch nicht. Und der Katalog ist bei alledem auch nicht hilfreich. Sie haben das Gefühl, es ist ein Coffee-Table-Book.

    Alle Arbeiten in dieser Ausstellung sind abgebildet. Aber sie blättern da durch, und statt jetzt irgendwie was gesagt wird, zum Beispiel warum macht Jonathan Meese so komische Fratzen aus Bronze und Leder, ist das irgendwie das Böse oder so. Was hat das mit dem Verlust des Paradieses zu tun. Stattdessen haben Sie dann Suren abgedruckt, Sie haben Texte von Freud, sie haben Zitate von Karl Marx. Das alles ist so, wo sie sich fragen, da wird ein Thema gesucht. Die Kunst ist gut, die da zu sehen ist, ganz eindeutig. Aber wenn man so tut, als könnte man da jetzt eine Themenausstellung draus machen, dann funktioniert das einfach nicht.

    Fischer: Das heißt, das Modell, ganz kurz zum Schluss, ist auch nicht sozusagen der neue Stern am Kooperationshimmel, den wir gesucht haben?

    Vielhaber: Nein, und wenn ich jetzt höre, dass das zweimal im Jahr in Zukunft gemacht werden soll, dass die Räume von diesem Schloss Dyck zweimal im Jahr diesen Gesellschaftern zur Verfügung gestellt werden soll, dann finde ich das einfach schade. Schade einfach um die schönen Räume und schade auch um den Platz, den man jungen Künstlern nimmt, die damit ganz anders umgehen könnten.

    Fischer: Herzlichen Dank, Christiane Vielhaber, für diesen Bericht über die Sammlung Rheingold in Schloss Dyck bei Neuss.