Gleich zwei Geschichten verbergen sich hinter den Buchdeckeln von Sylvia Schopfs neuem Bilderbuch "Marie hat jetzt Stachelzöpfe". Eine Erzählung - so die Untertitel - "Von Europa nach Afrika und zurück" und eine zweite "Von Afrika nach Europa und zurück". Die Geschichte von Marie, deren Vater Deutscher ist und deren Mutter aus Burkina Faso stammt und die mit ihren Eltern nach Afrika fliegt, um die Familie der Mutter zu besuchen. Und die Geschichte von Maries Cousin Issa, der mit seiner Mutter und seiner kleinen Schwester Assia von Burkina Faso zu den Verwandten nach Deutschland fliegt.
Sylvia Schopf kennt Westafrika seit vielen Jahren, hat dort gelebt und ist dort gereist, nicht als Touristin, sondern als Begleiterin von Ethnologen. Was sie am meisten interessiert, sind die Menschen:
" Es sind die Menschen mit ihrer Art zu leben, zu sein, in dieser Armut, die zweifelsohne dort ist, trotz allem nicht lange Gesichter vorzufinden. Sondern eine Offenheit, eine Lebensfreude, die ich einfach faszinierend finde. "
Beide, Marie und Issa, entdecken im anderen Kontinent eine fremde Welt. Marie ist begeistert von der Herzlichkeit und der Größe der schwarzen Familie, von einem Magier und dem bunten Leben auf der Straße. Und Issa ist fasziniert von einer deutschen Kinder-Geburtstagsparty, von Rolltreppen und gefangenen Tieren im Zoo. Doch für beide gibt es auch Enttäuschungen und unheimliche Erlebnisse.
Was die Geschichten von Marie und Issa nun besonders originell erscheinen lässt, ist ein gestalterischer Trick: Um die zweite zu lesen, muss man das Buch nach der ersten umdrehen. Beide beginnen am jeweils anderen Ende des Buches, bewegen sich aufeinander zu und treffen in der Mitte aufeinander. Ein schönes, auch symbolisches Bild!
Dabei weicht Sylvia Schopf den nahe liegenden Klischees weit aus. Weder das Vorurteil vom hochtechnisiert-entfremdeten Europa kommt zum Zuge noch das weit verbreitete europäische Afrika-Bild, in dem Armut, Krieg, Hunger und Aids die Hauptrolle spielen.
" Ich hoffe, dass dieses Buch etwas Anderes transportiert. Dass es natürlich Armut gibt, die will ich gar nicht negieren, aber dass es daneben noch etwas ganz Anderes gibt... Diese Farbigkeit, diese Lebensfreude - es hat auch was Magisches. Das kommt ja auch in dem Buch vor, diese Baobab-Geschichte, das ist ein magischer Baum. Es gibt dieses magische Bild, und ich muss sagen, vielleicht hab ich auch selber so ein bisschen magische Haltungen in mir, das spricht mich schon sehr an. "
Beide Geschichten beginnen mit einer ausführlichen Information über Deutschland und Burkina Faso und einer übersichtlichen Karte von Europa bzw. Afrika. So können sich auch kleinere Kinder gut vorstellen, wo diese Länder liegen, wie viele Menschen dort wohnen, was angebaut und gegessen wird. Trotz der vielen Hintergrundinformationen ist "Marie hat jetzt Stachelzöpfe" aber kein Sachbuch, sondern eine Erzählung. Eine Erzählung, die allerdings Anstoß geben möchte zur weiteren Beschäftigung mit dem afrikanischen Kontinent. Und zu mehr:
" Was ich natürlich auch ganz wichtig finde, dass man selber etwas über sein eigenes Land erfahren kann. Wenn man nämlich mal den afrikanischen Blick auf uns richtet. Was ich auch immer wieder aus eigener Erfahrung kennen gelernt habe, wenn wir Besuch aus Afrika hatten oder wenn ich mit den wenigen Afrikanern, die es dort unten gibt, die Europa kennen, zum Beispiel ein Bekannter, der mit seinen Kindern jetzt in Frankreich war, einfach recherchiert hab, was haben die denn für Erfahrungen gemacht. "
Gerade dieser fremde Blick des Ausländers - egal woher - auf Deutschland macht Sylvia Schopfs Bilderbuch so anschaulich und lebendig. Was fällt anderen bei uns auf? Was erscheint uns normal - und ist es doch gar nicht? Da lässt sich viel entdecken und erklären. Wobei die Illustrationen von Susanne Smaji'c, zwar sehr viel Schwung haben, aber kaum Unterschiede machen in der Gestaltung der schwarzen und der weißen Gesichter. Alle Figuren haben mehr oder weniger auffällige Himmelfahrtsnasen und sehr ähnliche Profile. Das ist schade, hat entweder zu tun mit einem fehlenden Sinn für Physiognomien oder mit einem falsch verstandenen Begriff von Gleichheit.
