Jürgen Zurheide: Die CDU hat zusammengesessen. Es hat ja heftige Diskussionen gegeben, wie ist die Ausrichtung der Partei, eher die Öffnung oder eher das Konservative betonen. Das sind die beiden Flügel, die da miteinander gestritten haben, wenn es denn nur zwei Flügel sind – das weiß man nicht so ganz genau. Gestern nun die Berliner Erklärung, und das ist das Fazit der Kanzlerin:
Angela Merkel: Insgesamt bin ich der Meinung, dass ich immer dann, wenn was zu entscheiden ist, es auch entscheide und selbst es meistens, was ich entschieden habe, sogar Ihnen und der Öffentlichkeit mitteile.
Zurheide: Das war Bundeskanzlerin Angela Merkel, die über ihre Entscheidungsfreude diskutiert und gesprochen hatte. Die Berliner Erklärung, die wollen wir uns nun anhören von Christel Blanke.
Christel Blanke: Es bleibt dabei: Erst nach der Steuerschätzung im Mai wird die CDU über die Umsetzung der geplanten Steuerentlastungen entscheiden. Dabei will sie vor allem Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen berücksichtigen. Allerdings nur in dem Maß, dass Wirtschaftsentwicklung, die Lage der öffentlichen Haushalte in Bund, Ländern und Kommunen und deren Konsolidierung zulassen. In den kommenden Jahren will die CDU außerdem das Wirtschaftswachstum nachhaltig ankurbeln und Arbeitsplätze sichern, die Steuerstrukturreform auf den Weg bringen und die Neuverschuldung abbauen. Ab 2011, heißt es in der Berliner Erklärung, soll im Sinne der Schuldenbremse das strukturelle Defizit des Bundes innerhalb von fünf Jahren um rund 60 Milliarden Euro stufenweise zurückgeführt werden. Neben diesem Arbeitsprogramm geht es den Christdemokraten darum, wieder mehr Wählerschichten zu erreichen. Bei der Bundestagswahl hatten die Unionsparteien nur noch 33,8 Prozent der Stimmen erhalten. Trotzdem hält CDU-Chefin Angela Merkel an ihrem Modernisierungskurs fest und wird darin vom Vorstand unterstützt. Die CDU müsse als Volkspartei aus ihrer christlichen Tradition heraus ein Angebot für jeden in der Gesellschaft machen, sagte die Kanzlerin. Forderungen, sich stärker auf konservative Stammwähler zu konzentrieren, wies sie damit zurück. In der Berliner Erklärung werden direkt enttäuschte SPD-Wähler angesprochen, indirekt auch die der Grünen und der FDP. Stammwähler will die CDU halten und intern will sie nach den jüngsten Debatten wieder zusammenrücken. Wir setzen alles daran, dass alle Strömungen in der Union eine Einheit bilden, heißt es in dem Papier.
Jürgen Zurheide: Das war Christel Blanke, das war der Rückblick auf die Berliner Erklärung. Über die wollen wir jetzt reden. Und ich habe einen dabei, der mit am Tisch gesessen hat, mit verhandelt hat: Professor Kurt Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, ist bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Lauk!
Kurt Lauk: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Herr Lauk, wenn ich heute mal das Echo sehe, zum Beispiel Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, ist einigermaßen skeptisch, Wolfgang Bosbach war auch nicht so ganz zufrieden, die sind eher enttäuscht. Verstehen Sie deren Enttäuschung über das Ergebnis gestern?
Lauk: Nein, überhaupt nicht verständlich. Sie waren ja beide bei den Diskussionen nicht mit am Tisch beziehungsweise Erzbischof Zollitsch nur zeitweise für seinen Beitrag. Wir hatten eine ausgesprochen offene und gründliche Diskussion, die sehr konstruktiv und positiv verlaufen ist.
Zurheide: Wenn heute viele Kommentatoren sagen, Angela Merkel hat sich durchgesetzt – wir haben es auch gerade gehört. Die Öffnung der Partei geht weiter, trotzdem will man sich auf das konzentrieren, was Stammwählerschaften wollten. Das ist doch genau der Kurs, den Sie vorher gefahren hat, oder habe ich da was falsch verstanden und die anderen Kollegen?
Lauk: Nein, wir sind sehr gut informiert worden durch eine Wahlanalyse, die vorgelegt worden ist, in der klar zum Ausdruck kommt, dass die Stammwähler bei allen Parteien deutlich abgenommen haben und nur noch einen kleinen Prozentsatz ausmachen. Wir haben aber gleichzeitig gesagt, dass die Stammwähler für die CDU eine wichtige Klientel sind, wenn auch quantitativ deutlich zurückgegangen sind. Das wiederum bedeutet, dass wir uns öffnen müssen und offen bleiben müssen für alle anderen Schichten, wenn man Volkspartei bleiben möchte, und das war auch Konsens.
