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Eine Frage der Beutekunst?

Koldehoff: Warum durfte ausgerechnet Deutschland als erstes die Kreml-Schätze zeigen?

Natalja Leonidowna Dementjewa, stellvertretende russische Kulturministerin, im Gespräch |
    Dementjewa: Man muss sagen, dass diese Ausstellung ein Meilenstein in den deutsch-russischen Kulturbegegnungen ist. Auch diese Ausstellung läuft im Rahmen dieses Programms. Das heißt, dass auch schon die russischen Musiker, die russischen Theater hier waren und jetzt eben diese Ausstellung.

    Das ist eine Sache, und auf der anderen Seite müssen wir natürlich für diese Ausstellung dem Engagement der Mitarbeiter der Bundeskunsthalle danken. Das sind Leute, die gewohnt sind, ihre Zuschauer zu überraschen. Das ist kein Zufall, dass gleichzeitig die Ausstellungen der chinesischen Kunst und der russischen Kunst dort laufen. Diese Ausstellung präsentiert die russische Kunst – ich schätze – seit dem 12. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Das sind über 300 Objekte, die aus dem "Kreml-Museum" kommen, aber auch aus der "Tretjakow-Galerie", aus dem Architekturmuseum und aus der Bibliothek der "Akademie der Wissenschaft".

    Koldehoff: Sie haben den Stand der deutsch-russischen Kulturbeziehungen vorhin als sehr gut beschrieben. Sie haben den Vertag, den Herr Rau und Herr Putin miteinander geschlossen haben über Kulturaustausch erwähnt und beschrieben, wie groß das Interesse in Deutschland an russischer Kultur ist – umgekehrt vielleicht auch. Es gibt einen Schatten, der auf diesen Kulturbeziehungen lastet. Das ist das Problem der "Beutekunst"; jener Kunstwerke, die am Ende des Zweiten Weltkrieges zum Teil von Privatleuten, zum Teil aber auch von russischen Trophäenkommissionen, aus Deutschland abgezogen, mit nach Russland genommen worden sind.

    Um diese Beutekunst gibt es seit vielen Jahren Diskussionen zwischen Deutschland und Russland, und es geht nicht so recht vorwärts. Manchmal hat man den Eindruck, es weiß eigentlich keiner mehr in was für einem Stadium wir da angekommen sind. Gestern wieder hat sich ein russischer Abgeordneter geäußert und hat gesagt, auch im neuen gewählten Parlament gäbe es Bedenken die "Baldin-Sammlung" zurück nach Bremen zu geben, Zeichnungen von Dürer und van Gogh. Können Sie uns erzählen was die russische Position zu dieser ganzen Beutekunst-Frage ist? Ich glaube in Deutschland könnte es im Moment keiner mehr erklären.

    Dementjewa: In letzter Zeit gab es einen positiven Dialog, was die Beutekunst angeht und es gab schon mehrere Aktionen in dieser Hinsicht, mehrere Sachen sind geschehen. Zum Beispiel im April 2000 wurden 101 Malereien der Bremer Kunsthalle zurückgegeben und als Gegenantwort wurden Russland eine alte Kommode und Mosaiken aus dem Bestand des Bernsteinzimmers zurückgegeben. Dann waren 2001 Herr Putin und Herr Schröder zusammen im Museum. Im Juni 2002 wurden 111 Glasmalereien an die evangelische Kirche der heiligen Maria aus Frankfurt Oder zurückgegeben. Es wird wirklich sehr viel Arbeit getan – vor allem vom Kulturministerium, aber das geht natürlich langsam voran.

    Die Arbeit bringt aber Früchte. Jetzt ist ein neues Projekt zwischen den deutschen und russischen Wissenschaftlern geplant, wo sie eine gemeinsame Ausstellung mit dem "Puschkin-Museum" und der "Eremitage" und wo sie auch die Werke der Beutekunst präsentieren. Sie wissen natürlich, Wissenschaftler kommen gut zurecht. Sie können das miteinander ausmachen. Bei Politikern dauert das etwas länger, aber wir versuchen im Kulturministerium, dass wir das Beutekunst-Komitee davon überzeugen, dass wir das Richtige tun.

    Es ist sehr schön, dass die deutschen und die russischen Spezialisten – also Profis in diesem Bereich – ihre Depots endlich aufmachen und dass diese Objekte in verschiedenen Ausstellungen auftauchen. Das ist sehr wichtig, weil früher Sachen auch verschwiegen wurden. Das ist jetzt nicht mehr so. Zum Beispiel hat das Kulturministerium im Berliner Museum sieben Bilder aus dem Bestand des Museums "Petershof" und so weiter gefunden und die wurden 2002 auch zurück nach Russland gebracht. Das sind Portraits von "Peter dem Großen" oder "Katharina der Zweiten". Es gibt natürlich Vertrauen und es gibt Wissen in der Arbeit der russischen und der deutschen Museumsmitarbeiter. Es ist nur wichtig, dass jetzt auch die Politiker mitkommen.