So knallig-surrealistisch wie der Umschlag mit den beiden Zebras vor pinkem Himmel - so umwerfend komisch ist auch die Geschichte, die der kenianische Autor Meja Mwangis in seinem Roman "Happy Valley" erzählt. Mwangi ist in Europa durch viele Romane für Erwachsene schon lange bekannt ist und steht für das moderne, zukunftsorientierte Afrika. 1992 erhielt er für seinen Roman "Kariuki" allerdings den Deutschen Jugendliteraturpreis. Und obwohl "Happy Valley" vom Verlag nicht ausdrücklich als Jugendbuch annonciert ist, bietet das Buch Jugendlichen ab etwa vierzehn Jahren wie Erwachsenen eine sehr vergnügliche Lektüre.
Toma Tomei hat die besten Chancen, Chief seines Clans zu werden. Doch eines muss er zuvor noch erledigen, um den Konkurrenten Old Noah aus dem Feld zu schlagen: Seine Frau Grace muss nach neun Töchtern endlich einen Sohn gebären! In der Nacht, als Grace ihr zehntes Kind zur Welt bringt, fällt im Busch-Hospital allerdings der alte Generator aus, und es wird völlig finster ...
Das Baby, das die Krankenschwester dem aufgeregten Vater am nächsten Morgen in den Arm legt, ist tatsächlich ein Junge, aber - der Säugling ist weiß und hat grüne Augen Toma Tomei ist verzweifelt und sucht den Schamanen Muti auf, der das verhexte Kind umzaubern soll.
Mit der Rolle der Zauberei in Afrika hat sich ja auch Sylvia Schopf beschäftigt:
" Ich hab mal recherchiert zum Thema Magie und Hexerei in Westafrika und bin eigentlich ziemlich schnell auf die Bereitschaft, darüber zu reden, gekommen. Und es beherrscht diese Gesellschaft im Hintergrund ganz eklatant, es gehört dazu wie - ja - vielleicht wie das Weißbier zu Bayern. Das ist einfach da. "
Es ist eine verzwickte, witzige und hintergründige Geschichte, die Meja Mwangi da in "Happy valley" erzählt. Eine Geschichte voller egozentrischer Männer, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Voller kluger Frauen, die sich dem Anspruch ihrer Männer auf die Macht über ihre Familie auf gewitzte Weise entziehen. Eine Geschichte voller vordergründigem Pathos und hintergründiger Ironie, die Anspielungen auf die Bibel auf komische Weise verquickt mit einer Satire auf die Technik. Denn die fällt ja in den entscheidenden Momenten meist aus. Erzählt ist diese flotte, farbige und fröhliche Moritat in einem scherzhaft-leichten Ton.
Auch in dieser unglaublichen Geschichte erfährt der Leser eine Menge über den Alltag in Afrika. Spielt sie auch im Osten des Kontinents - eben in Kenia - und nicht im Westen wie Sylvia Schopfs Bilderbuch, so herrschen doch ähnliche Verhältnisse. Und diese Lebensumstände sind es auch, die Kinder - und Erwachsene - hier in Deutschland vor allem interessieren. Dazu noch einmal Sylvia Schopf:
" Also ich habe die Erfahrung gemacht, das ist ganz verrückt, das ist tatsächlich diese ganz andere Lebensweise, die Vorstellung, meine Güte, kann man so ganz ohne Wasser und Strom leben, geht das überhaupt? "
Dass es geht und wie es geht zeigen die beiden Bücher von Sylvia Schopf und Meja Mwangi auf unterschiedliche, aber sehr überzeugende Weise.
