Bettina Klein: Unmittelbar vor einem Bundesligaspiel in Köln begeht am Samstag der Schiedsrichter einen Suizidversuch. Er überlebt, er wird gerettet, das Spiel aber abgesagt und viele in der Fußballwelt stehen Kopf – und nicht nur dort. Die Hintergründe sind nicht geklärt, aber viele schauen nun auf das Umfeld und suchen nach Ursachen. Die aber kennen wir wie gesagt nicht. Wir können aber über einige grundsätzliche Fragen beim Einsatz von Schiedsrichtern im Profifußball sprechen, für die sich jetzt viele interessieren, über ihre Verantwortung und über Arbeitsbedingungen.
Jürgen Aust war bis 2004 selbst Schiedsrichter. Er betreut heute frühere Kollegen, wenn sie in Köln oder Leverkusen in internationalen Spielen eingesetzt werden, und er ist jetzt hier bei mir im Studio. Schönen guten Morgen, Herr Aust.
Jürgen Aust: Ja, schönen guten Morgen.
Klein: Lassen Sie uns ein bisschen auf die Umstände schauen. Wir wollen einen Schritt zurücktreten und uns mal den größeren Zusammenhang anschauen. Was ist eigentlich das besondere am Job eines Schiedsrichters bei diesen großen Spielen auf dieser Bühne, zum Beispiel im Vergleich zum normalen Spieler? Ist der Druck so viel größer, dem sie ausgesetzt werden, wie ja jetzt gerne gesagt wird?
Aust: Der Druck ist natürlich da, weil die Verantwortung, die ein Schiedsrichter in so einem Spiel hat, ist enorm, denn eine falsche Entscheidung kann ja über Auf- oder Abstieg entscheiden, und es ist natürlich auch sehr viel Geld hier dabei, und deswegen weiß ein Schiedsrichter, welche Verantwortung er hat. Aber er wächst ja mit der Aufgabe. Das heißt, der Schiedsrichter, der heute in der Bundesliga oder der Zweiten Liga Spiele leitet, ist da reingewachsen, kann auch mit dem Druck umgehen, auch mit den Situationen. Er weiß natürlich, dass jede Entscheidung aus verschiedensten Perspektiven noch mal nachgearbeitet wird.
Klein: Wie ist das, wenn sich herausstellt, dass eben ein Schiedsrichter unter ganz besonderem Druck im Augenblick steht, sei es aus fachlichen, oder vielleicht auch sogar aus persönlichen Gründen? Wird das in irgendeiner Form aufgefangen, wenn jemand gerade Schwierigkeiten mit seiner Aufgabe hat, aber gleichzeitig nicht Ersatz für diesen Einsatz gesucht wird?
Aust: Wir müssen jetzt mal von dieser Situation vom Samstag weggehen. Die Schiedsrichter haben selbstverständlich die Möglichkeit, über den DFB sich Rat zu holen. Das heißt, sie werden nicht nur physikalisch und durch einen Sport-Physiotherapeuten betreut, sondern haben auch die Möglichkeit, mit erfahrenen Psychologen zu sprechen, wenn sie merken, der Druck wird zu groß. Und selbstverständlich kann auch ein Schiedsrichter sagen, ich möchte jetzt erst mal ein, zwei, drei Wochen nicht angesetzt werden, um wieder nach irgendeiner umstrittenen Entscheidung Ruhe zu bekommen und auch aus dem Medienrummel herauszukommen. Das entscheidet der Schiedsrichter letztendlich selber, ob er sich fit genug und auch geistig in der Lage sieht, ein Bundesligaspiel zu leiten.
Klein: Das heißt, was jetzt zum Beispiel ein Frühwarnsystem angeht bei den Vereinen, da ist aus Ihrer Sicht keinerlei Verbesserungsbedarf, da ist alles ideal gelöst?
Aust: Ideal kann man nicht sagen, weil, es ist immer die Frage, man muss ja auch bereit sein, sich nach draußen zu outen. Ich meine, wir haben ja die Situation, dass ein Trainer Rangnick von sich aus sagt, ich bin dem Druck nicht mehr gewachsen, ich möchte ganz gerne erst mal eine Auszeit nehmen. Nur ist immer die Frage, wie wird einer dargestellt, wenn er plötzlich sagt, ich bin dem Druck nicht mehr gewachsen, sei es als Spieler, sei es als Schiedsrichter, und da muss vielleicht auch ein bisschen mehr die Akzeptanz vor solchen Entscheidungen wachsen, damit man auch den Mut findet zu sagen, bitte schön, lasst mich mal eine Zeit lang außen vor.
