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Eine Chance für den Flusskrebs

Vor mehr als 100 Jahren lebten Flusskrebse in fast allen europäischen Binnengewässern. Dann brach die Edelkrebspopulation fast flächendeckend zusammen. Seit einigen Jahren versuchen Teichwirte, den Flusskrebs wieder anzusiedeln, um ihn als Speisekrebs zu verkaufen. Nun hat sich auch der Naturschutzbund NABU dem Edelkrebs gewidmet und will der seltenen Art durch Auswilderung wieder eine Chance geben.

Von Ludger Fittkau |
    "Hier an das Gewässer wird man ganz schlecht drankommen, weil - die sind ja in Uferhöhlen drin und unter Steinen. Ich denke mal nicht, dass dies hier ein Problem sein wird."

    Hubert Göbel vom Naturschutzbund Steinau im Main-Kinzig-Kreis gibt Feinschmeckern, die Flusskrebse aus dem Klesberger Weiher klauen wollen, keine Chance: Die schlammigen und flachen Uferzonen des abseits gelegenen Gewässers im Vogelberggebiet bilden ebenso ein Hindernis wie die nahegelegene Straße, auf der die Naturschützer mindestens einmal täglich vorbeifahren, um nach dem Rechten zu sehen. Denn der Klesberger Weiher wird vom hessischen Naturschutzbund NABU bewirtschaftet. Wie andere Vogelsberg-Gewässer dient er dazu, seltene Tier- und Pflanzenarten wieder anzusiedeln, wie den Edelkrebs Astacus astacus. Sibylle Winkel, Diplom-Biologin des NABU:

    "Der Edelkrebs war ja bis vor 120 Jahren eine sehr häufige Tierart hier in Hessen und ist auch fast allgemein in fast allen kleinen Fließgewässern, Teichen und Seen vorgekommen, dann wurde eine Krankheit eingeschleppt mit amerikanischen Krebsen, die eingeführt wurden, die Krebspest, und die hat sich rasant verbreitet und hat in Hessen dann nahezu alle Bestände ausgerottet. Deswegen ist der Edelkrebs ein sehr seltenes Tier geworden, und kaum jemand kennt ihn heute noch."

    Auch Anne, Julia, Lisa und Enrico von der Kindergruppe des Naturschutzbundes Steinau haben noch nie einen ausgewachsenen männlichen Flusskrebs gesehen. Das etwa 20 Zentimeter lange Tier mit fingergroßen, rötlichen Scheren flößt durchaus Respekt ein. Doch Anne erzählt, dass der Klesberger Weiher, in den die Krebse ausgewildert werden, ohnehin kein bevorzugter Badesee für die Kinder der Gegend ist:

    "Ich war noch nie da drin baden."

    Deswegen zögern die Kinder nicht, die 400 nachgezüchteten Krebse in den Teich einzusetzen. Der Biologe Matthias Kuprian von der NABU-Landesarbeitsgemeinschaft Biodiversität bereitet die Auswilderungsaktion vor:

    "Das sind extra Transportbehälter, die sind mit Sauerstoff aufgepumpt, damit die auch ein paar Tage dann unter Umständen da drin bleiben können, wenn die auf längere Strecken gehen und die werden wir jetzt umfüllen in kleinere Gefäße, in den kleineren Gefäßen werden die dann ausgewildert."

    "Könnt ihr das mal ein bisschen schräg halten? So jetzt ganz langsam, dass es möglichst wenig Verluste gibt. Jetzt tropfen sie einzeln raus. Sind immer noch welche drin, ganz schönes Gewusel hier."

    "Die Männchen haben auch deutlich größere Scheren als die Weibchen. Und die Weibchen kann man gut daran erkennen, dass sie über den größten Teil des Jahres an der Unterseite die Eier mit sich herumtragen. Können wir jetzt mal hier schauen, wir haben ein Weibchen, wo das der Fall ist."

    Wenn die Edelkrebse sich im Klesberger Weiher wohl fühlen und vermehren, wollen die Naturschützer des NABU sie an vielen Stellen im Vogelsberggebiet aussetzen. Allerdings gibt es in der abgelegenen, rauen Landschaft viele natürliche Feinde:

    "Hier haben wir zum Beispiel Schwarzstörche und auch Graureiher, und die haben natürlich gerne so einen Leckerbissen. Da die Krebse aber nachtaktiv sind im Regelfall, sind sie ganz gut geschützt. Sie sind tagsüber in Höhlen drin oder zwischen Steinen, und da halten sie sich versteckt."

    Die Kinder stapfen durch das sumpfige Ufergras zum Wasser und schütten die Krebse vorsichtig in den Weiher. Die Naturschützer haben dafür gesorgt, dass im Gewässer keine Raubfische den jungen Edelkrebsen zusetzen können:

    "Wir haben hier auch gefährdete Kleinfischarten eingesetzt wie den Bitterling, der ist jetzt schon drin, aber zum Beispiel keine Hechte, keine Aale, die wären für die Krebse ganz schlecht."

    Sybille Winkel träumt davon, dass es im Vogelsberggebiet in ein paar Jahren wieder so viele Krebse gibt, dass auch Menschen die schmackhaften Tiere in Zukunft ohne schlechtes Gewissen in den Kochtopf setzen können.