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"Eine fliegerische Meisterleistung"

Die glückliche Notwasserung eines mit 155 Passagieren besetzten Flugzeuges auf dem Hudson-Fluss in New York sei eine fliegerische Meisterleistung gewesen, so der Präsident des Luftfahrt-Presse-Clubs, Peter Pletschacher. Zwar würden die Piloten kritische Situationen üben. Aber wenn es passiere, dann müsse man trotzdem innerhalb von Sekunden die richtige Entscheidung treffen, erklärte Pletschacher.

Peter Pletschacher im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Ein Flugzeug, voll besetzt, mitten im Hudson River vor der Skyline New Yorks, die Passagiere in Todesangst auf den Tragflächen, Szenen wie aus einem Hollywood-Streifen. Doch in der Nacht flimmerten diese Bilder live auf sämtlichen US-Fernsehkanälen. Ein glückliches Ende für die mehr als 150 Fluggäste und die Besatzungsmitglieder. Alle konnten in Sicherheit gebracht werden. Der Grund der Beinahe-Katastrophe war wohl die Kollision mit einem Vogelschwarm. - Das Wunder vom Hudson.

    Am Telefon in München nun der Präsident des Luftfahrt-Presse-Clubs, Peter Pletschacher. Guten Tag, Herr Pletschacher.

    Peter Pletschacher: Grüß Gott!

    Heinlein: Tatsächlich ein Wunder vom Hudson oder eine fliegerische Meisterleistung?

    Pletschacher: Das war sicher eine fliegerische Meisterleistung - das muss man schon sagen -, auch wenn Piloten so etwas üben und auf so etwas vorbereitet sein müssen. Nur wenn es passiert, dann muss innerhalb von Sekunden die richtige Entscheidung getroffen werden.

    Heinlein: Aber eine Notwasserung eigentlich ein Albtraum für jeden Piloten?

    Pletschacher: Das ist nicht leicht - das ist richtig -, denn es gibt verschiedene Risiken. Es kann sein, wenn man nicht richtig, im richtigen Winkel, mit der richtigen Geschwindigkeit das Wasser berührt, dass das Flugzeug auseinander bricht und dann sind die Folgen sehr viel fataler.

    Heinlein: War es auch ein wenig Glück im Unglück, dass das Wasser ganz ruhig war und keine Wellen?

    Pletschacher: Das gehört natürlich dazu. Es ist ein Binnengewässer, wenn man so will. Auf offener See ist das sehr viel riskanter. Glück war sicher auch, dass so eine relativ freie Wasserstrecke frei war von Schiffen oder Booten, mit denen das Flugzeug hätte kollidieren können.

    Heinlein: Dieser US-Airways-Pilot - wir haben es gerade gehört - hat 40 Jahre Flugerfahrung. Hätte denn ein jüngerer Pilot diese Situation entsprechend gemeistert?

    Pletschacher: Es muss jeder darauf vorbereitet sein. Es gibt viele Eventualitäten in der Luftfahrt, und es gibt auch viele Piloten, die jahrelang oder ihr ganzes Leben lang keine riskante Situation erleben. Nur wenn es passiert - ob das ein jüngerer oder älterer Pilot ist -, dann muss er richtig in sehr kurzer Zeit entscheiden können. Da darf das Alter keine Rolle spielen.

    Heinlein: Wie intensiv werden denn Piloten unabhängig von der Fluglinie für solche Situationen trainiert?

    Pletschacher: Zunächst ist es mal eben der Ausfall von zwei Triebwerken, der extrem kritisch ist, weil das Flugzeug dann nur noch ein Segelflugzeug ist, ohne Antrieb. Das merkt der Pilot sofort, obwohl er nicht unbedingt wissen können muss, was passiert ist. Er hat es wohl gesehen, dass da ein Vogel war, aber es hätte ja sein können, dass er gar nichts von dem Vogel entdeckt hat und nur feststellt: Beide Triebwerke stehen. Dann muss er eben, je nachdem wie hoch er ist, sehr schnell sehen in der Gegend, wo ist eine relativ freie Fläche - ob an Land oder im Wasser -, wo ich das Flugzeug mit einigermaßen hoher Wahrscheinlichkeit runterbringen kann, dass es zu keiner Katastrophe kommt.

    Heinlein: Wie lange, Herr Pletschacher, können denn Flugzeuge segeln beziehungsweise dann im Anschluss schwimmen?

