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Eine elektronische Liebesaffäre

Der Erfolg ist nicht zu leugnen: Sein erster E-Mail-Roman "Gut gegen Nordwind" hat sich fast 500.000 verkauft, die Fortsetzung "Alle sieben Wellen" liegt bei 200.000. Besonders die weibliche Leserschaft hat zum Erfolg des 49-jährigen Wieners beigetragen, der seine Romane zwar durchaus als leicht, nicht aber als anspruchslos bezeichnet.

Von Günter Kaindlstofer |
    Als Erzähler mag Daniel Glattauer seine Qualitäten haben, eines ist er mit Sicherheit nicht: ein Mann der literarischen Innovation. Der 49-Jährige hat jedenfalls kein Problem damit, die dramaturgische Uraltfrage schlechthin ins Zentrum seiner erfolgreichen E-mail-Romane zu rücken. Und die Frage lautet: Kriegen sie sich, oder kriegen sie sich nicht?

    Dass dergleichen auch 90 Jahre nach Courts-Mahlers seine Wirkung nicht verfehlt, belegen allein schon die Verkaufszahlen der beiden Glattauerschen E-Mail-Romane: 500.000 Mal hat sich "Gut gegen Nordwind" bisher verkauft, "Alle sieben Wellen" schrammt derzeit hart an der 200.000er-Grenze dahin, Hardcover, versteht sich.

    Daniel Glattauer genießt den Erfolg - und macht sich keine Illusionen über den literarischen Stellenwert seiner Werke.

    "Ich glaube nicht, dass ich Bücher schreibe, die die Weltliteratur vorantreiben werden. Das war nie mein Anspruch. Ich möchte Bücher schreiben. Dass manche das Literatur nennen, freut mich. Wenn man sagt Unterhaltungsliteratur, hab ich kein Problem damit, und wenn man sagt Leichte Literatur ist das auch vollkommen okay. Wenn man aber meint, Leichte Literatur sei etwas Minderwertiges, dann ärgert mich das. Ich möchte Bücher schreiben, mit denen Menschen, die ungefähr mein Bildungsniveau und meine Ansprüche haben, etwas anfangen können."

    Mit Glattauers Büchern können viele etwas anfangen. Dabei war, als "Gut gegen Nordwind" 2006 erschien, keineswegs absehbar, dass der heute 49-jährige Wiener dereinst die Höhen der "Spiegel"-Bestsellerliste erklimmen würde. Zwei Literaturbetriebsgrößen vor allem waren es, die Glattauer nach Kräften gepusht haben: Volker Hage und Elke Heidenreich.

    "Also, bei 'Gut gegen Nordwind' ist es sehr langsam angelaufen. Es haben zwar viele, die das Buch gelesen haben, auch von Verlagsseite, immer wieder gute Stimmung gemacht, indem sie gesagt haben, das kommt gut an, das gefällt den Leuten, aber es hat trotzdem lange gebraucht. Es gab sogar eine Nominierung für die Longlist des "Deutschen Buchpreises", das hat ein bisschen Aufmerksamkeit erregt, ist dann aber auch wieder verpufft. Es ist also in den ersten Monaten gar nicht so eindrucksvoll dahingegegangen, in Österreich hat sich das Buch von Anfang an ganz gut verkauft, in Deutschland war noch relative Ruhe. Dann ist eine sehr schöne, für mich schmeichelhafte "Spiegel"-Rezension erschienen, und dann hat Elke Heidenreich das Buch in ihrer Sendung besprochen. Das hat dann einige Aufmerksamkeit in Deutschland gebracht, und ab dann ist es konstant über zwei Jahre gut weitergegangen."

    Dabei hat sicher auch Mundpropaganda eine Rolle gespielt, die bekanntlich kostenlos aber unbezahlbar ist.

    "Alle sieben Wellen: Auch in Glattauers zweitem E-Mail-Roman begegnen wir Emmi Rothner und Leo Leike, den beiden Liebesleuten, die sich in "Gut gegen Nordwind" in eine platonisch-elektronische "Love Affair" hineingesteigert haben, ohne einander je zu begegnen. Emmi ist auch im zweiten Roman noch verheiratet, und Leo ist inzwischen liiert, was die Sache nicht leichter macht.

    Formal setzt Glattauer auch in "Alle sieben Wellen" auf den Kunstgriff des ersten Romans: Wir bekommen nur die E-Mails der beiden zu lesen, dazwischen kurze Zeitangaben - "einen Tag später", "sieben Minuten später", "zehn Sekunden später", sonst nichts. Im Grunde eine Fortsetzung des guten alten Briefromans seligen Angedenkens.