Zurheide: Jetzt kann man natürlich schon die Frage stellen – ich zitiere jetzt den einen oder anderen Kommentar, den wir vorhin hier vor wenigen Minuten bei uns im Deutschlandfunk gehört haben –, da ist natürlich die Frage, wenn man öffnen und bewahren will und das beides gleichzeitig, Politik so als Gemischtwarenladen, da ist man mindestens in der Gefahr, beliebig zu werden. Sehen Sie diese Gefahr?
Lauk: Nein, die sehe ich nicht, aber man hat heute aufgrund der Lage in der Wählerschaft allgemein folgende Situation: Dass etwa 60 Prozent der Bevölkerung sagen, sie interessieren sich im Grunde nicht für Politik, gleichzeitig gehen 70 Prozent der Bevölkerung zur Wahl. Das heißt, hier hat das Wählerverhalten eine gewisse Beliebigkeit in die politischen Themen hineingebracht. Es ist auch festzustellen – und auch das wurde vorgetragen, sehr sorgfältig analysiert –, dass 75 Prozent der Wähler sich bis wenige Tage vor der Wahl für eine oder andere Partei entscheiden können, also für mindestens zwei, wobei die Lager FDP/CDU/CSU und Rot-Rot-Grün relativ konsistent sind.
Das heißt also, auch innerhalb der Lager ist eine Wechselwirkung und Wechsel innerhalb der Partei noch bis wenige Stunden, wenn man so will, vor der Wahl möglich. Darauf muss sich schon auch die Politik einrichten, wenn sie die Bevölkerung, die Wählerschaft ernst nimmt.
Zurheide: Jetzt könnte man natürlich sagen, eine Partei muss eine Spannbreite haben, ja, wenn man zurückdenkt, in der Historie war das möglich. Ich habe dann gerne das Beispiel, dass ein Bundeskanzler Helmut Schmidt, der als eher wirtschaftsfreundlich immer gegolten hat, dass der natürlich auch jemanden wie Gerhard Schröder und andere, die Stamokap nahestanden, die haben das in einer Partei seinerzeit hingekriegt. Auch bei Ihnen in der CSU gab es eine gewisse Spannbreite. Nur war vielleicht der Unterschied, dass es damals Führungspersönlichkeiten gab, die selbst einen Standpunkt hatten, die dann aber akzeptiert haben, dass andere in einer Partei sind, die einen anderen Standpunkt hatten. Heute und bei der Kanzlerin tut man ihr vermutlich nicht unrecht, stellt man fest, dass man bei ihr nicht so ganz genau weiß, wo sie steht, oder ist das eine Überzeichnung?
Lauk: Es ist mit Sicherheit eine Überzeichnung. So habe ich weder die Kanzlerin erlebt noch die Diskussion in der Klausurtagung. Da gab es eine Vielzahl von Persönlichkeiten, jeweils aus ihrem Bereich, die einen klaren Standpunkt formuliert haben, gleichzeitig muss man aushalten, dass andere andere Standpunkte haben. Die Verfestigung in Säulen von verschiedenen Gruppierungen und Interessengruppen, die hat sowohl in der Bevölkerung wie in der Partei nachgelassen, dennoch gibt es die klaren Standpunkte zu den einzelnen Themen nach wie vor, und die werden auch geäußert.
Zurheide: Dann kommen wir mal zur Wirtschaft und zur Steuerpolitik. Sie haben sich wahrscheinlich gedacht, dass ich das Thema hier nicht ausspare. Was heißt das denn jetzt, was wir gestern haben, welcher Teil des Koalitionsvertrages gilt denn nun – auf der einen Seite die Steuersenkungen, die avisiert sind, oder eben der Finanzierungsvorbehalt, der da natürlich auch drinsteht? Was überwiegt für Sie im Moment?
Lauk: Zunächst mal ist es ja wichtig, wirklich zur Kenntnis zu nehmen, dass diese Koalition auch basierend auf Beschlüssen der Großen Koalition jetzt eine Steuererleichterung für 2010 beschlossen hat von 26 Milliarden. Die setzt sich zusammen aus dem Konjunkturpaket II von März 09, dem Bürgerentlastungsgesetz vom Juni 09, also beides Große-Koalitions-Beschlüsse, und dann noch hinzu das, was diese Koalition mit vier Milliarden draufgesetzt hat. Das bedeutet ganz konkret für das Durchschnittseinkommen, das für eine Familie bei 29.000 Euro bei uns liegt, eine Entlastung mit zwei Kindern von 1000 Euro im Jahr. Also das ist jetzt passiert, insofern ist die Steuerentlastung dieses Jahr konkret geworden.