Klein: Es gibt Faktoren, die möglicherweise für besonderen Druck sorgen: Schiedsrichter können irgendwie im Internet abgewählt werden, zu den schlechtesten Schiedsrichtern gewählt werden. Das sind alles Geschichten, die sich jetzt auch rund um diesen Fall von Babak Rafati ranken. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie das im Zusammenhang mit diesem Fall jetzt sehen?
Aust: Ob solche Wahlen irgendwo aussagekräftig sind, das mag ich sehr stark bezweifeln. Auch die Noten, die am Wochenende immer den Schiedsrichtern vergeben werden in den einzelnen Zeitungen, sind immer sehr grenzwertig, denn sie sind subjektiv erstellt worden und sind nicht mit der tatsächlichen Leistung des Schiedsrichters vergleichbar. In dem Bundesligaspiel oder beziehungsweise bei allen Spielen gibt es einen offiziellen Schiedsrichterbeobachter, der die Leistung des Schiedsrichters bewertet und auch nach dem Spiel mit dem Schiedsrichter die Stärken des Spiels, des Schiedsrichters, als auch die Schwächen anspricht, und dann auch versucht, Lösungen zu erarbeiten, wo er vielleicht eine falsche Entscheidung zukünftig nicht mehr macht. Aber auf der anderen Seite haben wir auch den Grundsatz, Stärke stärken. Das heißt also, auch die positiven Dinge werden herausgearbeitet, um auch da jedes Mal ein Optimum der Schiedsrichterleistung herauszuholen.
Klein: Aber das erhöht durchaus auch den Druck, der auf diesen Personen lastet?
Aust: Ja. Aber es macht ja keinen Sinn, wenn ich jetzt jemandem auf die Schulter klopfe und sage, das war prima, und nachher wird im Fernsehen eindeutig gezeigt, dass die Entscheidung falsch war. Die Schiedsrichter, die heute in den Lizenzligen Spiele leiten, wissen darum, dass es durch das Fernsehen immer wieder eine Fragestellung gibt, wobei wir aber auch ganz klar sagen müssen, es gibt sehr viele Fernsehsituationen, wo der Schiedsrichter auch bestätigt wird in seiner Entscheidung, was zwar vielleicht der Trainer oder die Spieler nicht sehen wollen, aber da hat der Schiedsrichter auch richtig gelegen. Deswegen sind die Situationen mal richtig, und mal hat man halt eine falsche Entscheidung getroffen.
Klein: Die ganze Branche der Schiedsrichter ist ja teilweise auch in Verruf geraten in den vergangenen Jahren, im Zusammenhang mit Nachrichten bezüglich Wettmafia und dergleichen. Was sehen Sie als Ihre Aufgabe, wenn Sie heute Schiedsrichter betreuen? Sind das auch Faktoren, die es für jemanden besonders schwierig machen, im Augenblick in diesem Umfeld zu arbeiten?
Aust: Also gar nicht, weil, es sind Einzelsituationen. Die Geschichte Hoyzer 2005 war eine Einzelsituation und es hat insbesondere die Schiedsrichter getroffen, alle, die jetzt mit dieser Geschichte konfrontiert worden sind, und es war ja damals auch schon fast eine Beleidigung, wenn man als Schiedsrichter mit dem Begriff Hoyzer beschimpft worden ist. Da muss man ganz klar sagen: Einzelsituation damals bei Hoyzer. Das kann man nicht generell auf alle Schiedsrichter überlasten. Denn gerade die Schiedsrichter im Amateurbereich, die wirklich jeden Sonntag da ihren Mann stehen müssen, haben es teilweise schwerer in einem Spiel, wo vielleicht 50 Zuschauer sind, wo jede einzelne Beleidigung wirklich wahrnehmbar ist. Wenn sie in Dortmund vor 80.000 pfeifen, dann nehmen sie Unmut wahr, aber nicht einzelne persönliche Beleidigungen, und da ist es nicht richtig, wenn man dann alles pauschaliert. Aber es ist natürlich klar: Der Druck wird größer. Aber wo ist der Druck heute nicht groß, im Geschäftsleben, im Berufsleben? Wenn sie sehen, was hat heute ein Polizist für Möglichkeiten, welchem Druck ist er ausgesetzt, er muss sich den Konfrontationen stellen, und wenn selber etwas mal eskaliert, dann ist der Polizist der Erste, der an den Pranger gestellt wird. Lehrer: Wie viele Lehrer werden heute vorzeitig in Pension geschickt, weil sie dem Druck nicht mehr standhalten können. Und das sind alles Dinge, die heute in der Gesellschaft eine Rolle spielen.
