"Für die meisten geht es auch um etwas ganz Besonderes. Und deshalb spielt es auch eine große Rolle, jetzt eingeladen zu werden. Das ist für nicht wenige der entscheidende Schritt. Die Veränderung, die jetzt dazu führt, dass sie sich zum Erwerb der Staatsbürgerschaft entscheiden."
"Nach diesen Personen wird in dem Abschlusstest gefragt. Wir wissen natürlich nicht, welche Fragen Sie bekommen. Nach ihm wird nicht gefragt, aber wenn Sie in Hamburg leben, ist es gut, wenn Sie wissen, wer das ist..."
Gabriele Oberstenfeld hält das Foto eines äußerst ernst blickenden Mannes hoch: Es ist Olaf Scholz, der erste Bürgermeister von Hamburg. Man sieht ihm an: Regieren im hanseatischen Stadtstaat ist eine ernste Angelegenheit. Die rund 20 Frauen und Männer nicken mit dem Kopf - Olaf Scholz ist kein Unbekannter für sie.
Raum 402 in der Volkshochschule Hamburg verströmt mit dem gräulichen Linoleumboden und den mittlerweile ockergelben Wänden den Charme der 80er-Jahre. Jeden Donnerstagabend kommen die Frauen und Männer dort hin. Ursprünglich stammen sie aus Nigeria oder dem Iran, von den Philippinen, Japan oder aus Rumänien. Im Volkshochschulkurs wollen sie sich - Zitat- 'Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland' aneignen. Deutschland kompakt in 4 x 4 Stunden - es ist der Vorbereitungskurs für den Einbürgerungstest, der seit dem 1. September 2008 Pflicht ist für den deutschen Pass.
"Wann wurde die BRD gegründet?"
"´49."
"Und die DDR?"
"Auch 49."
"So ... und was war 1990?"
"Die erste Gesamtwahl... die Vereinigung von Ost und West..."
Politik, Geschichte, Gesellschaft - die Teilnehmer pauken die Antworten auf 300 Fragen; 33 davon werden in wenigen Wochen im Test abgefragt. Monica hört der Kursleiterin Gabriele Oberstenfeld aufmerksam zu. Vor fast 20 Jahren verließ sie Brasilien, um in Deutschland als Kindermädchen zu arbeiten. Mittlerweile ist sie zum 2. Mal verheiratet und lebt im Szenestadtteil Eimsbüttel:
"Mein Herz schlägt immer noch für Brasilien. Aber auch für Deutschland. Und das finde ich toll. Und darum möchte ich eingebürgert werden. Seit so langer Zeit, die ich hier lebe, fühle ich mich schon wie eine Deutsche: Ich bin sehr pünktlich. Ich bin Südamerikanerin, ich bin sehr pünktlich. Manchmal, ich glaube, das nervt sogar die Deutschen, weil ich mich schon 20 Minuten vorher dahin gehe."
Für Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz ist die Einbürgerung von Ausländern ein "Staatsziel. Von den 400.000 Hamburgern ausländischer Herkunft haben über 230.000 keinen deutschen Pass. Über 130.000 davon besitzen ein "stabiles Aufenthaltsrecht" - wie es in Beamtendeutsch heißt - und könnten deshalb die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Olaf Scholz lädt sie ein, genau das zu tun. Jeden Monat verschickt er 4.000 Briefe an Zuwanderer.
Wir haben uns fest vorgenommen, die alle zu bitten, dass sie sich die Staatsbürgerschaft unseres Landes auch zu eigen machen. Als große Einladung, weil der Zusammenhalt der Gesellschaft davon abhängt, dass wir uns als eine Bürgerschaft verstehen. Und das ist mit dem Schritt zur Staatsbürgerschaft auch verbunden.
Erklärt der erste Bürgermeister die Aktion und hatte eigentlich gehofft, es mit diesem Thema auf die bundesdeutsche Agenda zu schaffen. Denn gerade in Post-Sarrazin-Zeiten findet eigentlich jeder, der für eine offene Integrations- und Einbürgerungspolitik plädiert, einen Platz in der Berichterstattung. Bei Olaf Scholz ist die Resonanz im Blätterwald jedoch recht dürftig. Dabei preist der Bürgermeister seine Hamburger Initiative als ein Modell für die gesamte Republik:
"Das, was wir machen, ist in dieser Dimension, in dieser Zielgerichtetheit sicherlich einmalig. Aber es ist etwas, das in Hamburg gute Wirkung hat. Was aber sicherlich was ist, was man anderswo in Deutschland genauso machen kann."