Der zweite Punkt ist, dass man dann, wenn die Konjunktur wieder anspringt – und da sind die Maßnahmen auch vorgestellt worden –, eine weitere Vereinfachung des Steuersystems vornehmen möchte und wenn es dann durch das Wachstum wieder Spielraum gibt, das verbinden möchte mit einer Entlastung.
Zurheide: Aber in dieser Reihenfolge, die Sie da gerade nennen, die ist ja wichtig.
Lauk: Ja. Also Steuerstrukturreform ist das Erste, mit dem Ziel der Vereinfachung und Entlastung für die Bürger.
Zurheide: Vereinfachung und Entlastung schon gleichzeitig oder sagen Sie, erst mal Vereinfachung, die muss nicht notwendigerweise auch Entlastung heißen, und dann kann eine Entlastung kommen, wenn wir wieder Geld haben. Habe ich Sie da falsch verstanden?
Lauk: Wenn das Wachstum kommt – und wenn es nicht kommt, haben wir ein ganz anderes Problem, reden wir über ganz andere Themen – wenn Wachstum wieder kommt, ist Steuervereinfachung und Entlastung beides gleichzeitig möglich. Sicherlich in gewissen Grenzen, sicherlich und endlich, denn wir haben nun mal die Verfassungsänderung des Schuldenabbaus durchgekriegt. Wir sind das einzige Land in der Welt, das in dieser Krise uns eine Schuldengrenze gesetzt hat, die wir bis 2016 einhalten müssen, und das hat die oberste Priorität, die Verfassung einzuhalten.
Zurheide: Weiß die FDP das auch?
Lauk: Die FDP weiß das mit Sicherheit auch.
Zurheide: Aber manchmal könnte man Zweifel haben. Wenn man das eine oder andere Statement hört, da hat man das Gefühl, dass die Steuersenkung wichtiger ist als der zweite Teil.
Lauk: Die FDP wird sich an den wirtschaftlichen Realitäten genauso orientieren müssen wie die Koalitionspartner alle zusammen.
Zurheide: Ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch. Das war Kurt Lauk, der Präsident des Wirtschaftsrates, zur CDU, zur Lage der Partei und der Parteienlandschaft. Herzlichen Dank für das Gespräch!
Angela Merkel: Insgesamt bin ich der Meinung, dass ich immer dann, wenn was zu entscheiden ist, es auch entscheide und selbst es meistens, was ich entschieden habe, sogar Ihnen und der Öffentlichkeit mitteile.
Zurheide: Das war Bundeskanzlerin Angela Merkel, die über ihre Entscheidungsfreude diskutiert und gesprochen hatte. Die Berliner Erklärung, die wollen wir uns nun anhören von Christel Blanke.
Christel Blanke: Es bleibt dabei: Erst nach der Steuerschätzung im Mai wird die CDU über die Umsetzung der geplanten Steuerentlastungen entscheiden. Dabei will sie vor allem Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen berücksichtigen. Allerdings nur in dem Maß, dass Wirtschaftsentwicklung, die Lage der öffentlichen Haushalte in Bund, Ländern und Kommunen und deren Konsolidierung zulassen. In den kommenden Jahren will die CDU außerdem das Wirtschaftswachstum nachhaltig ankurbeln und Arbeitsplätze sichern, die Steuerstrukturreform auf den Weg bringen und die Neuverschuldung abbauen. Ab 2011, heißt es in der Berliner Erklärung, soll im Sinne der Schuldenbremse das strukturelle Defizit des Bundes innerhalb von fünf Jahren um rund 60 Milliarden Euro stufenweise zurückgeführt werden. Neben diesem Arbeitsprogramm geht es den Christdemokraten darum, wieder mehr Wählerschichten zu erreichen. Bei der Bundestagswahl hatten die Unionsparteien nur noch 33,8 Prozent der Stimmen erhalten. Trotzdem hält CDU-Chefin Angela Merkel an ihrem Modernisierungskurs fest und wird darin vom Vorstand unterstützt. Die CDU müsse als Volkspartei aus ihrer christlichen Tradition heraus ein Angebot für jeden in der Gesellschaft machen, sagte die Kanzlerin. Forderungen, sich stärker auf konservative Stammwähler zu konzentrieren, wies sie damit zurück. In der Berliner Erklärung werden direkt enttäuschte SPD-Wähler angesprochen, indirekt auch die der Grünen und der FDP. Stammwähler will die CDU halten und intern will sie nach den jüngsten Debatten wieder zusammenrücken. Wir setzen alles daran, dass alle Strömungen in der Union eine Einheit bilden, heißt es in dem Papier.
