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Eine eitle Rechtfertigungsschrift

Es soll ein Plädoyer für ein selbstbestimmtes Leben sein, was Familienministerin Kristina Schröder und ihre Ministeriumsmitarbeiterin Caroline Waldeck vorgelegt haben. Niemand solle ihnen ständig Rollenleitbilder vorhalten, doch wie diese Forderungen untermauert und begründet werden, schießen weit über's Ziel hinaus.

Von Catrin Stövesand | 23.04.2012
    Die Buchvorstellung hätte ein gelungener Termin sein können für die Bundesfamilienministerin.

    Hätte - Wäre dieses Buch gelungen und verliefe die Amtsführung der Ministerin glücklicher. Kritikerinnen – tatsächlich vor allem Frauen - nutzten den Termin, um gegen das Betreuungsgeld zu protestieren. Und so gab es an diesem Abend gelungenere Auftritte als den von Kristina Schröder.

    Auch im Buch geht es um das Betreuungsgeld, indirekt, es ist ein Plädoyer für ein selbstbestimmtes Leben. Jede Frau solle nach ihren Wünschen und persönlichen Vorstellungen leben können, fordern die beiden Autorinnen, Kristina Schröder und ihre Ministeriumsmitarbeiterin Caroline Waldeck. Und niemand solle ihnen ständig Rollenleitbilder vorhalten. So weit, so gut und richtig. Aber die Art, wie diese Forderungen untermauert und begründet werden, schießen leider über's Ziel hinaus. Das Publikum gibt Kontra:

    "- Ich will auch keine Rollenvorbilder, aber auch nicht von Ihnen.

    - So eine urfeministische Forderung drehen Sie um, das dürfte Ihnen bewusst sein, und zwar das Private ist politisch, indem Sie sagen, Geschlechterverhältnis hören im Privaten auf, darüber soll nicht diskutiert werden. Und damit sagen Sie, Feminismus, da habe ich nichts mit zu tun. Da möchte ich Sie bitten, überlegen Sie sich noch mal gut, was Sie sagen."

    Kristina Schröder und Caroline Waldeck prangern ein "Kreuzfeuer" der Rollenleitbilder an, dem Frauen ausgesetzt seien. Die Feindlinien sind klar gezogen. Auf der einen Seite schießen die Strukturkonservativen, auf der anderen Seite der Feminismus. So jedenfalls nimmt das die amtierende Frauenministerin wahr:

    "Statt Frauen zuzutrauen, für sich selbst emanzipierte Entscheidungen für welches Leben auch immer zu treffen, versuchen Feministinnen genauso wie die von ihnen bekämpften Strukturkonservativen, private Entscheidungen zu beeinflussen – durch Propagandafeldzüge gegen Hausfrauen, Gattinnen, Latte-Macchiato-Mütter und alle anderen, die sich in ihrer allzu bereitwilligen Hinwendung zu Mann und Kind angeblich der Selbstentwertung schuldig gemacht haben."

    Dem Beißreflex, den Kristina Schröder dem Feminismus vorwirft, kommt sie selbst gerne nach. Ihre Zähne zeigt sie Alice Schwarzer und Bascha Mika. Letztere wird für ihr Buch "Die Feigheit der Frauen" angegangen. Und mit Pars-pro-toto-Argumentationen fordert die Ministerin dann, die "feministische Weltanschauung" möge sich als überholt in die Ecke stellen. Diese Sichtweise gipfelt in Sätzen wie diesem:

    "Man darf die Warnung vor der Degradierung der Frau zum Objekt männlicher Sexualität wohl getrost vor allem als raffinierte Form feministischer Herrschaftssicherung im öffentlichen Diskurs interpretieren."

    Bei direkter Nachfrage klingt das zumindest bei ihrer Co-Autorin Caroline Waldeck etwas differenzierter:

    "Unsere Generation erlebt die Diskriminierung von Frauen anders, nicht mehr die Diskriminierung als Frau, als Geschlecht diskriminiert werden, sondern diskriminiert zu werden als jemand, der sich Zeit für familiäre Verantwortung nimmt, oder der auch nur im Verdacht steht, das irgendwann zu tun. Aber auch Männer, die sich Zeit für familiäre Verantwortung nehmen, haben mit denselben Problemen zu kämpfen."