Wohl nicht in Bayern. Der dortige Ministerpräsident Horst Seehofer wird sich Scholzens Initiative wohl kaum zum Vorbild machen. In üblicher Abwehrmanier gegen alles Sozialdemokratische polterte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt jüngst im Berliner "Tagesspiegel":
Unser deutscher Pass ist kein Ramschartikel. Und Einbürgerungsquoten sind kein Maßstab für Weltoffenheit.
"Wirre Einbürgerungsthese" nannte Seehofers rechte Hand Scholzens Idee. Die bayerische Kritik quittiert Politprofi Olaf Scholz mit einem Lächeln - und einem einzigen Satz. Olaf Scholz:
"Die gesetzlichen Vorschriften zum Erwerb der Staatsbürgerschaft sind überall in Deutschland gleich: In Hamburg genauso wie in Bayern... "
Zum Glück ist CSU-Haudegen Dobrindt auf das Thema angesprungen und hat so erst dafür gesorgt, dass die Initiative auch über Hamburgs Grenzen hinaus wahrgenommen wird. Zumindest für einen kurzen Moment.
"Das ist nicht auf Hamburg beschränkt. Das wäre gut. Auch wenn die jetzige Debatte dazu beiträgt, dass das auch anderswo so gemacht wird."
Zurück im Klassenzimmer der Volkshochschule. Monica hat schon lange vor der Scholz´schen Briefaktion entschieden, ihren brasilianischen gegen den deutschen Pass einzutauschen.
"Ich bin stolz, wenn ich den deutschen Pass, die deutsche Angehörigkeit habe. Ich bin sehr stolz, weil Deutschland ein sehr bekanntes Land, ein sehr schönes Land ist und ein sehr wichtiges Land in Europa."
Olaf Scholz:
"Für die meisten geht es auch um etwas ganz Besonderes. Und deshalb spielt es auch eine große Rolle, jetzt eingeladen zu werden. Das ist für nicht wenige der entscheidende Schritt. Die Veränderung, die jetzt dazu führt, dass sie sich zum Erwerb der Staatsbürgerschaft entscheiden."
Die Zahl der Beratungsgespräche hat sich in den letzten Wochen in Hamburg verdoppelt, die Zahl der Einbürgerungsanträge hat über 40 Prozent zugenommen - Tendenz steigend. Seine Idee scheint also aufzugehen, sagt Olaf Scholz. Und lächelt.
"Nach diesen Personen wird in dem Abschlusstest gefragt. Wir wissen natürlich nicht, welche Fragen Sie bekommen. Nach ihm wird nicht gefragt, aber wenn Sie in Hamburg leben, ist es gut, wenn Sie wissen, wer das ist..."
Gabriele Oberstenfeld hält das Foto eines äußerst ernst blickenden Mannes hoch: Es ist Olaf Scholz, der erste Bürgermeister von Hamburg. Man sieht ihm an: Regieren im hanseatischen Stadtstaat ist eine ernste Angelegenheit. Die rund 20 Frauen und Männer nicken mit dem Kopf - Olaf Scholz ist kein Unbekannter für sie.
Raum 402 in der Volkshochschule Hamburg verströmt mit dem gräulichen Linoleumboden und den mittlerweile ockergelben Wänden den Charme der 80er-Jahre. Jeden Donnerstagabend kommen die Frauen und Männer dort hin. Ursprünglich stammen sie aus Nigeria oder dem Iran, von den Philippinen, Japan oder aus Rumänien. Im Volkshochschulkurs wollen sie sich - Zitat- 'Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland' aneignen. Deutschland kompakt in 4 x 4 Stunden - es ist der Vorbereitungskurs für den Einbürgerungstest, der seit dem 1. September 2008 Pflicht ist für den deutschen Pass.
"Wann wurde die BRD gegründet?"
"´49."
"Und die DDR?"
"Auch 49."
"So ... und was war 1990?"
"Die erste Gesamtwahl... die Vereinigung von Ost und West..."
Politik, Geschichte, Gesellschaft - die Teilnehmer pauken die Antworten auf 300 Fragen; 33 davon werden in wenigen Wochen im Test abgefragt. Monica hört der Kursleiterin Gabriele Oberstenfeld aufmerksam zu. Vor fast 20 Jahren verließ sie Brasilien, um in Deutschland als Kindermädchen zu arbeiten. Mittlerweile ist sie zum 2. Mal verheiratet und lebt im Szenestadtteil Eimsbüttel:
"Mein Herz schlägt immer noch für Brasilien. Aber auch für Deutschland. Und das finde ich toll. Und darum möchte ich eingebürgert werden. Seit so langer Zeit, die ich hier lebe, fühle ich mich schon wie eine Deutsche: Ich bin sehr pünktlich. Ich bin Südamerikanerin, ich bin sehr pünktlich. Manchmal, ich glaube, das nervt sogar die Deutschen, weil ich mich schon 20 Minuten vorher dahin gehe."
