Inn Deutschland leben 640.000 Kinder mit einem schwierigen Problem: Sie sind Bettnässer, leiden an der Krankheit Enuresis. Oft wächst sich das Problem aus, in vielen Fällen aber nicht. Nur maximal fünf Prozent der Kinder werden überhaupt medizinisch versorgt.
"Das ist eine sehr häufige chronische Erkrankung, die häufigste chronische Erkrankung beim Kind. Und es gibt immer noch viele Aberglauben, Spinnstubenmärchen. Viele Menschen denken, das sei keine organische Erkrankung, sondern eine psychische Erkrankung. Es gebe vielleicht Belastungen in der Familie, wo wir heute wissen, das stimmt nicht. Es ist tatsächlich eine organische Erkrankung. Die kann ganz verschiedene Ursachen haben."
... sagt über Enuresis, das Bettnässen im Kindesalter, Doktor Daniela Marschall-Kehrel. Sie ist niedergelassene Urologin in Frankfurt am Main und Präsidentin der gerade gegründeten Deutschen Enuresis Akademie, die auch Forschung betreibt. Die Ursachen für das Leiden werden immer deutlicher.
"Grundsätzlich gibt es bei den klassischen bettnässenden Kindern die Möglichkeit, dass Sie entweder den Mangel eines Anti-Wasserlass-Hormones haben. Es gibt aber auch Kinder, deren Blase zu klein ist, was auch nur für die Nacht gelten kann. Da gibt es Normwerte für jedes Kind nach Alter. Und es gibt auch Kinder, die tatsächlich in ihrem Schlafverhalten beeinträchtigt sind, Probleme haben, aufzuwachen und das Signal der vollen Blase wahrzunehmen und die Toilette aufzusuchen. Es gibt auch die Kombination dieser drei untereinander."
Scheidungsfolgen oder desolate Familienverhältnisse sind viel seltener als angenommen die Ursache. In lediglich einem Prozent der Fälle spielen sie überhaupt eine Rolle. Häufig staunen Ärzte aber, dass Kinder tagsüber fast gar nichts trinken, doch abends vor dem Fernseher sehr viel. Und schon ist bei vielen eine Hauptursache fürs Bettnässen gefunden! Gegen Flüssigkeitszufuhr zur falschen Zeit können Kinder und Eltern freilich etwas tun.
"Wir lassen Blasentagebücher führen, in denen wir die Familien bitten aufzuschreiben, wie das Kind trinkt, welche Qualität Flüssigkeit, welche Menge um welche Uhrzeit. Und gleichzeitig lassen wir uns das Blasenverhalten notieren. Also wie geht das Kind auf die Toilette, hat es sehr starken, sehr plötzlichen Harndrang, verliert es vielleicht auch am Tag schon wenige Tropfen Urin? Und dazu dann die Nachtmengen, indem zum Beispiel Kinder, die häufig Windeln tragen, man diese Windeln wiegt morgens und schaut, wie viel ist denn da reingekommen?"
Mit bunten Grafiken sind die Tagebücher kind- und jugendgerecht gestaltet; sie werden angenommen. Die Kinder wirken dadurch niemals traumatisiert, sie leiden genug an ihrer Erkrankung. Nur manche Eltern wirken zunächst schockiert, verstehen aber bald Sinn und Wert der Blasentagebücher. Das Hauptproblem für Enuretiker im Kindes- und im hohen Erwachsenenalter: Die richtige Anlaufstelle fehlt. Ärzte, die sich damit auskennen, sind deutschlandweit kaum zu finden. Daniela Marschall-Kehrel:
"Grundsätzlich wollen wir uns einmal als Enuresis-Akademie, als erste interdisziplinäre Vereinigung, die das Kind im Brennpunkt hat, vorstellen. Es sind all die Fachgebiete, die sich mit diesen Kindern beschäftigen und sich um diese Kinder kümmern, vertreten. Das heißt, wir haben zwei Kinderärzte dabei, zwei Kinderurologinnen dabei, zwei Kinderchirurgen, zwei Physiotherapeutinnen. Wir haben es geschafft, auf der Öffentlichkeitsseite eine Internetseite zu erstellen, die Initiative Trockene Nacht, auf der man sich eine ganze, große Menge an Informationen, auch wie geht Diagnostik, wie führt man ein solches Tagebuch, holen kann. Und auf der auch eine Liste von Ärzten ist, die gewillt sind, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen."
