Auf einem überschriebenen Manuskript befand sich - zunächst unsichtbar - ein kleines Handschriftenfragment der syrischen Übersetzung aus dem Griechischen, die im 3. Jahrhundert verfasst und im 6. Jahrhundert kopiert wurde. Das teilte die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mit.
"Vor etwa 1.300 Jahren nahm ein Schreiber in Palästina ein Evangelienbuch, das mit einem syrischen Text beschriftet war, und radierte es aus", hieß es dazu. Pergament war im Mittelalter knapp, Manuskripte wurden daher häufig wiederverwendet. Solche überschriebenen Schriftstücke nennt man Palimpsest.
"Die Tradition des syrischen Christentums kennt mehrere Übersetzungen des Alten und Neuen Testaments", teilte Entdecker Kessel mit. Bis vor kurzem waren nur zwei Handschriften bekannt, die die altsyrische Übersetzung der Evangelien enthalten. Mit dem jetzt gefundenen Handschriftenfragment liegt ein weiterer Textzeuge vor. Kessel identifizierte es dank moderner Technik als dritte Textschicht, also Doppelpalimpsest, in einer Handschrift der Vatikanischen Bibliothek. Es biete einen "einzigartigen Zugang zur sehr frühen Phase in der Geschichte der textuellen Überlieferung der Evangelien". Je mehr Übersetzungen bekannt sind, desto mehr erfährt die Wissenschaft laut ÖAW über den Originaltext der Evangelien.