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Eine Frage der Sicherheit

Luftfahrt.- Wie sicher ist die Luftfracht, die täglich nicht nur mit speziellen Frachtgutmaschinen, sondern vor allem mit Passagierflugzeugen weltweit transportiert wird? Die DEKRA-Akademie bildet Kontrollpersonal an Flughäfen aus. Ein Besuch in Braunschweig.

Von Jan Rähm | 02.11.2010
    Bei der Sicherheit im Luftverkehr wird deutlich zwischen Passagieren und Fracht unterschieden. Der Passagier muss sich direkt vor dem Flug in den Sicherheitskontrollen überprüfen lassen. Bei der Fracht beginnt die Überprüfung schon viel früher, sogar schon bevor die Ware überhaupt produziert wurde – zum Beispiel eine Kaffeemaschine, die ins Ausland soll. Annette Wiedemann, Bereichsleiterin Industry & Aviation bei der Dekra Akademie in Braunschweig:

    "Es muss erstmal feststehen wo das überhaupt Luftfracht wird. Es kann schon bei der Bestellung erfolgen, das heißt, dass direkt schon klar ist, dass das, was da hergestellt wird, als Luftfracht auf den Weg geht. Und dann ist es halt so, dass schon ab diesem Zeitpunkt an die Luftfracht als sicher gelten muss und dann auch sicher befördert wird. Das heißt, der Hersteller muss Sicherheit gewährleisten, der Transporteur, der Spediteur, das kann halt auch sein, dass ein Lagerhalter damit noch beschäftigt ist, es kann aber sein, dass es erst noch zu einem Verpacker geht. Und alle, die auf diesem Weg beteiligt sind, müssen halt diese Sicherheit gewährleisten."

    Die Kaffeemaschine gilt also schon beim Hersteller als Luftfracht und muss entsprechend sicher behandelt werden. Ebenso sicher muss sie zum Flugzeug kommen.

    "Wenn die Sicherheitskette gewährleistet ist, dass heißt, alle Beteiligten in dieser Kette haben entweder eine behördliche Zulassung oder haben Sicherheit nachgewiesen durch eine sogenannte Sicherheitserklärung, dann wird die Fracht am Flughafen überhaupt nicht mehr kontrolliert, es sei denn an einer Schnittstelle wird festgestellt, dass die Fracht in irgend einer Form manipuliert wurde. Also man sieht Beschädigungen am Paket oder der Lkw war nicht verschlossen oder derartige Dinge. Dann ist noch mal eine Kontrolle erforderlich, dann wird ein sicheres Frachtstück noch mal unsicher und muss dann kontrolliert werden zwangsläufig. Aber bei den Dingen, die befördert werden als sicher, da wird am Flughafen gar keine Kontrolle mehr gemacht."

    Wenn alle Glieder in der Lieferkette als sicher zertifiziert sind, wird die Kaffeemaschine nicht noch einmal kontrolliert. Zum Beispiel per Röntgengerät. Voraussetzung ist jedoch ein Audit, den die Unternehmen absolvieren müssen. Die Dekra Akademie hat diese Untersuchungsverfahren mitentwickelt. Aber wer bekommt letztendlich die Zulassung, die die Sicherheit garantiert?

    "Ein Unternehmen, dass in dieser sicheren Lieferkette als sicher auch mitarbeiten möchte, muss eine Zulassung bei der Behörde beantragen und mit dieser Zulassung muss er verschiedenste Dinge nachweisen. Das heißt, er muss ein sogenanntes Sicherheitsprogramm erstellen, er muss einen Verantwortlichen für die Sicherheit benennen, der entsprechend geschult sein muss. Und wenn diese Nachweise alle perfekt sind, bekommt das Unternehmen die Zulassung. Mit dieser Zulassung ist er erstmal berechtigt, Fracht als sicher zu befördern."

    Die von Annette Weidemann beschriebene Kette gilt für Waren, die von Deutschland aus in alle Welt gehen. Und da die Sicherheitsmaßnahmen in der gesamten EU gleich sind, wird Transitfracht aus EU-Ländern genauso behandelt, wie sichere Fracht aus Deutschland.

    "Die EU-Verordnung sagt da, welche Drittstaaten als gleichwertig anerkannt sind, das heißt, die halt auch ein hohes Sicherheitsniveau haben und entsprechend der EU-Regelung auch hantieren. Aus anderen Drittstaaten ist es so, da legt die Regierung fest, welche Drittstaaten als gleichwertig angesehen werden können und welche halt nicht. Und wenn es so ist, dass sie nicht angesehen werden, dann muss diese Transitfracht, die bei uns eingeflogen wird und dann von uns auch wieder weitergeflogen wird, halt einer Kontrolle unterzogen werden."

    Dank der Sicherheitskette vom Hersteller bis ins Flugzeug ist der Frachtverkehr sehr effizient. Doch es gibt Zweifel an der Sicherheit, vor allem im Vergleich, wie Passagiere vor einem Flug kontrolliert werden.

    "Circa 90 Prozent unserer Luftfracht gehen aufgrund dieser sicheren Lieferkette ins Luftfahrzeug, unkontrolliert kann man sagen. Unkontrolliert deshalb, weil halt keine echte Kontrolle wie das Röntgen durchgeführt wird. Beim Passagier ist es ja anders. Er wird zu 100 Prozent kontrolliert."

    Darin sieht die Luftfahrtexpertin eine große Diskrepanz.

    "Und es ist eigentlich schon so, dass es widersinnig ist dahin gehend, dass einem Passagier, der muss sich entblößen bis sonst wohin, dass heißt, er muss seine gesamten Flüssigkeiten zeigen, die er ins Handgepäck nimmt, sein ganzes Gepäck wird auf jeden Fall kontrolliert, aber man sitzt dann mit seinem Po auf seinem Sitz auf der Luftfracht, die unten nur höchstens zu zehn Prozent kontrolliert wurde. Also einer echten Kontrolle, nicht aufgrund des Systems einer sicheren Lieferkette."