Sylvia Schopf kennt Westafrika seit vielen Jahren, hat dort gelebt und ist dort gereist, nicht als Touristin, sondern als Begleiterin von Ethnologen. Was sie am meisten interessiert, sind die Menschen:
" Es sind die Menschen mit ihrer Art zu leben, zu sein, in dieser Armut, die zweifelsohne dort ist, trotz allem nicht lange Gesichter vorzufinden. Sondern eine Offenheit, eine Lebensfreude, die ich einfach faszinierend finde. "
Beide, Marie und Issa, entdecken im anderen Kontinent eine fremde Welt. Marie ist begeistert von der Herzlichkeit und der Größe der schwarzen Familie, von einem Magier und dem bunten Leben auf der Straße. Und Issa ist fasziniert von einer deutschen Kinder-Geburtstagsparty, von Rolltreppen und gefangenen Tieren im Zoo. Doch für beide gibt es auch Enttäuschungen und unheimliche Erlebnisse.
Was die Geschichten von Marie und Issa nun besonders originell erscheinen lässt, ist ein gestalterischer Trick: Um die zweite zu lesen, muss man das Buch nach der ersten umdrehen. Beide beginnen am jeweils anderen Ende des Buches, bewegen sich aufeinander zu und treffen in der Mitte aufeinander. Ein schönes, auch symbolisches Bild!
Dabei weicht Sylvia Schopf den nahe liegenden Klischees weit aus. Weder das Vorurteil vom hochtechnisiert-entfremdeten Europa kommt zum Zuge noch das weit verbreitete europäische Afrika-Bild, in dem Armut, Krieg, Hunger und Aids die Hauptrolle spielen.
" Ich hoffe, dass dieses Buch etwas Anderes transportiert. Dass es natürlich Armut gibt, die will ich gar nicht negieren, aber dass es daneben noch etwas ganz Anderes gibt... Diese Farbigkeit, diese Lebensfreude - es hat auch was Magisches. Das kommt ja auch in dem Buch vor, diese Baobab-Geschichte, das ist ein magischer Baum. Es gibt dieses magische Bild, und ich muss sagen, vielleicht hab ich auch selber so ein bisschen magische Haltungen in mir, das spricht mich schon sehr an. "
Beide Geschichten beginnen mit einer ausführlichen Information über Deutschland und Burkina Faso und einer übersichtlichen Karte von Europa bzw. Afrika. So können sich auch kleinere Kinder gut vorstellen, wo diese Länder liegen, wie viele Menschen dort wohnen, was angebaut und gegessen wird. Trotz der vielen Hintergrundinformationen ist "Marie hat jetzt Stachelzöpfe" aber kein Sachbuch, sondern eine Erzählung. Eine Erzählung, die allerdings Anstoß geben möchte zur weiteren Beschäftigung mit dem afrikanischen Kontinent. Und zu mehr:
" Was ich natürlich auch ganz wichtig finde, dass man selber etwas über sein eigenes Land erfahren kann. Wenn man nämlich mal den afrikanischen Blick auf uns richtet. Was ich auch immer wieder aus eigener Erfahrung kennen gelernt habe, wenn wir Besuch aus Afrika hatten oder wenn ich mit den wenigen Afrikanern, die es dort unten gibt, die Europa kennen, zum Beispiel ein Bekannter, der mit seinen Kindern jetzt in Frankreich war, einfach recherchiert hab, was haben die denn für Erfahrungen gemacht. "
Gerade dieser fremde Blick des Ausländers - egal woher - auf Deutschland macht Sylvia Schopfs Bilderbuch so anschaulich und lebendig. Was fällt anderen bei uns auf? Was erscheint uns normal - und ist es doch gar nicht? Da lässt sich viel entdecken und erklären. Wobei die Illustrationen von Susanne Smaji'c, zwar sehr viel Schwung haben, aber kaum Unterschiede machen in der Gestaltung der schwarzen und der weißen Gesichter. Alle Figuren haben mehr oder weniger auffällige Himmelfahrtsnasen und sehr ähnliche Profile. Das ist schade, hat entweder zu tun mit einem fehlenden Sinn für Physiognomien oder mit einem falsch verstandenen Begriff von Gleichheit.