Klein: Wie hat diese Nachricht vom Samstag hier aus Köln auf Sie selbst gewirkt, der Sie das ganze Umfeld ja aus eigener Erfahrung bestens kennen?
Aust: Ich war schockiert und hatte auch überlegt, eine Abendveranstaltung abzusagen, weil ich einfach mit der Art und Weise, wie das rübergekommen ist, erschrocken war. Man muss ganz klar sagen: Ich habe im Nachhinein die Ansage des Stadionsprechers gehört und muss sagen, das gehört sich nicht, so im Prinzip etwas zu verunglimpfen, obwohl ich weiß, es ist etwas passiert, und wenn dann gesagt wird, so was habe ich noch nicht erlebt, wir haben heute keinen Schiedsrichter, dann habe ich da absolut kein Verständnis für.
Klein: Was jetzt auch gemeldet wird im Zusammenhang mit diesem Suizidversuch ist, dass Rafati zum Jahresende von der Liste der Schiedsrichter gestrichen wurde. Unabhängig davon, wie er damit persönlich vielleicht umgegangen ist, halten Sie das für eine legitime Entscheidung, an der es nichts auszusetzen gibt?
Aust: Die Entscheidung ist ja nicht Hals über Kopf getroffen worden, sondern die Schiedsrichterkommission war verpflichtet, junge Schiedsrichter nachzubilden, denn in zwei, drei Jahren haben wir auf der FIFA-Liste einen großen Aderlass und aus dem Grunde ist es erforderlich, dass jetzt neue junge Schiedsrichter herangeführt werden, und dann ist es natürlich ganz klar, dass dann auch zwei Schiedsrichter von der Liste genommen werden müssen. Babak Rafati ist auch frühzeitig über diesen Schritt informiert worden, sodass er nicht überrascht war, dass er die Information bekam.
Klein: Unter dem Strich, nach dem Kenntnisstand, den wir heute haben, ist für Sie eine Konsequenz erkennbar, die gezogen werden muss?
Aust: Es ist jetzt mal wichtig zu wissen, warum hat Babak Rafati zu dieser Maßnahme gegriffen, um festzustellen, hängt es tatsächlich mit der Schiedsrichterei zusammen. Und solange wir das nicht wissen, ist es sehr schwierig zu sagen, was können wir ändern, was soll geändert werden, denn da gibt es ja so viele Faktoren. Lassen wir mal abwarten, was jetzt die tatsächliche Ursache war für diese Tat.
Klein: Jürgen Aust war das, bis 2004 war er selbst Schiedsrichter im Profifußball. Danke Ihnen für den Besuch im Studio heute.
Aust: Bitte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jürgen Aust war bis 2004 selbst Schiedsrichter. Er betreut heute frühere Kollegen, wenn sie in Köln oder Leverkusen in internationalen Spielen eingesetzt werden, und er ist jetzt hier bei mir im Studio. Schönen guten Morgen, Herr Aust.
Jürgen Aust: Ja, schönen guten Morgen.
Klein: Lassen Sie uns ein bisschen auf die Umstände schauen. Wir wollen einen Schritt zurücktreten und uns mal den größeren Zusammenhang anschauen. Was ist eigentlich das besondere am Job eines Schiedsrichters bei diesen großen Spielen auf dieser Bühne, zum Beispiel im Vergleich zum normalen Spieler? Ist der Druck so viel größer, dem sie ausgesetzt werden, wie ja jetzt gerne gesagt wird?
Aust: Der Druck ist natürlich da, weil die Verantwortung, die ein Schiedsrichter in so einem Spiel hat, ist enorm, denn eine falsche Entscheidung kann ja über Auf- oder Abstieg entscheiden, und es ist natürlich auch sehr viel Geld hier dabei, und deswegen weiß ein Schiedsrichter, welche Verantwortung er hat. Aber er wächst ja mit der Aufgabe. Das heißt, der Schiedsrichter, der heute in der Bundesliga oder der Zweiten Liga Spiele leitet, ist da reingewachsen, kann auch mit dem Druck umgehen, auch mit den Situationen. Er weiß natürlich, dass jede Entscheidung aus verschiedensten Perspektiven noch mal nachgearbeitet wird.
Klein: Wie ist das, wenn sich herausstellt, dass eben ein Schiedsrichter unter ganz besonderem Druck im Augenblick steht, sei es aus fachlichen, oder vielleicht auch sogar aus persönlichen Gründen? Wird das in irgendeiner Form aufgefangen, wenn jemand gerade Schwierigkeiten mit seiner Aufgabe hat, aber gleichzeitig nicht Ersatz für diesen Einsatz gesucht wird?
