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Eine Frau für den Elysee-Palast

Sie hat einen schillernden Namen, Charisma und Durchsetzungswillen. Die Sozialistin Ségolène Royal hat in Frankreich einen wichtigen Etappensieg errungen. Ihre Partei ernannte die 53-Jährige zur Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen im Mai nächsten Jahres. Die Parteilinke tut sich schwer mit Royal, im Volk scheint sie beliebt. Margit Hillmann berichtet aus Paris.

    In der Wohnung von Chantal Hassler im Pariser Vorort Pantin: Die Lehrerin, die bald in den Ruhestand gehen wird, hat Besuch. Alda Perrera-Le Maitre, Anfang 40, Handelsvertreterin und nebenbei Kinderbuchautorin, ist gekommen. Beide sind sie Mitglied der PS, der Sozialistischen Partei Frankreichs. Was sie aber in diesen Monaten und Wochen besonders verbindet, ist ihre Begeisterung für Ségolène Royal. "Ségolène", sagt Chantal Hassler, "ist eine von uns."

    "Sie hat Erfahrungen als Mutter, als berufstätige Mutter, - mit der Familie, der Schule und der Erziehung der Kinder. Und weil sie die damit verbundenen Schwierigkeiten aus eigener Erfahrung kennt, hat sie auch den politischen Willen, diese Probleme anzugehen, denn sie kann sich in den Alltag der Leute hineinversetzen."

    Eine familienfreundliche und volksnahe Politik, befreit von sozialistischen Tabus - dafür wird Ségolène Royal von all ihren Anhängern gelobt. Auch Alda Perrero-Le Maitre ist begeistert. Selbst wenn politische Vorschläge der sozialistischen Kandidatin gelegentlich eher jenen der Konservativen ähneln, als dem Programm ihrer eigenen Partei. "Das schockiert mich nicht", sagt sie.

    "Sie ist als Politikerin attraktiv, weil sie Bewegung in die Partei bringt. Sie wagt es über Immigration zu sprechen. Sie hat keine Angst, konkret über Gewalt und Kriminalität in der Gesellschaft zu reden. Denn die Themen sind nicht rechts. Auch die Linke - mit ihren Werten - kann darüber sprechen."

    Die beiden Sozialistinnen aus Seine-St-Denis, sind nicht nur Ségolène-Anhängerinnen. Seit Monaten engagieren sie sich tatkräftig für ihre Präsidentschaftskandidatin, rühren die Werbetrommel und versuchen andere PS-Mitglieder für Ségolène zu gewinnen. Das funktioniert sehr gut, berichteten die beiden Ségolène-Fans aus dem 93. Departement. Das Interesse an der Sozialistin sei groß; die Leute trauten ihr und hielten sie für fähig. Dank Ségolène schöpfen viele Franzosen wieder Hoffnung, so der Eindruck der beiden Frauen

    "Die Leute kommen zu uns in Scharen, um über das, was sie beschäftigt, zu diskutieren: über die Erziehung der Kinder, Schule, Wohnungsprobleme und über das Thema Arbeit. Vor Ségolène war es genau das Gegenteil. Haben wir Einladungen für unsere Veranstaltungen verteilt, haben die Leute gesagt, lasst uns mit der Politik in Ruhe. Jetzt reißen sie uns die Handzettel aus den Händen."

    Ségolène ist beliebt. Nicht bei nur bei PS-Parteimitgliedern, sondern über die Parteigrenzen hinaus - beim französischen Wähler. Eine Stichprobe gestern Nachmittag unweit des Pariser Bahnhofs "Gare du Nord":

    "Ich würde für sie stimmen."

    "Dass sie eine Frau ist, ist ein echtes Plus."

    "Ihre Ideen sind gut. Mir gefällt sie."

    "Sie ist eine junge Frau, und wir haben die alten Männer ein bisschen satt, die seit 20 Jahren Frankreich regieren."

    Inzwischen hat die Popularität der Politikerin auch viele anfängliche Skeptiker in ihrer Partei überzeugt. Ganz nach dem Motto: besser aufs richtige Pferd setzen als auf das beste Pferd im Stall, haben auch sie sich der Favoritin angeschlossen. Dennoch blieben bis gestern Abend drei Kandidaten übrig: Neben Ségolène Royal waren das ihre Konkurrenten Dominique Strauss-Kahn und Laurent Fabius.

    Eine PS-Bezirksparteiversammlung in "Les Lilas" bei Paris. Hier sind die Anhänger Roland Fabius, der schon unter Mitterand Premier war und die französische Linke erfolgreich für das Nein zur EU-Verfassung mobilisierte, in der Mehrheit. Und hier ist man denn auch gar nicht gut auf Ségolène Royal zu sprechen.

    "Sie redet sehr viel. Und ich bin nicht immer mit ihr einverstanden, überhaupt nicht. Aber, na ja, jeder hat das Recht seine Meinung zu sagen. Sie tut das. Na gut. "

    "Argumente, die ich schon in- und auswendig kenne. Besonders die frauenfeindlichen Bemerkungen", sagt Philipe Degendre, 46 Jahre, erfolgreicher Autor von Kochbüchern. Der Ségolène-Fan aus dem 20. Pariser Arrondissement, der bisher keiner politischen Partei angehörte, hat sich vor knapp einem Jahr bei der PS eingeschrieben, um ihre Kandidatur zu unterstützen.

    "Ich bin nur deswegen Parteimitglied bei den Sozialisten geworden, damit ich bei der Abstimmung über den offiziellen PS-Kandidaten für Ségolène meine Stimme abgeben kann."

    Er hofft nicht nur auf eine bessere Zukunft Frankreichs mit Ségolène Royal als Staatspräsidentin an der Spitze. Er hält sie auch als einzige Sozialistin für fähig, dem ebenso populären wahrscheinlichen Gegenkandidaten der Konservativen Partei, Nicolas Sarkozy, die Stirn zu bieten und so die Präsidentschaftswahlen im April zu gewinnen.