Jürgen Zurheide: Das war Christel Blanke, das war der Rückblick auf die Berliner Erklärung. Über die wollen wir jetzt reden. Und ich habe einen dabei, der mit am Tisch gesessen hat, mit verhandelt hat: Professor Kurt Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, ist bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Lauk!
Kurt Lauk: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Herr Lauk, wenn ich heute mal das Echo sehe, zum Beispiel Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, ist einigermaßen skeptisch, Wolfgang Bosbach war auch nicht so ganz zufrieden, die sind eher enttäuscht. Verstehen Sie deren Enttäuschung über das Ergebnis gestern?
Lauk: Nein, überhaupt nicht verständlich. Sie waren ja beide bei den Diskussionen nicht mit am Tisch beziehungsweise Erzbischof Zollitsch nur zeitweise für seinen Beitrag. Wir hatten eine ausgesprochen offene und gründliche Diskussion, die sehr konstruktiv und positiv verlaufen ist.
Zurheide: Wenn heute viele Kommentatoren sagen, Angela Merkel hat sich durchgesetzt – wir haben es auch gerade gehört. Die Öffnung der Partei geht weiter, trotzdem will man sich auf das konzentrieren, was Stammwählerschaften wollten. Das ist doch genau der Kurs, den Sie vorher gefahren hat, oder habe ich da was falsch verstanden und die anderen Kollegen?
Lauk: Nein, wir sind sehr gut informiert worden durch eine Wahlanalyse, die vorgelegt worden ist, in der klar zum Ausdruck kommt, dass die Stammwähler bei allen Parteien deutlich abgenommen haben und nur noch einen kleinen Prozentsatz ausmachen. Wir haben aber gleichzeitig gesagt, dass die Stammwähler für die CDU eine wichtige Klientel sind, wenn auch quantitativ deutlich zurückgegangen sind. Das wiederum bedeutet, dass wir uns öffnen müssen und offen bleiben müssen für alle anderen Schichten, wenn man Volkspartei bleiben möchte, und das war auch Konsens.
Zurheide: Jetzt kann man natürlich schon die Frage stellen – ich zitiere jetzt den einen oder anderen Kommentar, den wir vorhin hier vor wenigen Minuten bei uns im Deutschlandfunk gehört haben –, da ist natürlich die Frage, wenn man öffnen und bewahren will und das beides gleichzeitig, Politik so als Gemischtwarenladen, da ist man mindestens in der Gefahr, beliebig zu werden. Sehen Sie diese Gefahr?
Lauk: Nein, die sehe ich nicht, aber man hat heute aufgrund der Lage in der Wählerschaft allgemein folgende Situation: Dass etwa 60 Prozent der Bevölkerung sagen, sie interessieren sich im Grunde nicht für Politik, gleichzeitig gehen 70 Prozent der Bevölkerung zur Wahl. Das heißt, hier hat das Wählerverhalten eine gewisse Beliebigkeit in die politischen Themen hineingebracht. Es ist auch festzustellen – und auch das wurde vorgetragen, sehr sorgfältig analysiert –, dass 75 Prozent der Wähler sich bis wenige Tage vor der Wahl für eine oder andere Partei entscheiden können, also für mindestens zwei, wobei die Lager FDP/CDU/CSU und Rot-Rot-Grün relativ konsistent sind.
Das heißt also, auch innerhalb der Lager ist eine Wechselwirkung und Wechsel innerhalb der Partei noch bis wenige Stunden, wenn man so will, vor der Wahl möglich. Darauf muss sich schon auch die Politik einrichten, wenn sie die Bevölkerung, die Wählerschaft ernst nimmt.
Zurheide: Jetzt könnte man natürlich sagen, eine Partei muss eine Spannbreite haben, ja, wenn man zurückdenkt, in der Historie war das möglich. Ich habe dann gerne das Beispiel, dass ein Bundeskanzler Helmut Schmidt, der als eher wirtschaftsfreundlich immer gegolten hat, dass der natürlich auch jemanden wie Gerhard Schröder und andere, die Stamokap nahestanden, die haben das in einer Partei seinerzeit hingekriegt. Auch bei Ihnen in der CSU gab es eine gewisse Spannbreite. Nur war vielleicht der Unterschied, dass es damals Führungspersönlichkeiten gab, die selbst einen Standpunkt hatten, die dann aber akzeptiert haben, dass andere in einer Partei sind, die einen anderen Standpunkt hatten. Heute und bei der Kanzlerin tut man ihr vermutlich nicht unrecht, stellt man fest, dass man bei ihr nicht so ganz genau weiß, wo sie steht, oder ist das eine Überzeichnung?