Für Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz ist die Einbürgerung von Ausländern ein "Staatsziel. Von den 400.000 Hamburgern ausländischer Herkunft haben über 230.000 keinen deutschen Pass. Über 130.000 davon besitzen ein "stabiles Aufenthaltsrecht" - wie es in Beamtendeutsch heißt - und könnten deshalb die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Olaf Scholz lädt sie ein, genau das zu tun. Jeden Monat verschickt er 4.000 Briefe an Zuwanderer.
Wir haben uns fest vorgenommen, die alle zu bitten, dass sie sich die Staatsbürgerschaft unseres Landes auch zu eigen machen. Als große Einladung, weil der Zusammenhalt der Gesellschaft davon abhängt, dass wir uns als eine Bürgerschaft verstehen. Und das ist mit dem Schritt zur Staatsbürgerschaft auch verbunden.
Erklärt der erste Bürgermeister die Aktion und hatte eigentlich gehofft, es mit diesem Thema auf die bundesdeutsche Agenda zu schaffen. Denn gerade in Post-Sarrazin-Zeiten findet eigentlich jeder, der für eine offene Integrations- und Einbürgerungspolitik plädiert, einen Platz in der Berichterstattung. Bei Olaf Scholz ist die Resonanz im Blätterwald jedoch recht dürftig. Dabei preist der Bürgermeister seine Hamburger Initiative als ein Modell für die gesamte Republik:
"Das, was wir machen, ist in dieser Dimension, in dieser Zielgerichtetheit sicherlich einmalig. Aber es ist etwas, das in Hamburg gute Wirkung hat. Was aber sicherlich was ist, was man anderswo in Deutschland genauso machen kann."
Wohl nicht in Bayern. Der dortige Ministerpräsident Horst Seehofer wird sich Scholzens Initiative wohl kaum zum Vorbild machen. In üblicher Abwehrmanier gegen alles Sozialdemokratische polterte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt jüngst im Berliner "Tagesspiegel":
Unser deutscher Pass ist kein Ramschartikel. Und Einbürgerungsquoten sind kein Maßstab für Weltoffenheit.
"Wirre Einbürgerungsthese" nannte Seehofers rechte Hand Scholzens Idee. Die bayerische Kritik quittiert Politprofi Olaf Scholz mit einem Lächeln - und einem einzigen Satz. Olaf Scholz:
"Die gesetzlichen Vorschriften zum Erwerb der Staatsbürgerschaft sind überall in Deutschland gleich: In Hamburg genauso wie in Bayern... "
Zum Glück ist CSU-Haudegen Dobrindt auf das Thema angesprungen und hat so erst dafür gesorgt, dass die Initiative auch über Hamburgs Grenzen hinaus wahrgenommen wird. Zumindest für einen kurzen Moment.
"Das ist nicht auf Hamburg beschränkt. Das wäre gut. Auch wenn die jetzige Debatte dazu beiträgt, dass das auch anderswo so gemacht wird."
Zurück im Klassenzimmer der Volkshochschule. Monica hat schon lange vor der Scholz´schen Briefaktion entschieden, ihren brasilianischen gegen den deutschen Pass einzutauschen.
"Ich bin stolz, wenn ich den deutschen Pass, die deutsche Angehörigkeit habe. Ich bin sehr stolz, weil Deutschland ein sehr bekanntes Land, ein sehr schönes Land ist und ein sehr wichtiges Land in Europa."
Olaf Scholz:
"Für die meisten geht es auch um etwas ganz Besonderes. Und deshalb spielt es auch eine große Rolle, jetzt eingeladen zu werden. Das ist für nicht wenige der entscheidende Schritt. Die Veränderung, die jetzt dazu führt, dass sie sich zum Erwerb der Staatsbürgerschaft entscheiden."
Die Zahl der Beratungsgespräche hat sich in den letzten Wochen in Hamburg verdoppelt, die Zahl der Einbürgerungsanträge hat über 40 Prozent zugenommen - Tendenz steigend. Seine Idee scheint also aufzugehen, sagt Olaf Scholz. Und lächelt.