So knallig-surrealistisch wie der Umschlag mit den beiden Zebras vor pinkem Himmel - so umwerfend komisch ist auch die Geschichte, die der kenianische Autor Meja Mwangis in seinem Roman "Happy Valley" erzählt. Mwangi ist in Europa durch viele Romane für Erwachsene schon lange bekannt ist und steht für das moderne, zukunftsorientierte Afrika. 1992 erhielt er für seinen Roman "Kariuki" allerdings den Deutschen Jugendliteraturpreis. Und obwohl "Happy Valley" vom Verlag nicht ausdrücklich als Jugendbuch annonciert ist, bietet das Buch Jugendlichen ab etwa vierzehn Jahren wie Erwachsenen eine sehr vergnügliche Lektüre.
Toma Tomei hat die besten Chancen, Chief seines Clans zu werden. Doch eines muss er zuvor noch erledigen, um den Konkurrenten Old Noah aus dem Feld zu schlagen: Seine Frau Grace muss nach neun Töchtern endlich einen Sohn gebären! In der Nacht, als Grace ihr zehntes Kind zur Welt bringt, fällt im Busch-Hospital allerdings der alte Generator aus, und es wird völlig finster ...
Das Baby, das die Krankenschwester dem aufgeregten Vater am nächsten Morgen in den Arm legt, ist tatsächlich ein Junge, aber - der Säugling ist weiß und hat grüne Augen Toma Tomei ist verzweifelt und sucht den Schamanen Muti auf, der das verhexte Kind umzaubern soll.
Mit der Rolle der Zauberei in Afrika hat sich ja auch Sylvia Schopf beschäftigt:
" Ich hab mal recherchiert zum Thema Magie und Hexerei in Westafrika und bin eigentlich ziemlich schnell auf die Bereitschaft, darüber zu reden, gekommen. Und es beherrscht diese Gesellschaft im Hintergrund ganz eklatant, es gehört dazu wie - ja - vielleicht wie das Weißbier zu Bayern. Das ist einfach da. "
Es ist eine verzwickte, witzige und hintergründige Geschichte, die Meja Mwangi da in "Happy valley" erzählt. Eine Geschichte voller egozentrischer Männer, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Voller kluger Frauen, die sich dem Anspruch ihrer Männer auf die Macht über ihre Familie auf gewitzte Weise entziehen. Eine Geschichte voller vordergründigem Pathos und hintergründiger Ironie, die Anspielungen auf die Bibel auf komische Weise verquickt mit einer Satire auf die Technik. Denn die fällt ja in den entscheidenden Momenten meist aus. Erzählt ist diese flotte, farbige und fröhliche Moritat in einem scherzhaft-leichten Ton.
Auch in dieser unglaublichen Geschichte erfährt der Leser eine Menge über den Alltag in Afrika. Spielt sie auch im Osten des Kontinents - eben in Kenia - und nicht im Westen wie Sylvia Schopfs Bilderbuch, so herrschen doch ähnliche Verhältnisse. Und diese Lebensumstände sind es auch, die Kinder - und Erwachsene - hier in Deutschland vor allem interessieren. Dazu noch einmal Sylvia Schopf:
" Also ich habe die Erfahrung gemacht, das ist ganz verrückt, das ist tatsächlich diese ganz andere Lebensweise, die Vorstellung, meine Güte, kann man so ganz ohne Wasser und Strom leben, geht das überhaupt? "
Dass es geht und wie es geht zeigen die beiden Bücher von Sylvia Schopf und Meja Mwangi auf unterschiedliche, aber sehr überzeugende Weise.
Bibliographie
Sylvia Schopf/Susanne Smaji'c: Marie hat jetzt Stachelzöpfe. Von Europa nach Afrika und zurück/Von Afrika nach Europa und zurück. Annette Betz Verlag 2006. ab 5, 44 S., geb., 10,95 Euro.
Meja Mwangi: Happy Valley. Aus dem Englischen von Thomas Brückner. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2006. 151 S., geb. 16,90 Euro.
Meja Mwangi: Happy Valley. Aus dem Englischen von Thomas Brückner. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2006. 151 S., geb. 16,90 Euro.