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Eine Frau will nach oben

Die Barockoper "Fredegunda" von Reinhard Keiser handelt von Frauen am Hofe, die mehr sein wollen. Das - laut Untertitel - "musikalische Schauspiel", wurde 1715 in Hamburg uraufgeführt und blieb über 20 Jahre im Programm der Oper am Gänsemarkt. Nur an einem bürgerlichen Opernhaus war solch ein Sujet denkbar. Der neue Bremer Intendant Hans-Joachim Frey wagte sich nun an die Ausgrabung des vernachlässigten Barock-Repertoires.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    Eine Frau will nach oben. Sie, Fredegunda, will nicht nur die Geliebte des Königs sein, sondern seine rechtmäßig Angetraute. Doch der König, Chilperich, hat sich verlobt mit einer anderen, Galsuinde. Eine Polit-Hochzeit. Der Friede mit dem Land der Braut nach einem Krieg soll so besiegelt werden.

    Doch als die Braut eintrifft, hat Fredegunda den König gerade zwischen den Beinen. Der König ist ihr, einer "Bürgerlichen", einer die die Männer "verzaubert", verfallen. Der Kampf um die Liebe ist ein Kampf um die Macht. Und er wird hier ganz ohne alle Bandagen ausgetragen.

    Fredegunda, das - so der Untertitel - "musikalische Schauspiel", wurde 1715 in Hamburg uraufgeführt und blieb über 20 Jahre im Programm der Oper am Gänsemarkt. Nur an einem bürgerlichen Opernhaus wie diesem war solch ein Sujet denkbar. Reinhard Keiser, der Komponist, war Kapellmeister in Hamburg. Händel spielte zeitweilig unter ihm.

    Das Stück greift bewusst eine damals aktuelle Situation nach dem spanisch-französischen Erbfolgekrieg auf: bedrohlich für die Hamburger Bürgerschaft wegen möglicher neuer Kriege mit den eigenen Nachbaren, Niederlande und Dänemark.

    Regisseur Tilman Knabe und sein Bühnenbildner Wilfried Buchholz akzentuieren mit sehr heutigen Bildern diese Umbruchsituation: gespielt wird zunächst in einem unfertigen, gerade im Umbau befindlichen Raum. Später ist der Schauplatz eine Art Giftmüllkippe - im Original ein Bergwerk, wo diejenigen, die im Machtkampf hinderlich sind, zur Zwangsarbeit entsorgt werden.

    In seiner Personenführung setzt Knabe stark auf äußere Effekte. Dafür verändert er auch den Schluss. Im Original muss Fredegunda kapitulieren vor den höfischen Zwängen und ihrer Rivalin Galsuinde den Vortritt lassen. Bei Knabe bleibt Fredegunda die Triumphierende; er lässt sie schwanger werden. Und mit der Präsentation eines Thronfolgers bleibt sie am Ende Siegerin im Machtpoker.

    Was mit dem Stück wohl eigentlich gemeint war und was auch seine Aktualität damals so lange begründete, verschwindet hinter diesem Showdown: eine Kritik an den fürs Bürgertum haltlosen Zuständen bei Hofe, dass die Mätresse die machthabende Frau war an der Seite des Herrschers, nicht die Ehe-Frau. Dass solche Kritik so ganz obsolet wäre heute, kann man wohl nicht sagen.

    Die Bremer Aufführung von Keisers "Fredegunda" ist eine Gemeinschafts-Produktion mit der Münchner Theaterakademie, wo sie zuvor gezeigt wurde. Der neue Intendanz in Bremen Hans-Joachim Frey will mit dieser Ausgrabung das seit Jahren an dem Haus vernachlässigte Barock-Repertoire wieder beleben. Und eine Oper von Reinhard Keiser mit ihrer aktionsreichen Kurzszenen-Dramaturgie ist da durchaus geeigneter als die des späteren Händel.

    Freilich ist das bisher nur ansatzweise geglückt. Christoph Hammer am Pult hat mit den Bremer Philharmoniker zwar vorzügliche Arbeit geleistet bei der Annäherung an eine barocke Spielpraxis. Weniger Glück hat man mit den Sängern. Lediglich Patricia Andress in der Titelpartie bewältigt die Anforderungen barocken Koloraturgesangs. Die Verständlichkeit des deutsch-italienischen Textes ist (bezeichnenderweise) nur bei dem älteren Sänger des Königs, Karsten Küsters, gewährt.

    Am Ende gab's dennoch viele Bravos für die Sänger, Buhs für die Regie. Das dürfte freilich nicht zum geringen Maße der angestrengt erhöhten Kopulations-Dichte der drei bis mindestens vier Paare zu verdanken sein, die beim Publikum mehr Erheiterung denn Erregung hervor rief.