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Eine ARD im Kleinen

Sie heißen XEN.ON, HD-Kanal oder New Media Center und werden in Potsdam, Stuttgart oder Freiburg produziert: Fernsehsendungen an deutschen Hochschulen. Die Lehr- und Lernprogramme berichten über Wissenschaftler und neue Studienfächer, bringen Musik oder Themen aus dem Alltag in den Uni-Städten. Eine bundesweite Plattform für diese Programme gibt es in Deutschland allerdings nicht. Dessen Gründung ist das kontroverse Thema einer Tagung in Leipzig.

Von Ronny Arnold |
    XEN.ON-TV entsteht in Potsdam-Babelsberg - alle 14 Tage neu, produziert von einem jungen Team aus über 40 Redakteuren, Kameraleuten und Moderatoren (*). Die aktuelle Sendung läuft dann auf der eigenen Homepage und in mehreren offenen Kanälen, etwa in Berlin. Wie viele Zuschauer das Programm sehen, weiß keiner so ganz genau - aktuelle Zahlen gibt es im Moment keine. Seit einer Woche steht die neue Sendung online - knapp 45 Minuten zum Thema Helden.

    "XEN.ON befasst sich heute mit dem Thema 'Helden'. Da gibt es zum Beispiel Filmhelden, dann gibt's Helden der Geschichte, Helden im Sport, manchmal auch Helden in der Politik und auf jeden Fall Helden im Alltag."

    Und auch Pioniere können zu Helden werden, wenn ihre Idee funktioniert. Im besten Fall haben sie zuerst Visionen - wie die Uni-TV-Macher, Wissenschaftler und Medienvertreter dieser Tage in Leipzig. Sie wollen quasi zu Medienhelden eines bundesweiten Hochschulfernsehens werden, allen voran der Gastgeber der Tagung, Professor Rüdiger Steinmetz:

    "Also, ich habe so einen dreistufigen Plan entwickelt, dass in der ersten Stufe die verschiedenen Inseln miteinander kooperieren, das auf eine Plattform stellen. In der zweiten Stufe eine Programmdirektion, eine zentrale Redaktion die Aktivitäten koordiniert und bereits Themenbereiche, Themenwochen vorbereitet. Und in der dritten Phase ist das dann eine ARD im Kleinen."

    Eine ARD im Kleinen, ein föderales System mit zentraler Leitung - möglichst in Leipzig. Angesichts der Föderalismusdebatte in der Hochschullandschaft eine Vision mit Hindernissen. Da stehen: Hochschulen kontra Ministerien, Länder gegen den Bund, Konkurrenz der Universitäten untereinander dank Exillenzinitiative. Hinzu kommen diverse Medien- und Rundfunkanstalten, die sicherlich ein Wörtchen mitreden mögen und ohne die das Konzept nicht funktioniert. Und dann steht da die Frage: Wer soll's am Ende bezahlen - oder besser am Anfang?

    "Die Finanzierung ist entsprechend föderal aufgestellt. Jeder Sender finanziert erst einmal seine eigenen Aktivitäten. Die Zentrale wird sicherlich die Räume, die Technik und die Grundausstattung an Personal zu übernehmen haben. Aber zugleich stelle ich mir ja vor, dass dieses Hochschulfernsehen Ausspülungen hat in verschiedene Netze, auch in öffentlich-rechtliche, auch private Fernsehprogramme übernommen wird. Und dass da auch wieder Einnahmen entstehen."

    Doch kurzfristig müssten wohl die Universitäten finanziell herhalten. Franz Leithold vom New Media Center der Uni Freiburg ist allerdings skeptisch.

    "Ich halte es im Moment für nicht sehr realistisch, wenn man sagt auf absehbare Zeit. Denn wir haben in Baden-Württemberg ja auch so ein Programm gemacht, dieser HD-TV-Hochschultestkanal. Das heißt neun Redaktionen machen zusammen ein Programm. Das hat auch funktioniert, aber das ist mit personellen und finanziellen Mitteln verbunden. Und die alle auf Bundesebene bekommen zu können, mit eigenen Studioleitern, Redaktionsleitern ausgestattet und einer Programmdirektion, das kostet viel Geld, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Universitäten das im Moment haben."

    18 Hochschulsender gibt es derzeit in Deutschland, die regelmäßig Programme produzieren und übers Internet und teilweise über offene Kanäle verbreiten. Ausgebildet wird in zwei Bereichen: einerseits technische Fähigkeiten - Kamera, Schnitt, Produktion, und andererseits journalistische Aufarbeitung. Die Qualität der meisten Sendungen kann sich durchaus sehen lassen, daran würde ein interessantes, bundesweites Hochschulfernsehen wohl nicht scheitern. Zielgruppe wären dann auch nicht nur Studierende, sondern alle Zuschauer, die an Bildungsthemen interessiert sind. Doch die Inhalte könnten am Ende noch ein weiteres Problemfeld eröffnen, nämlich zwischen den Geldgebern, den Hochschulen - und den Machern, den Studierenden, weiß Franz Leithold.

    "Die Studierenden möchten sich darstellen, ihre Interessen, die decken sich nicht unbedingt mit denen der Universitätsleitung. Dann, das haben wir auch in der Diskussion gesehen, bis hin zur Gestaltung einer Sendung. Einigt man sich bundesweit auf ein einheitliches Format? Denn dann müssten viele Redaktionen das, was sie sich mühevoll erarbeitet haben in den letzten Jahren an Strukturen, müssen sie ein Stück weit aufgeben, um sich dann anzupassen."

    Eine Menge Ideen, eine Menge Probleme. Aber auch ein gemeinsames Ziel Heute im Laufe des Tages sollen die eine Leipziger Erklärung unterzeichnen um den Grundstein für eine eigene Plattform für ein deutsches, deutschsprachiges und schließlich gar ein europäisches Hochschulfernsehen. Das Ende ist offen - und womöglich werden solche Helden nicht an einem oder in diesem Fall zwei Tagen geboren.

    (*) Nach einer Autorenkorrektur weicht der Beitrag an dieser Stelle von der gesendeten Fassung ab.