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Eine Brille für "Effe"

Astronomie. - Die besten Teleskope auf der Welt stehen in Chile, auf Hawaii, in Australien - und in der deutschen Eifel. Letzteres gehört dem Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie und blickt in einem kleinen Tal beim Örtchen Effelsberg in den Himmel. Die Anlage aus dem Jahr 1971 gehört zwar nach wie vor zu den größten und leistungsfähigsten Geräten seine Art, doch seine Sehkraft entspricht nicht mehr dem Stand der Zeit. Das soll eine Nachrüstung aber demnächst ändern.

    Seit über drei Jahrzehnten verrichtet das Radioteleskop in Effelsberg seine Aufgaben im Auftrag von Physikern und Astronomen und übertrifft damit die durchschnittliche Lebenserwartung seiner optischen Verwandten bei weitem. Auf das Altenteil will der Herr über den 3200 Tonnen schweren Stahlkoloss, Professor Anton Zensus, sein Teleskop noch lange nicht schicken: "Wir werden die Anlage noch viele Jahre, sicherlich meine gesamte professionelle Laufbahn, benutzen. Von den strukturellen und elektronischen Eigenschaften her könnte es vermutlich noch weitere 50 Jahre Spitzenforschung betreiben." Zensus und sein Team verwenden die Riesenantenne in der Eifel, um damit ebenso einzelne Objekte wie Galaxien, Sterne, Pulsare genau unter die Lupe zu nehmen, wie andererseits auch den Himmel großflächig abzutasten, um neue, bisher unbekannte Quellen im Universum zu finden. Die Radiowellen aus dem All werden in der aus knapp 2500 Metallpaneelen zusammengefügten Spiegelfläche aufgefangen. Um daraus scharfe Bilder zu erhalten, muss die 7.850 Quadratmeter große Oberfläche des 100 Meter durchmessenden Teleskops extrem genau gearbeitet sein. Abweichungen darin liegen nur bei etwa einem Millimeter.

    Trotzdem entstehen leichte Verzerrungen, je nachdem, ob das Teleskop steil oder flach in den Himmel gerichtet ist, erklärt der Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn: "Diese Verbiegungen des Teleskops resultieren aus seinem großen Eigengewicht. Der neue Subreflektor wird diesen Effekt kompensieren. Damit erreichen wir eine schärfere Abbildung, die dann zu einer Erhöhung der Empfindlichkeit des Teleskops führen wird. Es ist also in mancher Hinsicht das Verpassen einer scharfen Brille für eine alte Dame." Bis dahin muss die alte Dame sich allerdings noch etwa zwei Jahre gedulden. Dann erst wird die Nachrüstung eine bis zu vierfachen Erhöhung der Leistungsfähigkeit und damit eine erhebliche Steigerung von Empfindlichkeit und Beobachtungsmöglichkeiten liefern. Zwar verhindert der Subreflektor - selbst eine reflektierende Fläche von 6,5 Metern Durchmesser - nicht die Verbiegungen des Hauptspiegels, doch "bügelt" er die Fehler geradezu aus. Denn rund 100 Stellmotoren justieren die Oberfläche des neuen Spiegels exakt so, dass Fehler im Hauptreflektor ausgeglichen werden.

    Weil sich das Radioteleskop so quasi ständig selbst scharf stellt, freut sich Anton Zensus bereits auf die erweiterten Fähigkeiten der aufgebohrten Anlage, die dann so detailliert wie nie zuvor in Galaxien, Gaswolken und Sternentstehungsgebiete schauen wird. "Der so genannte Multi-Wellenlängen-Zugang zu astronomischen Fragestellungen erlangt immer größere Bedeutung. Dabei werden Beobachtungen aus dem Röntgen- und hochenergetischen, dem optischen und dem infraroten Bereich mit Messungen im Radiobereich kombiniert und so neue Aspekte der Objekte im Universum gewonnen." Eine weitere Möglichkeit, noch tiefer ins All zu horchen, bleibt dem so idyllisch, aber auch abseits gelegenen Effelsberger Teleskop allerdings verwehrt. Dazu schalten Astronomen gleich mehrere Anlagen per Daten-Autobahn zusammen. Doch der Eifelstation bleibt eine Auffahrt auf die Infoschnellstraße bislang verwehrt – denn eine Standleitung, einziges Angebot des Netzbetreibers, würde astronomische Kosten erzeugen.

    [Quelle: Dirk Lorenzen]