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Eine annähernd perfekte Symmetrie der Nase

Kinder, die mit Lippenspalten, Lippen-Kieferspalten, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten geboren werden, müssen mehrfach operiert werden. Die Bonner Uniklinik hat eine neue Methode aus den USA eingeführt: das sogenannte "Nasoalveolar Molding", eine Formung von Nase und Kiefer.

Von Renate Rutta | 27.07.2010
    Etwa 1500 Kinder kommen mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zur Welt.
    Etwa 1500 Kinder kommen mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zur Welt. (Jan-Martin Altgeld)
    Jährlich kommen in Deutschland etwa 1500 Kinder mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zur Welt: Ein Kind bei etwa 500 Geburten ist betroffen. Erbliche Veranlagungen spielen eine Rolle, sowie möglicherweise Erkrankungen der Mutter, aber auch Nikotinkonsum. Dr. Nikolaos Daratsianos, Leitender Oberarzt der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Bonn.

    "Wir haben hier die Gaumenplatten, die wir seit Jahren eingesetzt haben bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Die Platte dient dazu, dass der Oberkiefer sich besser entwickelt, die Spalte spontan, also ohne chirurgischen Eingriff, kleiner wird. Das Wachstum des Oberkiefers wird ein bisschen gefördert und dadurch dass man den Mund- und Nasenraum voneinander trennt, kann das Baby leichter trinken."

    Dr. Daratsianos hat eine rosafarbene Gaumenplatte aus Kunststoff vor sich.

    "Das neue, was wir in Bonn in der Uniklinik eingeführt haben, ist ein Nasenstent, also ein Drähtchen, das an die bestehende Platte fixiert wird und mit Kunststoff verkleidet wird. Und dieses Drähtchen geht in die Nase rein in das betroffene Nasenloch und übt ein bisschen Druck aus und formt damit die Nase um."

    Babys mit einer Spaltbildung bekommen diese neuartige Gaumenplatte in der ersten Woche nach der Geburt im Oberkiefer mit Prothesenhaftgel eingesetzt und tragen sie sechs Monate lang.

    "Diese kieferorthopädische Gaumenplatte, modifiziert mit dem Nasenstent, kann sowohl den Kiefer formen als auch die Nase formen und die Oberlippe zueinander annähern, also rechts und links und somit wird die Spalte schon vor der Operation kleiner und die Nase wird symmetrisch."

    So wird der natürlichen Entwicklung quasi nachgeholfen, die Lippe, Kiefer oder Gaumen des Babys nur unvollständig verschlossen hat.

    "Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte entsteht bereits im Mutterleib zwischen der fünften und zehnten Embryonalwoche etwa und sie entsteht dadurch, dass bestehende Strukturen im Bereich des Oberkiefers und des Gesichtes sich nicht vereinigen. Also normalerweise entwickelt sich der Mensch von rechts und links von zwei Strukturen, die sich in der Mitte vereinigen und das bleibt aus."

    Das Annähern der beiden Teile mit Hilfe der Gaumenplatte funktioniert aber nur in der ersten Zeit nach der Geburt, wenn der Nasenknorpel, der Oberkiefer und Haut, Muskeln und Schleimhaut noch verformbar sind und wachsen.

    Durch die Behandlung bleibt den Kindern erspart, dass ihr Nasenflügel an einer Seite flach bleibt und somit die Nasenspitze leicht schief wirkt.
    Zuständig für die erste Operation im sechsten Lebensmonat ist
    Dr. Markus Martini, der Leitende Oberarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Bonn.

    "Wir können auch im Rahmen der ersten Operation schon versuchen, eine annähernd perfekte Symmetrie der Nase herzustellen, sodass auch für die Kindesentwicklung im weiteren Verlauf eine normale Nasenanatomie vorhanden ist. Und wenn notwendig im späteren Alter von 16 Jahren die definitive Rhinoplastik kleiner ausfällt oder vielleicht gar nicht mehr notwendig ist."

    Das bedeutet, dem Kind bleibt eventuell eine weitere Nasenoperation erspart.

    "Wir haben seit Einführung der neuen Gaumenplattenmethode 15 Kinder operiert und im Nachgang muss man sagen, dass die Operationen durchweg einfacher geworden sind, um ein nachher kosmetisch gutes Ergebnis zu erzielen. Und auch langfristig zeigt sich, dass die Ergebnisse stabil bleiben über diesen bis dato relativ kurzen Untersuchungszeitraum von drei Jahren."