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Eine Frau ermittelt

Die schönste Szene dieses Films könnte von Hitchcock sein. Die Hauptfigur hat sich im Schrank versteckt, weil sie auf der Suche nach dem wahren Mörder eines jungen Mädchens ist. Ihr Sohn wird dieses Verbrechens bezichtigt. Die Mutter als Privatermittlerin.

Von Josef Schnelle | 05.08.2010
    Nun ist sie im Schlafzimmer ihres Verdächtigen. Der schläft so tief, dass sie sich endlich traut, den Schrank zu verlassen. Das gelingt ihr - wenn auch nicht ganz lautlos. Doch dann stößt sie vor lauter Erleichterung darüber, dass der Mann weiter schläft, eine offene Wasserflasche um. Das Wasser rinnt auf den Schlafenden zu, dessen Hand von Bett herunter hängt. Irgendwann bald, das sehen wir kommen, wird es seinen Zeigefinger erreichen.

    Solche Suspense-Effekte sind häufig in Bong Joon-hos Krimi-Thriller-Melodram, in dem nichts so ist, wie es scheint. Schon die Verhaftung von Do-Jun ist bizarr. Die Polizisten sind irritiert, weil die Mutter ihrem Streifenwagen hinterherläuft und ihn fast einzuholen scheint. Ein Unfall ist die Folge. Der Polizist kann gerade noch die Handschellen zuschnappen lassen, bevor sich Do-Jun davon machen kann.

    Hye-Ja ist das, was man eine Übermutter nennt. Ihr zurückgebliebener Sohn ist ihr ein und alles. Selbst beim Pinkeln reicht sie ihm noch besonders gesunden Tee. Die Verhaftung des Sohnes, als Verdächtigen des Mordes an einem jungen Mädchen ist daher ein fast nicht zu verkraftender schwerer Schlag für sie. Und so macht sie sich auf die Suche nach dem wahren Täter und man kann zunächst nicht umhin, an die Hausfrau als Detektivin aus den britischen Krimis um Miss Marple zu denken.

    Bongs Film ist aber auch komisch, geheimnisvoll, gesellschaftskritisch und eine psychologische Studie über krankhafte Mutterliebe. Er wechselt immer wieder Tonfall und filmische Erzählweise. Das könnte seine Schwäche sein, doch für diesen Film und überhaupt für Bong Joon-hos Werk ist das geradezu charakteristisch.

    <im_59780>Der koreanische Regisseur Bong Joon-ho beim Dreh.</im_59780>Auch sein Kassenerfolg "The Host", in dem ein Monster die Stadt überfällt, war 2006 derart erfrischend inkonsistent: ein Horrorfilm und ein Film über eine zerfallende Familie in einem. Die Filme des koreanischen Regietalents sind aber auch bildkompositorisch besonders stark und weisen aller Publikumswirksamkeit zum Trotz einen hohen Grad an Stilisierung auf.

    Schlaff hängt zu Beginn des Films eine Leiche vom Dach eines grauen zweistöckigen Hauses. Beinahe ein komisches zumindest ein seltsames Bild. Unten davor stehen die beiden Provinzpolizisten und kommentieren erst einmal den Fall, anstatt wie in einem ordentlichen westlichen Krimi erst einmal den Tatort zu besichtigen.

    Das Verhältnis der Generationen zueinander ist besonders wichtig in der koreanischen Gesellschaft, in der die Alten heute meist abgeschoben sind. Während die Jungen oft brutal und rücksichtslos ihre Begehrlichkeiten durchsetzen.

    Die traditionelle Ordnung der Dinge ist also zerfallen, weswegen die Mutter auch einen Kampf gegen den Sittenverfall in den modernen Zeiten führt. Schon die krankhafte enge Mutter-Sohn-Beziehung ist ein Widerstandsakt gegen die Entwertung aller Werte durch das Vordringen von materieller Gier und Skrupellosigkeit.

    Das ermordete Mädchen war die Dorfprostituierte, die Polizisten erpressen durch besondere Brutalität ein falsches Geständnis. Die Mutter jedoch ist eine Art Kräuterhexe mit abstrusem Spezialwissen. Für europäische Verhältnisse seltsam ist auch, das Bong Joon-hos in diesem ernsten Thriller und Psychogramm häufig unerwartet ins Komödiantische abschweift.

    Diese Elemente sind sozusagen das Salz in der Suppe, fernöstliche Verfremdungseffekte, die den Film geschmeidig und universell zugänglich machen. Fußballgerede zum Beispiel benutzt der Polizist, um der Mutter mitzuteilen, was sie und ihren Sohn erwartet.