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"Eine Entscheidung für Absichten"

Karsten Voigt, Beauftragter er Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, glaubt nicht, dass durch den Friedensnobelpreis die Wahrscheinlichkeit größer geworden sei, dass US-Präsident Barack Obama mit seiner Politik Erfolg haben werden. Die iranische Regierung oder Nordkorea werde der Preis nicht beeinflussen.

Karsten Voigt im Gespräch mit Dirk Müller | 09.10.2009
    Dirk Müller: Die Mitteilung aus Stockholm kam um 11 Uhr heute Vormittag, also vor gut eineinhalb Stunden: Der Friedensnobelpreis geht an Barack Obama. Für viele Beobachter, vielleicht sogar für alle eine Sensation. An Barack Obama geht der Friedensnobelpreis. Darüber sprechen wollen wir nun mit dem SPD-Politiker Karsten Voigt, amtierender Beauftragter der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Guten Tag!

    Karsten Voigt: Schönen guten Tag, Herr Müller.

    Müller: Herr Voigt, haben Sie Ihren Ohren getraut?

    Voigt: Ich habe meinen Ohren getraut und mich gefreut und ich begrüße diese Entscheidung, aber das ist natürlich eine Entscheidung für Absichten, für einen neuen politischen Stil, für neue politische Methoden. Es ist und kann auch noch gar nicht sein eine Preisverleihung für erreichte Erfolge.

    Müller: Ist das gut, wenn der Friedensnobelpreis an Politiker verliehen wird, die noch keine Erfolge erzielt haben?

    Voigt: Das kann man unterschiedlich sehen. Ich bin damals am Abend, an dem Willy Brandt den Friedensnobelpreis bekommen hatte, bei ihm in der Wohnung gewesen, wir haben uns alle gefreut. Da war die Politik eingeleitet, aber noch nicht zum Abschluss gekommen. Ich glaube, diese Preisverleihung war auch berechtigt. Wir haben dann gesehen, dass Peres und Arafat für die Unterzeichnung des Osloer Friedensvertrages einen Friedensnobelpreis bekommen haben, und das war ja auch ein wichtiger Schritt in Richtung auf den Frieden, aber heute sind wir weiter als je zuvor von einem tatsächlichen Frieden im Nahen Osten entfernt. Da kann man also sich fragen, war das nicht etwas zu früh. Bei anderen ist es eine Auszeichnung gewesen für ihr Engagement für Menschenrechte oder gegen Landminen. Das ist also sehr unterschiedlich gewesen. Es hat immer eine politische Note gegeben bei der Verleihung von Friedensnobelpreisen.

    Müller: Muss ich Sie noch mal fragen. Ist das längst ein politischer Preis?

    Voigt: Die Verleihung des Friedensnobelpreises war immer politisch. Sie ist aber nicht nur vollzogen worden an Politikern, sondern auch um Zeichen zu setzen, zum Beispiel bei der Unterstützung der birmanischen Oppositionsführerin, bei der Unterstützung von Bürgerrechtsbewegungen, bei der Unterstützung von Gruppen, die sich gegen Landminen eingesetzt haben. Also er ist keineswegs nur an Politiker gegangen und bei manchem Politiker war es auch eher die Absicht als die Wirkung. Al Gore: Da hat man ihn ausgezeichnet, auch natürlich um Bush einen auszuwischen, um zu sagen, wir schätzen die Klimapolitik von Gore, aber nicht deine. Also eine politische Note war immer dabei.

    Müller: Aber Vorschusslorbeeren in dem Sinne, das ist in Ordnung, sagen Sie?

    Voigt: Na, also, mir ist es wichtig, dass Obama einen anderen Weg gehen will, in seinen Methoden und Zielen als der vorhergehende Präsident. Das begrüße ich. Aber noch wichtiger ist mir natürlich, dass er dabei Erfolg hat. Ob durch die Verleihung des Friedensnobelpreises die Wahrscheinlichkeit größer geworden ist, dass er Erfolg haben wird, da habe ich meine Zweifel, weil sein Ansehen wird dadurch gestärkt, aber diejenigen, die es ihm schwer machen mit seiner Durchsetzung, sagen wir mal die iranische Regierung oder Nordkorea, oder auch im eigenen Lande die konservativen Republikaner, die werden durch die Verleihung des Friedensnobelpreises, glaube ich, wenig beeinflusst werden.

    Müller: Wie kann, Herr Voigt, denn dieses Momentum, wenn wir das einmal amerikanisch jetzt hier einfließen lassen wollen, also die Gunst der Stunde ausnutzen?

    Voigt: Die Gunst der Stunde kann man am besten ausnutzen, indem man diesen Preis zum Anlass nimmt zu sagen, dass ein Amerika, das diesen Weg einschlägt, diese Methoden verfolgt, wie Obama das tut, dass das international global an Ansehen gewinnen wird, und natürlich dadurch, dass ihn Regierungen in Europa unterstützen. Die alte Bundesregierung hat es getan und ich hoffe, die neue wird das auch tun.

    Müller: Hat er außenpolitisch bislang Fehler gemacht?

    Voigt: Ich habe bisher noch keinen schwerwiegenden Fehler gesehen. Ich hoffe auch, dass er sehr realistisch ist, denn ich glaube, nur weil er eine andere Methode einschlägt und auch seine Ziele viel mehr in Richtung auf realistische Ziele verändert hat, sehe ich noch nicht unbedingt, dass Russland in seiner Weise oder der Iran oder Nordkorea ihren Kurs völlig ändern werden. Das ist nur mit seiner Methode möglich, aber diese Methode allein ist natürlich noch keine Garantie. Da muss noch manches andere hinzukommen.

    Müller: Kann ein Friedensnobelpreisträger mehr Soldaten, mehr Truppen nach Afghanistan schicken?

    Voigt: Ja, natürlich, weil der Einsatz in Afghanistan ist ja anders als der Einsatz im Irak, kein Einsatz gewesen, der Krieg, Gewalt zusätzlich bringen sollte, denn er sollte ja Gewalt eindämmen, nämlich die durch El Kaida.

    Müller: Und das soll so weiter gehen? Durch die Verstärkung wird man versuchen, diesen Krieg oder diesen militärischen Konflikt vor Ort - Krieg scheut man sich ja zu sagen - in den Griff zu bekommen? Durch die Verstärkung der Truppen, durch die Ausweitung des militärischen Konflikts kann nur ein Frieden in Afghanistan möglich sein?

    Voigt: Er kann dadurch möglich sein. Es ist eine Option. Ob sie es garantiert, kann man nicht sagen.