Die neue Deutsche Enuresis Akademie informiert und vernetzt, sie setzt Forschungsschwerpunkte. Schlafforschung zum Beispiel. Oft geraten Kinder gar nicht in einen gesunden Tiefschlaf und träumen zu wenig. Der Reiz zu pinkeln hält sie in einem ungesunden Schwebezustand. Sie sind zu wach für einen gesunden Schlaf und zu abwesend, um die Toilette aufsuchen zu können. Medizintechnik, Alarmgeräte helfen nur bedingt. In der Forschung gibt es viele Hinweise, dass es sich um eine Erkrankung des Zentralen Nervensystems handelt, die sich im Alter fortsetzt und dann hohe gesellschaftliche Kosten verursacht.
"Diese Erkrankung ist genetisch bedingt, das Bettnässen, auch die Harninkontinenz. Deswegen sind wir heute hoch bestrebt, diese Kinder zu behandeln, weil wir wissenschaftlich die Hoffnung haben, wenn wir diese Kinder behandeln, dass sie nicht im Alter wiederkommen. Wenn Sie alte Menschen, ältere Menschen fragen, die mit diesem Thema behaftet sind, und das ist immerhin der häufigsten Einweisungsgrund in Pflegeeinrichtungen in Deutschland, erzählen die ihnen fast alle, dass sie in der Kindheit Probleme hatten. Und wir glauben, wenn wir die Kinder heute heilen können, dass sie vielleicht im Alter nicht als Patienten mit diesem Thema kommen, was natürlich auch enorme sozioökonomische Auswirkungen hätte."
"Das ist eine sehr häufige chronische Erkrankung, die häufigste chronische Erkrankung beim Kind. Und es gibt immer noch viele Aberglauben, Spinnstubenmärchen. Viele Menschen denken, das sei keine organische Erkrankung, sondern eine psychische Erkrankung. Es gebe vielleicht Belastungen in der Familie, wo wir heute wissen, das stimmt nicht. Es ist tatsächlich eine organische Erkrankung. Die kann ganz verschiedene Ursachen haben."
... sagt über Enuresis, das Bettnässen im Kindesalter, Doktor Daniela Marschall-Kehrel. Sie ist niedergelassene Urologin in Frankfurt am Main und Präsidentin der gerade gegründeten Deutschen Enuresis Akademie, die auch Forschung betreibt. Die Ursachen für das Leiden werden immer deutlicher.
"Grundsätzlich gibt es bei den klassischen bettnässenden Kindern die Möglichkeit, dass Sie entweder den Mangel eines Anti-Wasserlass-Hormones haben. Es gibt aber auch Kinder, deren Blase zu klein ist, was auch nur für die Nacht gelten kann. Da gibt es Normwerte für jedes Kind nach Alter. Und es gibt auch Kinder, die tatsächlich in ihrem Schlafverhalten beeinträchtigt sind, Probleme haben, aufzuwachen und das Signal der vollen Blase wahrzunehmen und die Toilette aufzusuchen. Es gibt auch die Kombination dieser drei untereinander."
Scheidungsfolgen oder desolate Familienverhältnisse sind viel seltener als angenommen die Ursache. In lediglich einem Prozent der Fälle spielen sie überhaupt eine Rolle. Häufig staunen Ärzte aber, dass Kinder tagsüber fast gar nichts trinken, doch abends vor dem Fernseher sehr viel. Und schon ist bei vielen eine Hauptursache fürs Bettnässen gefunden! Gegen Flüssigkeitszufuhr zur falschen Zeit können Kinder und Eltern freilich etwas tun.