    Dass in dem Buch keine Lebensentwürfe ohne Familiengründung vorkommen, sei dem mangelnden Platz geschuldet gewesen, sagt Caroline Waldeck. Die Seiten füllenden Wiederholungen der immer gleichen Behauptungen und Argumente sprechen dagegen, ebensoso mache Passage im Text:

    "Eine Frau kann in unserer pluralistischen Gesellschaft öffentlich akzeptiert bisexuell, vegan oder bekennende Atheistin sein. Auch kann sie im RTL-Dschungelcamp Insekten verzehren, ohne dass es irgendjemanden aufregt. Die Toleranz hat aber absurderweise ausgerechnet dort ein Ende, wo es um die privatesten Lebensentscheidungen überhaupt geht: Um die Frage, wie Frauen sich Partnerschaft und Familienleben vorstellen."

    Eine offenbar ganz private Erfahrung und Perspektive, die auf polemische Weise wie ein Naturgesetz vorgetragen wird. Das ist das gängige Muster des Buches, der persönliche Eindruck wird zum Pauschalurteil erhoben. Und so entlarvt es sich als eitle Selbstbestätigungs- und Rechtfertigungsschrift.

    Gesammelte Kommentare über Amtsantritt und Amtsführung werden zitiert, Briefe von Bürgern abgedruckt. Lest, was mir widerfahren ist. Fast ein wenig guttenbergesk zeigt Frau Schröder sich nicht nur überrascht, sondern auch enttäuscht darüber, dass sie als Bundesministerin unter besonderer Beobachtung steht.

    "Im Amt der Bundesfamilienministerin muss man sich sowohl als Mutter als auch als kinderlose Frau ein falsches Familienbild und eine falsche Lebensweise vorwerfen lassen."

    So empfänglich sich Kristina Schröder für unangemessene Kritik an ihrer Lebensweise zeigt, so teflonresistent scheint sie, wenn es darum geht, dass sich viele Frauen von der Frauenministerin nicht adäquat vertreten fühlen.

    "Zumindest, glaube ich, funktioniert Frauenpolitik nicht ohne Männer. Sondern Frauenpolitik funktioniert nur, wenn wir auch die Männer mit ihren Bedürfnissen, ihren Zwängen mit einbeziehen."

    Falsch, Frau Schröder, das war die Familienpolitik. Frauenpolitik sollte sich zwar nicht gegen Männer richten, aber Frauenpolitik dreht sich per definitionem um Frauen. Aber für die Autorinnen drehen sich Frauen per definitionem um Familie. Der Text funktioniert nach dem bekannten Muster. Beobachtungen wiedergeben und Behauptungen ableiten, begleitet von Kriegsrhetorik, um andere Positionen abzuqualifizieren.
    Unbestritten - Kristina Schröder hat gute Absichten. Sie will, so schreibt sie, gesellschaftlichen Fortschritt erreichen. Fortschritt ist aber auf neue Ideen angewiesen, er kann sich nicht vollziehen, indem man schlicht vorhandene Ideen verwirft. Zum Beispiel die Idee von der Quote: Die Frauenquote bei der CDU hat Kristina Schröder ihr Bundestagsmandat eingebracht. Eine Quotenfrau will sie aber partout nicht sein:

    "Der Riesenunterschied ist, dass sich die Union selbst dieses Quorum gegeben hat. Das ist ja genau mein Modell, dass ich sage: Unternehmen sollen sich selbst eine Quote geben."

    Den vorangegangen politischen Druck für diese Quote lässt Kristina Schröder in ihrer Argumentation aus. Und auf die gleiche Weise verstrickt sie sich in ihrem Buch in weitere Widersprüche. Emanzipation heißt für sie – ich lebe, wie es mir gefällt. Eine politische Aufgabe für eine Ministerin – Frauen eben das zu ermöglichen – will sie nicht erkennen. Darüber sprechen - ja, gestalten – nein: So könnte man die politische Devise verstehen. Ein Buch über Politik sollte es ja auch nicht werden, betonen die Autorinnen im Vorwort, ein politisches aber schon. Allerdings spricht aus den Seiten so viel Unsicherheit, Unsouveränität und leider auch Unüberlegtheit, dass sich die Frage nach dem Verständnis der Ministerin von Politik tatsächlich stellt. Ist Kristina Schröder ihrer Aufgabe gewachsen, wenn sie als angeblich emanzipierte Frau schreibt:

    "Verunsicherung und Überforderung prägen das weibliche Lebensgefühl."

    Wirkliche emanzipierte, das heißt auch gefestigte Frauen können das nicht unterschreiben. Und deshalb muss auch keine Frau dieses Buch lesen. Auch kein Mann übrigens.

    Wenig überzeugt: Meine Kollegin Catrin Stövesand hat das Buch
    von Kristina Schröder und Caroline Waldeck gelesen.
    Es trägt den herausfordernden Titel: "Danke, emanzipiert sind wir selber! Abschied vom Diktat der Rollenbilder". Erschienen im Piper Verlag mit 240 Seiten. Der Preis: 14,99 Euro