Mascha Drost: Heute, zum 50. Jahrestag der Dortmunder Gruppe 61, findet eben da in Dortmund eine Tagung statt. "Schreibarbeiten an den Rändern der Literatur" heißt sie und will die Besonderheiten der Autoren und ihrer Texte, die Nachwirkungen, auch eventuelle Widersprüche beleuchten. Eine der Organisatorinnen dieser Tagung ist Hanneliese Palm. An Sie die Frage: War die Gruppe 61 die westdeutsche Antwort auf die Bitterfelder Konferenz in der DDR? Die fand ja kurz davor statt, 1959, und forderte die Schriftsteller dazu auf, in die Betriebe zu gehen, und für die Arbeiter lautete die Parole, "greif zur Feder, Kumpel". Hat man sich da angelehnt?
Hanneliese Palm: Das glaube ich eigentlich nicht. Natürlich hat man in Kontakt gestanden. Auch Fritz Hüser hat sich immer für die, aus dem Exil in die DDR zurückgekehrten Autoren der alten Arbeiterbewegung interessiert. Aber hier, das war ein freiwilliger Zusammenschluss von Autoren, die sich aus der Welt der Arbeit, aus ihrem Arbeitsmilieu heraus zusammengefunden haben, um eine neue Industriedichtung zu schaffen.
Walter Köpping, Fritz Hüser und Max von der Grün haben ja die Gruppe gegründet, zusammen noch mit Heinz Kosters, der ein Redakteur einer Werkzeitschrift in Herne gewesen ist. Walter Köpping war Bildungssekretär der IG Bergbau in Bochum, Max von der Grün war Bergmann, Fritz Hüser war der Leiter der Stadtbüchereien in Dortmund und eben der Sammler für die Literatur der Arbeitswelt, für soziale Literatur. Insofern hat man sich auf einer ganz freiwilligen Basis gefunden. Max von der Grün suchte andere schreibende Arbeiter, mit denen er sich austauschen konnte, suchte einen Verleger für seinen Roman "Männer in zweifacher Nacht". Walter Köpping suchte Gedichte, um junge Bergleute an die Bergarbeiterdichtung noch mal heranzuführen. Und ich denke, vom Grunde her waren das ganz andere Motive als die von oben verordnete Dichtung unter dem Motto "greif zur Feder, Kumpel".
Drost: Was waren das für Texte, die innerhalb der Dortmunder Gruppe entstanden? Worum ging es und in welcher Form?
Palm: Es ging darum, die Welt der Arbeit im Grunde genommen einem bürgerlichen Publikum vor Augen zu führen. Es ging ja um die literarisch-künstlerische Auseinandersetzung mit der industriellen Arbeitswelt und ihren sozialen Problemen, so steht es im Programm.
Drost: Die Maßstäbe, die sich die Gruppe gesetzt hat, die Ansprüche, das Bürgertum mit den Lebensverhältnissen der Arbeiter zu konfrontieren, ist die Gruppe dem gerecht geworden, oder war der Wunsch nach Aufklärung größer als das Interesse der Aufzuklärenden?
Palm: Also das Echo, was die Gruppe hervorgerufen hat, lässt sich an der Masse der Presseartikel, die wir hier im Fritz-Hüser-Institut aufbewahrt haben, deutlich ablesen. Es war schon in gewisser Weise eine Provokation auch des konservativen Literaturbetriebes, dass sich jetzt Arbeiter, die aus dieser Alltags- und Arbeitswelt kamen, selbstverständlich in den Dichterhimmel, wenn man das so, wie das in der Ausstellung dargestellt ist, zeigen will, die da Einlass verlangten, und zwar gleichberechtigten Einlass. Die Literatur ist auch gelesen und kontrovers diskutiert worden.
Man hat ja auch neue Formen gesucht und gefunden, mit den Reportagen von Günter Wallraff Mitte der 60er-Jahre und mit den Bottroper Protokollen, wie sie Erika Runge geschrieben hat damals, aber die Umbrüche in dem gesellschaftlichen Umfeld mit der 68er-Studentenbewegung stellte ja eben gerade diesen literatur-ästhetischen künstlerischen Anspruch infrage, sodass in dem Moment, wo die Gruppe sozusagen neue Formen findet, eben das gesamte irgendwo umkippt und die Gruppe nur noch im Nachhinein unter diesem politischen Gesichtspunkt gesehen wird und die eigentlichen Texte ein bisschen in den Hintergrund geraten sind und die Kuratorinnen der Ausstellung, also Professor Gertrude Celp-Kaufmann und Dr. Jasmin Grande, die sich wirklich darauf konzentriert haben, den Blick noch mal auf die Literatur zu werfen: Welche Texte waren denn da, was kann man da heute lesen und wiederentdecken. Und ich denke, man kann viel wiederentdecken.
Drost: Die Gruppe 61 war ja auch ein eher loses Gebilde. Sie löste sich Anfang der 70er-Jahre auf. Was ist von ihr übrig geblieben?
Palm: Von ihr übrig geblieben ist ganz deutlich, wenn man das unter dem Schlagwort zusammenfassen will, eine Art Demokratisierung von Literatur. Es ist jeder berechtigt, Literatur zu versuchen, sich mit dem Schreiben zu versuchen, ernst genommen zu werden. Ich denke, das hat sie deutlich durchgesetzt und das ist auch von ihr geblieben. Die Romane Max von der Grüns, der ja der bekannteste Autor gewesen ist, die Gedichte, die Hildegard Wohlgemuth geschrieben hat, die müsste man eben neu wiederentdecken, noch mal lesen und schauen, was für den Einzelnen dann die Zeit überdauert hat und von bleibendem Wert ist.