Aust: Wir müssen jetzt mal von dieser Situation vom Samstag weggehen. Die Schiedsrichter haben selbstverständlich die Möglichkeit, über den DFB sich Rat zu holen. Das heißt, sie werden nicht nur physikalisch und durch einen Sport-Physiotherapeuten betreut, sondern haben auch die Möglichkeit, mit erfahrenen Psychologen zu sprechen, wenn sie merken, der Druck wird zu groß. Und selbstverständlich kann auch ein Schiedsrichter sagen, ich möchte jetzt erst mal ein, zwei, drei Wochen nicht angesetzt werden, um wieder nach irgendeiner umstrittenen Entscheidung Ruhe zu bekommen und auch aus dem Medienrummel herauszukommen. Das entscheidet der Schiedsrichter letztendlich selber, ob er sich fit genug und auch geistig in der Lage sieht, ein Bundesligaspiel zu leiten.
Klein: Das heißt, was jetzt zum Beispiel ein Frühwarnsystem angeht bei den Vereinen, da ist aus Ihrer Sicht keinerlei Verbesserungsbedarf, da ist alles ideal gelöst?
Aust: Ideal kann man nicht sagen, weil, es ist immer die Frage, man muss ja auch bereit sein, sich nach draußen zu outen. Ich meine, wir haben ja die Situation, dass ein Trainer Rangnick von sich aus sagt, ich bin dem Druck nicht mehr gewachsen, ich möchte ganz gerne erst mal eine Auszeit nehmen. Nur ist immer die Frage, wie wird einer dargestellt, wenn er plötzlich sagt, ich bin dem Druck nicht mehr gewachsen, sei es als Spieler, sei es als Schiedsrichter, und da muss vielleicht auch ein bisschen mehr die Akzeptanz vor solchen Entscheidungen wachsen, damit man auch den Mut findet zu sagen, bitte schön, lasst mich mal eine Zeit lang außen vor.
Klein: Es gibt Faktoren, die möglicherweise für besonderen Druck sorgen: Schiedsrichter können irgendwie im Internet abgewählt werden, zu den schlechtesten Schiedsrichtern gewählt werden. Das sind alles Geschichten, die sich jetzt auch rund um diesen Fall von Babak Rafati ranken. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie das im Zusammenhang mit diesem Fall jetzt sehen?
Aust: Ob solche Wahlen irgendwo aussagekräftig sind, das mag ich sehr stark bezweifeln. Auch die Noten, die am Wochenende immer den Schiedsrichtern vergeben werden in den einzelnen Zeitungen, sind immer sehr grenzwertig, denn sie sind subjektiv erstellt worden und sind nicht mit der tatsächlichen Leistung des Schiedsrichters vergleichbar. In dem Bundesligaspiel oder beziehungsweise bei allen Spielen gibt es einen offiziellen Schiedsrichterbeobachter, der die Leistung des Schiedsrichters bewertet und auch nach dem Spiel mit dem Schiedsrichter die Stärken des Spiels, des Schiedsrichters, als auch die Schwächen anspricht, und dann auch versucht, Lösungen zu erarbeiten, wo er vielleicht eine falsche Entscheidung zukünftig nicht mehr macht. Aber auf der anderen Seite haben wir auch den Grundsatz, Stärke stärken. Das heißt also, auch die positiven Dinge werden herausgearbeitet, um auch da jedes Mal ein Optimum der Schiedsrichterleistung herauszuholen.
Klein: Aber das erhöht durchaus auch den Druck, der auf diesen Personen lastet?
Aust: Ja. Aber es macht ja keinen Sinn, wenn ich jetzt jemandem auf die Schulter klopfe und sage, das war prima, und nachher wird im Fernsehen eindeutig gezeigt, dass die Entscheidung falsch war. Die Schiedsrichter, die heute in den Lizenzligen Spiele leiten, wissen darum, dass es durch das Fernsehen immer wieder eine Fragestellung gibt, wobei wir aber auch ganz klar sagen müssen, es gibt sehr viele Fernsehsituationen, wo der Schiedsrichter auch bestätigt wird in seiner Entscheidung, was zwar vielleicht der Trainer oder die Spieler nicht sehen wollen, aber da hat der Schiedsrichter auch richtig gelegen. Deswegen sind die Situationen mal richtig, und mal hat man halt eine falsche Entscheidung getroffen.