Lauk: Es ist mit Sicherheit eine Überzeichnung. So habe ich weder die Kanzlerin erlebt noch die Diskussion in der Klausurtagung. Da gab es eine Vielzahl von Persönlichkeiten, jeweils aus ihrem Bereich, die einen klaren Standpunkt formuliert haben, gleichzeitig muss man aushalten, dass andere andere Standpunkte haben. Die Verfestigung in Säulen von verschiedenen Gruppierungen und Interessengruppen, die hat sowohl in der Bevölkerung wie in der Partei nachgelassen, dennoch gibt es die klaren Standpunkte zu den einzelnen Themen nach wie vor, und die werden auch geäußert.
Zurheide: Dann kommen wir mal zur Wirtschaft und zur Steuerpolitik. Sie haben sich wahrscheinlich gedacht, dass ich das Thema hier nicht ausspare. Was heißt das denn jetzt, was wir gestern haben, welcher Teil des Koalitionsvertrages gilt denn nun – auf der einen Seite die Steuersenkungen, die avisiert sind, oder eben der Finanzierungsvorbehalt, der da natürlich auch drinsteht? Was überwiegt für Sie im Moment?
Lauk: Zunächst mal ist es ja wichtig, wirklich zur Kenntnis zu nehmen, dass diese Koalition auch basierend auf Beschlüssen der Großen Koalition jetzt eine Steuererleichterung für 2010 beschlossen hat von 26 Milliarden. Die setzt sich zusammen aus dem Konjunkturpaket II von März 09, dem Bürgerentlastungsgesetz vom Juni 09, also beides Große-Koalitions-Beschlüsse, und dann noch hinzu das, was diese Koalition mit vier Milliarden draufgesetzt hat. Das bedeutet ganz konkret für das Durchschnittseinkommen, das für eine Familie bei 29.000 Euro bei uns liegt, eine Entlastung mit zwei Kindern von 1000 Euro im Jahr. Also das ist jetzt passiert, insofern ist die Steuerentlastung dieses Jahr konkret geworden.
Der zweite Punkt ist, dass man dann, wenn die Konjunktur wieder anspringt – und da sind die Maßnahmen auch vorgestellt worden –, eine weitere Vereinfachung des Steuersystems vornehmen möchte und wenn es dann durch das Wachstum wieder Spielraum gibt, das verbinden möchte mit einer Entlastung.
Zurheide: Aber in dieser Reihenfolge, die Sie da gerade nennen, die ist ja wichtig.
Lauk: Ja. Also Steuerstrukturreform ist das Erste, mit dem Ziel der Vereinfachung und Entlastung für die Bürger.
Zurheide: Vereinfachung und Entlastung schon gleichzeitig oder sagen Sie, erst mal Vereinfachung, die muss nicht notwendigerweise auch Entlastung heißen, und dann kann eine Entlastung kommen, wenn wir wieder Geld haben. Habe ich Sie da falsch verstanden?
Lauk: Wenn das Wachstum kommt – und wenn es nicht kommt, haben wir ein ganz anderes Problem, reden wir über ganz andere Themen – wenn Wachstum wieder kommt, ist Steuervereinfachung und Entlastung beides gleichzeitig möglich. Sicherlich in gewissen Grenzen, sicherlich und endlich, denn wir haben nun mal die Verfassungsänderung des Schuldenabbaus durchgekriegt. Wir sind das einzige Land in der Welt, das in dieser Krise uns eine Schuldengrenze gesetzt hat, die wir bis 2016 einhalten müssen, und das hat die oberste Priorität, die Verfassung einzuhalten.
Zurheide: Weiß die FDP das auch?
Lauk: Die FDP weiß das mit Sicherheit auch.
Zurheide: Aber manchmal könnte man Zweifel haben. Wenn man das eine oder andere Statement hört, da hat man das Gefühl, dass die Steuersenkung wichtiger ist als der zweite Teil.
Lauk: Die FDP wird sich an den wirtschaftlichen Realitäten genauso orientieren müssen wie die Koalitionspartner alle zusammen.
Zurheide: Ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch. Das war Kurt Lauk, der Präsident des Wirtschaftsrates, zur CDU, zur Lage der Partei und der Parteienlandschaft. Herzlichen Dank für das Gespräch!