Drost: Hanneliese Palm über eine Tagung zur Dortmunder Gruppe 61.
Hanneliese Palm: Das glaube ich eigentlich nicht. Natürlich hat man in Kontakt gestanden. Auch Fritz Hüser hat sich immer für die, aus dem Exil in die DDR zurückgekehrten Autoren der alten Arbeiterbewegung interessiert. Aber hier, das war ein freiwilliger Zusammenschluss von Autoren, die sich aus der Welt der Arbeit, aus ihrem Arbeitsmilieu heraus zusammengefunden haben, um eine neue Industriedichtung zu schaffen.
Walter Köpping, Fritz Hüser und Max von der Grün haben ja die Gruppe gegründet, zusammen noch mit Heinz Kosters, der ein Redakteur einer Werkzeitschrift in Herne gewesen ist. Walter Köpping war Bildungssekretär der IG Bergbau in Bochum, Max von der Grün war Bergmann, Fritz Hüser war der Leiter der Stadtbüchereien in Dortmund und eben der Sammler für die Literatur der Arbeitswelt, für soziale Literatur. Insofern hat man sich auf einer ganz freiwilligen Basis gefunden. Max von der Grün suchte andere schreibende Arbeiter, mit denen er sich austauschen konnte, suchte einen Verleger für seinen Roman "Männer in zweifacher Nacht". Walter Köpping suchte Gedichte, um junge Bergleute an die Bergarbeiterdichtung noch mal heranzuführen. Und ich denke, vom Grunde her waren das ganz andere Motive als die von oben verordnete Dichtung unter dem Motto "greif zur Feder, Kumpel".
Drost: Was waren das für Texte, die innerhalb der Dortmunder Gruppe entstanden? Worum ging es und in welcher Form?
Palm: Es ging darum, die Welt der Arbeit im Grunde genommen einem bürgerlichen Publikum vor Augen zu führen. Es ging ja um die literarisch-künstlerische Auseinandersetzung mit der industriellen Arbeitswelt und ihren sozialen Problemen, so steht es im Programm.
Drost: Die Maßstäbe, die sich die Gruppe gesetzt hat, die Ansprüche, das Bürgertum mit den Lebensverhältnissen der Arbeiter zu konfrontieren, ist die Gruppe dem gerecht geworden, oder war der Wunsch nach Aufklärung größer als das Interesse der Aufzuklärenden?
Palm: Also das Echo, was die Gruppe hervorgerufen hat, lässt sich an der Masse der Presseartikel, die wir hier im Fritz-Hüser-Institut aufbewahrt haben, deutlich ablesen. Es war schon in gewisser Weise eine Provokation auch des konservativen Literaturbetriebes, dass sich jetzt Arbeiter, die aus dieser Alltags- und Arbeitswelt kamen, selbstverständlich in den Dichterhimmel, wenn man das so, wie das in der Ausstellung dargestellt ist, zeigen will, die da Einlass verlangten, und zwar gleichberechtigten Einlass. Die Literatur ist auch gelesen und kontrovers diskutiert worden.
Man hat ja auch neue Formen gesucht und gefunden, mit den Reportagen von Günter Wallraff Mitte der 60er-Jahre und mit den Bottroper Protokollen, wie sie Erika Runge geschrieben hat damals, aber die Umbrüche in dem gesellschaftlichen Umfeld mit der 68er-Studentenbewegung stellte ja eben gerade diesen literatur-ästhetischen künstlerischen Anspruch infrage, sodass in dem Moment, wo die Gruppe sozusagen neue Formen findet, eben das gesamte irgendwo umkippt und die Gruppe nur noch im Nachhinein unter diesem politischen Gesichtspunkt gesehen wird und die eigentlichen Texte ein bisschen in den Hintergrund geraten sind und die Kuratorinnen der Ausstellung, also Professor Gertrude Celp-Kaufmann und Dr. Jasmin Grande, die sich wirklich darauf konzentriert haben, den Blick noch mal auf die Literatur zu werfen: Welche Texte waren denn da, was kann man da heute lesen und wiederentdecken. Und ich denke, man kann viel wiederentdecken.
Drost: Die Gruppe 61 war ja auch ein eher loses Gebilde. Sie löste sich Anfang der 70er-Jahre auf. Was ist von ihr übrig geblieben?
Palm: Von ihr übrig geblieben ist ganz deutlich, wenn man das unter dem Schlagwort zusammenfassen will, eine Art Demokratisierung von Literatur. Es ist jeder berechtigt, Literatur zu versuchen, sich mit dem Schreiben zu versuchen, ernst genommen zu werden. Ich denke, das hat sie deutlich durchgesetzt und das ist auch von ihr geblieben. Die Romane Max von der Grüns, der ja der bekannteste Autor gewesen ist, die Gedichte, die Hildegard Wohlgemuth geschrieben hat, die müsste man eben neu wiederentdecken, noch mal lesen und schauen, was für den Einzelnen dann die Zeit überdauert hat und von bleibendem Wert ist.
Drost: Hanneliese Palm über eine Tagung zur Dortmunder Gruppe 61.