    Pletschacher: Das segeln hängt ganz von der Höhe ab, die Höhe, in der das Flugzeug fliegt. Normalerweise kann man sagen, dass ein Flugzeug aus einem Kilometer Höhe mindestens 15 Kilometer weit segeln kann.

    Heinlein: Wie ungewöhnlich ist es denn, dass beide Triebwerke durch Vogelschlag ausfallen?

    Pletschacher: Das ist extrem selten, aber wie der Zufall so spielt: Im vergangenen Herbst gab es einen ähnlichen Fall in Rom im Landeanflug. In New York war es ja nach dem Start. In Rom war es im Landeanflug, wo eine Boeing 737 in einen großen Vogelschwarm geriet, ein Schwarm von Staren, die damals Rom heimgesucht haben. Da blieben auch beide Triebwerke stehen. Das Flugzeug machte eine Notlandung kurz vor Beginn der Piste, und das ging noch glimpflich ab. Es wurde keiner verletzt.

    Heinlein: Wie häufig gibt es denn im Luftverkehr an den Flughäfen Vogelschlagsituationen?

    Pletschacher: Vogelschläge - allein in Deutschland gibt es sicher ein paar Hundert jedes Jahr, aber die meisten sind so gering. Es sind kleinere Vögel, so dass der Pilot oft gar nichts davon merkt, sondern man stellt erst nach der Landung bei der Wartung fest, dass da irgendwo eine Delle oder ein Riss am Triebwerk ist, vielleicht noch ein paar Federn drin sind, dass man sieht, da war ein Vogel drin, und dann werden entsprechend auch Teile ausgetauscht. Man kann sagen, dass nur etwa zehn Prozent der Vogelschlagfälle dann wirklich zu ernsteren Beschädigungen führen.

    Heinlein: Also es kommt auf die Größe und die Zahl der Vögel an, ob es tatsächlich zu einer Katastrophe kommt so wie jetzt?

    Pletschacher: Das ist richtig. Jedes Flugzeug und jedes Triebwerk wird, bevor es auf die Menschheit losgelassen wird, auf Vogelschlag untersucht. Triebwerke werden auf einem Prüfstand im Freien mit Vollgas laufen lassen und dann wird mit einer Kanone ein toter Vogel von fünf Kilo voll reingeschossen in das Triebwerk. Bei diesem Test darf sich das Triebwerk nicht zerlegen. Es darf auch nur einen Teil seiner Leistung verlieren. Wenn aber ein Vogel größer ist, ein Schwan zum Beispiel, oder wenn es ein Vogelschwarm ist, dann sieht die Sache ganz anders aus. Dagegen kann man sich fast nicht schützen.

    Heinlein: Also die Flughäfen sind hilflos, wenn es um Vogelschlag geht? Entsprechende Vorbereitungen können sie sich nur ausnahmsweise oder in Einzelfällen leisten?

    Pletschacher: Nein, das kann man so nicht sagen. Die Flughäfen sind nicht hilflos. An Flughäfen wird seit Jahrzehnten systematisch so genanntes Biotop-Management betrieben. Das heißt, man baut schon mal die Gebäude so, dass da keine Nistmöglichkeiten für Vögel entstehen. Bei dem Grasbewuchs oder sonstigen Kleingehölzen, die man im Flughafengelände hat, wird das so gemacht, dass dort kein Nahrungsangebot für Vögel entsteht, oder auch in der näheren Umgebung sollten keine Teiche und Bäume sein, die Nistmöglichkeiten für größere Vögel bieten oder Futtermöglichkeiten. Das kann man schon am Flughafen selbst oder in der näheren Umgebung des Flughafens machen. Dann gibt es auch zusätzlich noch so genannte Vergrämungsmethoden. Man kann, wenn Vogelschwärme in der Gegend sind, Böllerschüsse abfeuern. Es wird auch mit Falken gearbeitet. Auch New York hat Falken. Am großen Flughafen Kennedy gibt es etliche Falkner, die immer unterwegs sind. Wenn Vogelschwärme auftreten, steigen die Falken auf und vertreiben die Vögel.
    Ein Airbus 320 musste im Hudson River in New York notlanden.
    "Glück war sicher auch, dass so eine relativ freie Wasserstrecke frei war von Schiffen oder Booten, mit denen das Flugzeug hätte kollidieren können." (AP)