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Eine besonders seltene Orchidee

Die Sorben sind ein kleines Volk in der Lausitz mit eigener Sprache, dem Sorbischen. Nur an einem einzigen Institut weltweit wird ihre Sprache unterrichtet: dem Institut für Sorabistik am der Uni Leipzig. 25 Studierende werden dort unter anderem zu Sorbisch-Lehrern ausgebildet. Mit Sorge sieht man dort, dass immer mehr sorbische Schulen in Brandenburg und Sachsen schließen.

Von Mark Michel |
    Wohl aus Liebe zu ihrer Sprache studiert Bianca Schwede an der Universität Leipzig Sorabistik. Ein Fach, das man nirgendwo anders in Deutschland studieren kann.

    " Für mich war das eine Identitätsfrage. Auf der einen Seite studiere ich Anglistik, was eher eine Weltsprache ist und auf der anderen Seite ist mein zweites Fach die Sorabistik, die eher so ein Teil von mir ist, in dem ich mich noch mehr mit der eigenen Kultur und der eigenen Sprache beschäftigen kann und die vervollkommnen kann."

    Insgesamt sind nur 25 Studierende für Sorabistik an der Universität Leipzig eingeschrieben. Die meisten von ihnen studieren auf Lehramt.

    " Im Vergleich zur Anglistik war das natürlich das Paradies. Es hat seine Vor- und Nachteile. Man musste zum Beispiel nicht 15 Minuten vor Unterrichtsbeginn erscheinen, um überhaupt einen Platz zu bekommen, aber andererseits fällt es natürlich auf, wenn einer mal nicht im Seminar erscheint. Man kann aber auch ein persönlicheres Verhältnis zu den Unterrichtenden aufbauen."

    Auch die Berufsaussichten erscheinen paradiesisch. Alle Lehramtabsolventen werden vom Land Sachsen garantiert in den Schuldienst übernommen, denn es mangelt an Sorbisch-Lehrern. Auch Bianca Schwede wird nach ihrem Studienabschluss zurück in die Lausitz gehen. Ein Schulpraktikum hat sie bereits hinter sich.

    " Als ich mein Praktikum gemacht habe am sorbischen Gymnasium, habe ich schon deutlich gespürt, dass im Vergleich zu meiner Schulzeit der Sorbisch-Anteil in den täglichen Unterhaltungen abgenommen hat und dass auch viel mehr deutsche Lehrer an der Schule arbeiten. Das wirkt sich natürlich aus, da deren Muttersprache nicht Sorbisch ist."

    Für Bianca Schwede ist es deshalb höchste Zeit, zurück zu gehen, um ihre Sprache zu lehren. Doch womöglich muss sie sich beeilen, denn auch in der Lausitz werden immer mehr Schulen geschlossen, darunter auch sorbische. Professor Eduard Werner vom Institut für Sorabistik sieht diese Entwicklung für den Erhalt der sorbischen Sprache und Kultur mit Sorge.

    " Wenn sie Schulen zu machen und zentralisieren, dann verlieren sie einen Großteil der Schüler. Weil die Eltern sagen, nee, der Schulweg ist mir zu weit, dann schicke ich mein Kind hier in die Schule die in der Nähe ist. Und das ist dann aber eine deutsche Schule und schon haben wir wieder Leute in der nächsten Generation, die schlechter Sorbisch können, die sich daran gewöhnt haben, Deutsch zu reden. Auf diese Art und Weise spart man dann noch viel mehr Geld an Fördergeldern ein. Das ist eine schrittweise Assimilation, aber ich habe nicht den Eindruck, dass die von Landesseite nicht gewünscht ist."

    Die Schulschließungen sind nicht das einzige, worüber sich die Sorabisten ärgern. Auch an der Universität selbst hat man zu kämpfen. Trotz genügend freier Plätze dürfen nicht alle Studienbewerber auch ein Studium beginnen, obwohl es an Sorbisch-Lehrern mangelt.

    " Wir dürfen die Leute, die bei uns das Fach gerne studieren möchten, für das wir Lehrer brauchen, nicht ausbilden, weil die durch den deutschen Numerus Clausus nicht durchkommen. Der liegt teilweise sehr hoch, bei 1,6 oder 1,7 wie für Fächer wie Englisch oder Erdkunde. Wir haben eigentlich ein Problem, die rein zu bekommen. Wir hätten allein im letzten Semester insgesamt zehn Studienanfänger gehabt, wenn die hätten alle anfangen dürfen, so dass wir in der Situation sind, dass man uns Schulen zudreht, weil man für ein Volk von 40.000 oder 50.000 den gleichen Klassenteiler verwendet wie für ein Volk von 100 Millionen, auf der anderen Seite haben wir Fachlehrermangel an den sorbischen Schulen."

    Doch die Studentin Bianca Schwede wird trotz dieser trüben Aussichten und vielleicht auch gerade deswegen, nicht aufhören, ihre Sprache zu sprechen und weiter zu geben:

    " Ich empfinde das als etwas Positives. Es gibt auch viele Jugendliche, die das nicht so positiv finden und deswegen eben Deutsch sprechen und das Sorbische irgendwie verstecken. Aber für mich ist das einfach so ein Weitergeben einer Sprache von meinen Urgroßeltern zu meinen Großeltern und dann bis hin zu mir. Für mich wäre es einfach Frevel, meine Kinder deutsch zu erziehen und diese Entwicklung nicht weiter zu führen oder ihr keine Chance zu geben. Selbst wenn es aussichtslos erscheint."