"Wir lassen Blasentagebücher führen, in denen wir die Familien bitten aufzuschreiben, wie das Kind trinkt, welche Qualität Flüssigkeit, welche Menge um welche Uhrzeit. Und gleichzeitig lassen wir uns das Blasenverhalten notieren. Also wie geht das Kind auf die Toilette, hat es sehr starken, sehr plötzlichen Harndrang, verliert es vielleicht auch am Tag schon wenige Tropfen Urin? Und dazu dann die Nachtmengen, indem zum Beispiel Kinder, die häufig Windeln tragen, man diese Windeln wiegt morgens und schaut, wie viel ist denn da reingekommen?"
Mit bunten Grafiken sind die Tagebücher kind- und jugendgerecht gestaltet; sie werden angenommen. Die Kinder wirken dadurch niemals traumatisiert, sie leiden genug an ihrer Erkrankung. Nur manche Eltern wirken zunächst schockiert, verstehen aber bald Sinn und Wert der Blasentagebücher. Das Hauptproblem für Enuretiker im Kindes- und im hohen Erwachsenenalter: Die richtige Anlaufstelle fehlt. Ärzte, die sich damit auskennen, sind deutschlandweit kaum zu finden. Daniela Marschall-Kehrel:
"Grundsätzlich wollen wir uns einmal als Enuresis-Akademie, als erste interdisziplinäre Vereinigung, die das Kind im Brennpunkt hat, vorstellen. Es sind all die Fachgebiete, die sich mit diesen Kindern beschäftigen und sich um diese Kinder kümmern, vertreten. Das heißt, wir haben zwei Kinderärzte dabei, zwei Kinderurologinnen dabei, zwei Kinderchirurgen, zwei Physiotherapeutinnen. Wir haben es geschafft, auf der Öffentlichkeitsseite eine Internetseite zu erstellen, die Initiative Trockene Nacht, auf der man sich eine ganze, große Menge an Informationen, auch wie geht Diagnostik, wie führt man ein solches Tagebuch, holen kann. Und auf der auch eine Liste von Ärzten ist, die gewillt sind, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen."
Die neue Deutsche Enuresis Akademie informiert und vernetzt, sie setzt Forschungsschwerpunkte. Schlafforschung zum Beispiel. Oft geraten Kinder gar nicht in einen gesunden Tiefschlaf und träumen zu wenig. Der Reiz zu pinkeln hält sie in einem ungesunden Schwebezustand. Sie sind zu wach für einen gesunden Schlaf und zu abwesend, um die Toilette aufsuchen zu können. Medizintechnik, Alarmgeräte helfen nur bedingt. In der Forschung gibt es viele Hinweise, dass es sich um eine Erkrankung des Zentralen Nervensystems handelt, die sich im Alter fortsetzt und dann hohe gesellschaftliche Kosten verursacht.
"Diese Erkrankung ist genetisch bedingt, das Bettnässen, auch die Harninkontinenz. Deswegen sind wir heute hoch bestrebt, diese Kinder zu behandeln, weil wir wissenschaftlich die Hoffnung haben, wenn wir diese Kinder behandeln, dass sie nicht im Alter wiederkommen. Wenn Sie alte Menschen, ältere Menschen fragen, die mit diesem Thema behaftet sind, und das ist immerhin der häufigsten Einweisungsgrund in Pflegeeinrichtungen in Deutschland, erzählen die ihnen fast alle, dass sie in der Kindheit Probleme hatten. Und wir glauben, wenn wir die Kinder heute heilen können, dass sie vielleicht im Alter nicht als Patienten mit diesem Thema kommen, was natürlich auch enorme sozioökonomische Auswirkungen hätte."