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Eine Arbeitsmännerfreundschaft

"Der Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann" hieß das Kunstwerk, das der vor einem halben Jahr verstorbene Sigmar Polke für die Edition von Klaus Staeck erstellte - das war im Jahr 1969 der Beginn einer langen Zusammenarbeit. Heute ist Staeck Präsident der Akademie der Künste und hat dort eine Ausstellungshommage an Polke zusammengestellt.

Klaus Staeck im Gespräch mit Dina Netz |
    Dina Netz: Der eine Jahrgang 1941, der andere Jahrgang 1938. Der eine verließ die DDR 1953, der andere 1956. Ähnliche Voraussetzungen also und auch ähnliche Interessen. 1969 arbeiteten sie zum ersten Mal zusammen. Sigmar Polke realisierte die erste Arbeit für die Edition von Klaus Staeck, nämlich "Der Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann", ein Objekt, dem 90 Grafikauflagen folgten. Von da an war Klaus Staeck der Verleger und Galerist von Sigmar Polke, nicht nur, denn Klaus Staeck war selbst als Künstler ja immer auch Kollege.

    Was aus den beiden wurde, ist aktenkundig. Klaus Staeck wurde ein bekannter politischer Grafiker und Plakatkünstler und ist heute Präsident der Akademie der Künste. Sigmar Polke war einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler. Vergangenes Jahr ist er gestorben und daraufhin hat Klaus Staeck sein privates Archiv gesichtet. Was er dort fand, ist ab morgen zu sehen in der Ausstellung "Sigmar Polke - eine Hommage" in der Berliner Akademie der Künste. - Ich habe Klaus Staeck gefragt: In der Ankündigung steht, die Ausstellung dokumentiere 40 Jahre Arbeitsfreundschaft. Sigmar Polke galt ja nicht gerade als sehr kontaktfreudig. Wie genau müssen wir uns diese Arbeitsfreundschaft zwischen ihnen vorstellen?

    Klaus Staeck: Wenn man so viele Sachen verlegt hat von ihm, dann ergab sich da automatisch eine Nähe, die man mit anderen Leuten, die ich auch verlegt habe, nicht hat. Sigmar Polke war, wie man weiß - jedenfalls alle, die ihn kannten -, sehr schwer erreichbar. Es gab sehr lange Anläufe, bis man dann endlich mal einen Termin hatte. Oft waren Sachen schon Monate vorher gedruckt worden und die mussten dringend signiert werden, weil die nächste Messe drohte, oder was auch immer. Die Faxe, über 100 Stück, die ich hier veröffentlicht habe, ausgestellt habe, geben auch einen kleinen Überblick über die Leiden eines Verlegers, wenn er den Künstler, den er verlegt, partout nicht erreichen kann.

    Netz: Was war eigentlich die Verbindung zwischen Ihnen und Sigmar Polke? Wo genau haben sie Interessen, Themen geteilt?

    Staeck: Zunächst mal gab es, wie Sie schon angedeutet haben, eine Verbindung von der Herkunft her. Wir kamen beide aus der DDR, hatten den sozialistischen Realismus nicht als Doktrin anerkennen wollen und haben dann unsere Gegenbilder dazu auch geschaffen. Verbunden hat uns natürlich die Ironie. Das ist ja ein sehr verlässliches Band, wenn man wie ich die Welt nur ironisch ertragen kann und er ähnlich tickte, wie man heute sagt. Dann war natürlich auch das Politische. Er war ein dezidiert politischer Künstler, obwohl das eine Tautologie ist. Jedenfalls kann man unseren Bildern, wenn man will, wenn man mal genau hinschaut, so was wie eine Chronik der Bundesrepublik ablesen. Die Wirtschaftswunderjahre, die ganze Konsumrauschzeit hat kaum jemand besser in Bildern gespiegelt wie er.

    Netz: In der Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste sehen wir auch private Dokumente, die Sie aus Ihrem Archiv geholt haben, Herr Staeck. Faxe haben Sie schon erwähnt. Was sehen wir sonst?

    Staeck: Viele Fotos. Polke galt allgemein als fotoscheu. Es gibt Entwicklungsstufen, wie eine Grafik entsteht. Meist sieht man ja nur das Endprodukt. Es gibt Proben, es gibt sehr viele ausgewählte Kataloge. Den ersten Brief, den ich 1967 an ihn geschrieben habe, habe ich ausgegraben, ein herzzerreißender Bettelbrief, wo ich ihn bitte, 100 Grafiken für mich zu machen, und biete ihm ganze 150 Mark an, behaupte aber, selbst wenn ich das zahlen würde, wäre das eigentlich schon ein Schritt zum Konkurs der jungen Edition Staeck.

    Netz: Was erfährt man vielleicht über Sigmar Polke aus diesen Dokumenten, die Sie da ausstellen, was man bisher nicht wusste?

    Staeck: Man lernt einen humorvollen, kritischen satirischen Menschen kennen, der auch, obwohl er fotoscheu war, plötzlich vor meiner Kamera agiert hat, einen spielerischen Menschen, ohne verspielt zu sein. Viele haben ja versucht, das Politische bei ihm auszublenden, indem sie ihn als Spaßmacher oder wie auch immer bezeichnet haben, Spaßvogel. Das war er keinesfalls, sondern er war jemand, der sehr wach die Realität hauptsächlich der Bundesrepublik auch beobachtet und in seinen Bildern dargestellt hat, hat es auch geschafft, international bekannt zu werden, wie das kaum einem zweiten Künstler der Nachkriegszeit gelungen ist.

    Netz: Herr Staeck, es gab ja auch einen Besuch von Sigmar Polke, einen einzigen in ihrer 40-jährigen Freundschaft, in Heidelberg, in Ihrer Galerie. Ist das auch dokumentiert in der Ausstellung und wie war das damals eigentlich?

    Staeck: Ja. Er war fast zufällig, glaube ich, in Heidelberg, gar nicht, um mich unbedingt zu treffen, aber dann, als wir uns sahen, kam er in meine Galerie, sah einen großen, damals überdimensionierten Kopierer, einen Kopierapparat. Er legte sofort seinen Kopf auf die Kopierscheibe, warf den Apparat an und die Kopien, die da rauskamen, wurden sofort bearbeitet. Dann sah er noch ein Objekt von mir, kurz beschrieben eine Luftpumpe, auf der eine Blockflöte montiert war, und er setzte sofort zu einer kleinen Performance an, indem er auf dieser Blockflöte versuchte zu spielen. Glücklicherweise hatte ich wieder meine Kamera dabei, habe das alles dokumentiert. Diese Fotos zum Beispiel sieht man zum ersten Mal und die Ergebnisse. Es gibt sogar die Rechnung noch unseres Kneipenbesuches, immerhin 282 D-Mark haben wir verspeist, für drei Leute eigentlich eine ganze Menge, und verzeichnet sind viele, viele Kirschwasser auf diesem Rechnungsduplikat.

    Netz: Klaus Staeck, Arbeitsfreund von Sigmar Polke, über seine Hommage an den Künstler in der Akademie der Künste Berlin.