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Eine Frage der Kosten und Qualität

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Polen wurde am vergangenen Donnerstag 60 Jahre alt. Doch statt Glückwünschen hagelt es schlechte Nachrichten und massive Kritik. Nun kommt aus Deutschland eine Idee, von der sich der Sender einen Ausweg aus der Misere erhofft.

Von Adalbert Siniawski | 27.10.2012
    So beginnt die polnische Kinderserie über das Königreich Lailonia; erschaffen im preisgekrönten Studio für Animationsfilme in Posen. Doch die Trickfilmer selbst erlebten kürzlich ein böses Märchen. Das Studio musste Konkurs anmelden. Und der Konkurrenz geht es nicht besser: die Kollegen im südpolnischen Bielsko-Biała wollen sich in staatliche Hände retten, die Studios in Warschau und Łódź halten sich mit Aufträgen aus dem Ausland über Wasser. Alle klagen über das gleiche Problem: Die öffentlich-rechtliche Sendergruppe TVP hat seit zwei Jahren keinen einzigen Zeichentrickfilm mehr bei ihnen bestellt. Und auch im Programm für Erwachsene gibt es bei TVP viele harte Einschnitte.

    "Ich bin angetreten, um etwas Sinnvolles zu machen. Ich will zeigen, dass wir einiges leisten können – aber auch klar sagen, dass wir dafür Geld brauchen."

    Sagt TVP-Chef Juliusz Braun. Im vergangenen Jahr machte seine Sendergruppe umgerechnet 21 Millionen Euro Verlust. 2012 droht ein Minus von 15 Millionen. Die Einnahmen aus Werbung und Sponsoring gehen zurück. Die Rundfunkgebühren fließen spärlich: Etwa die Hälfte der Polen hat ihre Empfangsgeräte nicht angemeldet. Und etwa drei Millionen derjenigen, die es getan haben, weigern sich hartnäckig, zu zahlen.

    "Das ist ein dramatischer und trauriger Ausdruck davon, dass die Gesellschaft Vertrauen in das öffentlich-rechtliche Fernsehen verloren hat. Vor allem in eine öffentliche Institution, die kulturelle, demokratische und gesellschaftliche Aufgaben erfüllt. Die Menschen sehen keine großen Unterschiede mehr zu den kommerziellen Sendern."

    Sagt Maciej Mrozowski, Medienwissenschaftler an der Universität Warschau und ehemaliger Programmchef bei TVP. Sein früherer Arbeitgeber rühmt sich zwar für den Spartenkanal TVP Kultura und seine anspruchsvollen Schauspielübertragungen. Doch einen Großteil der anderen Programme füllen Gameshows, Talentwettbewerbe und Seifenopern.

    Kritiker zweifeln nicht nur an deren Qualität, sondern auch an den Kosten. Seit den 90ern hat TVP die Produktion vieler seiner Sendungen an Fremdfirmen ausgelagert. Doch die Hoffnung, dadurch Kosten und Personal abzubauen und gleichzeitig anspruchsvolle Inhalte zu erhalten, ist vielfach nicht aufgegangen.
    Auch die Hauptnachrichtensendung "Wiadomości" unterscheidet sich kaum mehr von der boulevardesken Berichterstattung bei den Privaten. Helden- und Human-Touch-Geschichten, bisweilen untermalt von dramatischer Musik. Weiche Themen kommen vor den harten Nachrichten, Nachricht und Kommentar verwischen, Ereignisse aus dem Ausland finden wenig Platz.

    Die Intellektuellen des Landes laufen Sturm gegen die Kommerzialisierung. Regisseurin Agnieszka Holland und zwei ihrer Kollegen fordern sogar das Ende von TVP. Sie plädieren für ein neues öffentlich-rechtliches System, das den Bildungsauftrag wieder ernst nimmt. Professor Mrozowski:

    "Diese Forderung ist nicht populistisch, sondern idealistisch. Es gibt in Polen keine Instanz, die die Aufgaben der Öffentlich-Rechtlichen definiert und auch überprüft, ob sie erfüllt wurden. Im Prinzip ist dort niemand für das Programm verantwortlich."
    TVP-Chef Braun weist die Kritik und die Vorschläge als undurchführbar zurück. Lieber will er die Einnahmen wieder in die Höhe treiben. Deshalb verkauft der wertvolle Immobilien des Hauses und greift eine Idee aus Deutschland auf:

    "Ein anderes Modell der Rundfunkgebühr muss die Grundlage sein. Wenn es eine allgemeine Haushaltsabgabe ist, dann könnte die Gebühr sogar sinken."

    Das neue Verfahren in Deutschland, wonach ab Januar 2013 pro Haushalt abgerechnet werde, entspreche der technischen Entwicklung und sei sozial gerecht, meint Braun. Doch auf eine Gebührenreform in Polen wird er noch warten müssen: Die Regierung, die noch vor Jahren den Sinn der Rundfunkgebühr öffentlich bezweifelte, will an der Abgabe frühestens im Jahr 2014 drehen – in welche Richtung, ist noch offen.