Klein: Die ganze Branche der Schiedsrichter ist ja teilweise auch in Verruf geraten in den vergangenen Jahren, im Zusammenhang mit Nachrichten bezüglich Wettmafia und dergleichen. Was sehen Sie als Ihre Aufgabe, wenn Sie heute Schiedsrichter betreuen? Sind das auch Faktoren, die es für jemanden besonders schwierig machen, im Augenblick in diesem Umfeld zu arbeiten?
Aust: Also gar nicht, weil, es sind Einzelsituationen. Die Geschichte Hoyzer 2005 war eine Einzelsituation und es hat insbesondere die Schiedsrichter getroffen, alle, die jetzt mit dieser Geschichte konfrontiert worden sind, und es war ja damals auch schon fast eine Beleidigung, wenn man als Schiedsrichter mit dem Begriff Hoyzer beschimpft worden ist. Da muss man ganz klar sagen: Einzelsituation damals bei Hoyzer. Das kann man nicht generell auf alle Schiedsrichter überlasten. Denn gerade die Schiedsrichter im Amateurbereich, die wirklich jeden Sonntag da ihren Mann stehen müssen, haben es teilweise schwerer in einem Spiel, wo vielleicht 50 Zuschauer sind, wo jede einzelne Beleidigung wirklich wahrnehmbar ist. Wenn sie in Dortmund vor 80.000 pfeifen, dann nehmen sie Unmut wahr, aber nicht einzelne persönliche Beleidigungen, und da ist es nicht richtig, wenn man dann alles pauschaliert. Aber es ist natürlich klar: Der Druck wird größer. Aber wo ist der Druck heute nicht groß, im Geschäftsleben, im Berufsleben? Wenn sie sehen, was hat heute ein Polizist für Möglichkeiten, welchem Druck ist er ausgesetzt, er muss sich den Konfrontationen stellen, und wenn selber etwas mal eskaliert, dann ist der Polizist der Erste, der an den Pranger gestellt wird. Lehrer: Wie viele Lehrer werden heute vorzeitig in Pension geschickt, weil sie dem Druck nicht mehr standhalten können. Und das sind alles Dinge, die heute in der Gesellschaft eine Rolle spielen.
Klein: Wie hat diese Nachricht vom Samstag hier aus Köln auf Sie selbst gewirkt, der Sie das ganze Umfeld ja aus eigener Erfahrung bestens kennen?
Aust: Ich war schockiert und hatte auch überlegt, eine Abendveranstaltung abzusagen, weil ich einfach mit der Art und Weise, wie das rübergekommen ist, erschrocken war. Man muss ganz klar sagen: Ich habe im Nachhinein die Ansage des Stadionsprechers gehört und muss sagen, das gehört sich nicht, so im Prinzip etwas zu verunglimpfen, obwohl ich weiß, es ist etwas passiert, und wenn dann gesagt wird, so was habe ich noch nicht erlebt, wir haben heute keinen Schiedsrichter, dann habe ich da absolut kein Verständnis für.
Klein: Was jetzt auch gemeldet wird im Zusammenhang mit diesem Suizidversuch ist, dass Rafati zum Jahresende von der Liste der Schiedsrichter gestrichen wurde. Unabhängig davon, wie er damit persönlich vielleicht umgegangen ist, halten Sie das für eine legitime Entscheidung, an der es nichts auszusetzen gibt?
Aust: Die Entscheidung ist ja nicht Hals über Kopf getroffen worden, sondern die Schiedsrichterkommission war verpflichtet, junge Schiedsrichter nachzubilden, denn in zwei, drei Jahren haben wir auf der FIFA-Liste einen großen Aderlass und aus dem Grunde ist es erforderlich, dass jetzt neue junge Schiedsrichter herangeführt werden, und dann ist es natürlich ganz klar, dass dann auch zwei Schiedsrichter von der Liste genommen werden müssen. Babak Rafati ist auch frühzeitig über diesen Schritt informiert worden, sodass er nicht überrascht war, dass er die Information bekam.
Klein: Unter dem Strich, nach dem Kenntnisstand, den wir heute haben, ist für Sie eine Konsequenz erkennbar, die gezogen werden muss?
Aust: Es ist jetzt mal wichtig zu wissen, warum hat Babak Rafati zu dieser Maßnahme gegriffen, um festzustellen, hängt es tatsächlich mit der Schiedsrichterei zusammen. Und solange wir das nicht wissen, ist es sehr schwierig zu sagen, was können wir ändern, was soll geändert werden, denn da gibt es ja so viele Faktoren. Lassen wir mal abwarten, was jetzt die tatsächliche Ursache war für diese Tat.
Klein: Jürgen Aust war das, bis 2004 war er selbst Schiedsrichter im Profifußball. Danke Ihnen für den Besuch im Studio heute.
Aust: Bitte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.