    "Ich glaube, hätte ich mich mehr damit beschäftigt, wie das mit E-Mail-Romanen so ist, wie viele es gibt, und was die Vorgeschichten dazu sind, dann hätte ich 'Gut gegen Nordwind' vielleicht nicht geschrieben. Ich hab halt einfach munter drauflos geschrieben, und irgendwann hab ich mich einmal per Google informiert, ob es so was schon gibt, da hab ich nichts gefunden, dann hab ich einfach weitergeschrieben, und hab dann schon gewusst, es wird ein bisschen problematisch zuzugeben, dass ich einen E-Mail-Roman geschrieben habe, denn das klingt in unseren Ohren nicht so aufregend, da stellt man sich was anderes vor. Ich habe immer die Angst gehabt, die Leute hören E-Mail-Roman und denken, das muss diese Junk-Sprache sein, so wie man sich halt berufsmäßig E-Mails in Wortfetzen zusendet. Aber so war's nie angelegt. Ich hab in diese E-Mails durchaus schöne, wohlformulierte Sätze verpacken wollen, und deshalb war das Wort E-Mail-Roman als Werbemittel eher destruktiv. Aber als die Leute das Buch zu lesen begonnen haben, haben sich diese Einwände rasch verflüchtigt."

    Bevor Daniel Glattauer als Romancier reüssierte, war er in Österreich vor allem als Journalist bekannt. Als Gerichtssaalberichterstatter und Kolumnist der Wiener Tageszeitung "Der Standard" hat Glattauer einen eigenwilligen, verschmitzt-charmanten Stil entwickelt, der bis heute als sein Markenzeichen gilt. Charme attestieren ihm auch viele Leser seiner Romane.

    "Ich habe mich selber nie als Charme-Kanone gesehen. Wenn Menschen meine Bücher als charmant betrachten, dann ist das wunderbar, aber ich hab's nicht darauf angelegt. Würde man bewusst charmant schreiben, würde es wahrscheinlich uncharmant."

    Es ist seine ganz und gar unkokette Bescheidenheit, die zum Charme Daniel Glattauers wesentlich beiträgt.

    "Ich bin ein ganz normaler, gar nicht so charismatischer Unterhalter. In Gesprächsrunden eigentlich eher ein Ruhigerer. Beim Schreiben habe ich dagegen immer größere Ambitionen gehabt, ich formuliere gern, ich möchte Gefühle ausdrücken, sie möglichst knapp und präzise auf den Punkt bringen, und ich möchte gern, dass man dazu lächeln kann."

    Zu einem Lächeln lassen sich bei Glattauers Lesungen vor allem weibliche Fans hinreißen. 80 bis 90 Prozent Frauen, das ist in etwa der Schnitt bei Glattauers öffentlichen Auftritten, und deren absolviert er eine ganze Menge in den letzten Wochen.

    Es sei die These gewagt, dass Daniel Glattauers Liebesromane die Sehnsüchte einer Klientel bedienen, die sich früher vielleicht an schmalzigen Arzt-Romanen oder den levkojenduftgeschwängerten Werken Rosamunde Pilchers ergötzt hat: Allerdings kommt der Märchenprinz bei Glattauer nicht aus dem OP oder den herrschaftlichen Zimmerfluchten von Highcliffe Castle, sondern geradewegs aus dem Internet. Altes Spiel im neuen Kleid.

    "Es ist schon so, dass ich einen Hang zu schönen und am Rande des Kitschigen befindlichen Dingen habe. Zum Beispiel höre ich gern manchmal kitschige Musik. Ich kenne das Gefühl, Sehnsucht nach etwas zu haben, und wenn das künstlerisch oder literarisch in entsprechender Form dargestellt wird, kann's mich durchaus begeistern. Ich weiß schon, wo die Sehnsüchte sind, ich spüre sie in mir selbst, und ich spüre auch die Sehnsüchte gewisser Leser und Leserinnen, und ich erfülle sie halt gern. Es darf allerdings nicht unglaubwürdig sein. Die Vorstellung, einen Partner zu finden, der zu einem passt und mit dem es optimal läuft, das ist einfach ein Wunsch und eine Sehnsucht vieler Leute, und sich an diese Sehnsucht heranzuschreiben, das bereitet mir Vergnügen."

    Der Autor hört gern kitschige Musik, auch wieder so ein Glattauer-Geständnis. Da liegt die Frage nahe: Welche denn?

    "Aah, ich höre gern Bee Gees zum Beispiel. Das ist eine Altlast aus der Kindheit, die werde ich nicht mehr los. Das sind diese Brüder, leider gibt's den dritten nicht mehr. Barry und Robin Gibb, und die haben's mir angetan, obwohl sie schreckliche Stimmen haben. Es ist furchterregend, aber ich liebe sie."

    Daniel Glattauer als Barry Gibb der zeitgenössischen Unterhaltungsliteratur? Warum eigentlich nicht. Andererseits, Daniel Glattauer hat etwas, über das Barry Gibb nicht verfügt: Selbstironie. Und das spricht dann eigentlich doch wieder für ihn.