Stefan Koldehoff: Die Nachricht kam gegen 14 Uhr als Eilmeldung – aber so traurig sie ist: Wirklich überrascht hat sie wahrscheinlich niemanden mehr. Die "Frankfurter Rundschau" hat heute Insolvenz angemeldet. Sie sähen keine Perspektive der Fortführung des Unternehmens, sagten die Eigentümer, der DuMont Schauberg Verlag und die SPD-Medienholding am Nachmittag. Im Januar sei Schluss.
Als zweite deutsche Tageszeitung nach dem Krieg war sie schon im August 1945 zum ersten Mal erschienen, galt lange als das sozialliberale Gewissen der Bundesrepublik, bis es dann ab 2003 stetig bergab ging. Uwe Kammann ist heute Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, kennt aber aus seiner Zeit bei epd Medien die Frankfurter Rundschau ganz hervorragend. Ihn habe ich vor der Sendung gefragt: Was hat diese Zeitung für dieses Land bedeutet?
Uwe Kammann: Ja es war schon eine große Institution. Es war die große linksliberale oder auch sozialliberal eingefärbte Zeitung. Sie hatte einen ganz klaren Kurs: Sie hat sich als ökologisch verstanden, sie hat sehr stark die deutsche Ostpolitik mit begleitet und auch mit einer sehr klaren Position. Sie war in der Anti-Atom-Politik, glaube ich, auch ein führendes Sprachrohr. Also sie war auf jeden Fall eine ganz klare Linienzeitung, früher hätte man gesagt, sicherlich auch eine sehr parteinahe Zeitung, gewerkschaftsnah. Aber das wären sicher keine Etiketten, die die Redaktion jetzt gerne gehört hätte, sondern sie hätten gesagt, das ist unsere tiefe innere Überzeugung und wir sind eben meinungsstark und haben auch einen ganz klaren Anspruch, dort an der Spitze zu sein.
Koldehoff: Ab 2003/2004 ging es stetig bergab in unterschiedlichen Eignerkonstellationen. Zeitweise war auch die Medienholding der SPD mit 50 Prozent Minus eine Aktie beteiligt. Was hat zu diesem Niedergang geführt? Warum ging es plötzlich nicht mehr?
Kammann: Also es gibt natürlich den allgemeinen Umbruch in der Medienlandschaft. Die Zeitungen sind mehr oder weniger in eine Krise geschlittert, einige haben dann die Kurve wieder bekommen. Die "Rundschau" eigentlich nie, es war dann so ein schleichender Übergang. Ich vermute, dass bei ihr der Niedergang stärker sich ausgeprägt hat, weil eben die alte Klientel, die eine sehr klar gebundene Zeitung wollte, nicht mehr in dem Maße vorhanden war. Die Zeiten haben sich gewandelt, das Lagerdenken in der Politik hat ja auch nicht mehr so viele Freunde, und insofern haben sie, glaube ich, in der komplexeren Welt nicht so richtig verstanden, ihre neue Position klarzumachen, wenn sie denn überhaupt so ausgeprägt da war.
Und was ich auch finde: Die ganz großen Autoren, die man früher hatte – ich nenne nur aus dem Feuilleton Günther Rühle oder Wolfram Schütte oder Peter Iden -, die fehlten dann doch, und insofern hatte sie nicht mehr genügend Profil, um in den überregionalen Qualitätszeitungen zu punkten.
Koldehoff: Irgendwann gab es dann die Fusion mit der "Berliner Zeitung", beide gehören dem Verlagshaus DuMont. Man hat große Teile parallel in beiden Zeitungen lesen können. War das ein Fehler?
Kammann: Das ist immer schwierig, weil man natürlich denkt, das ist dann weder Fisch noch Fleisch, die eigentliche Unabhängigkeit geht verloren, man teilt seine Autoren mit anderen, also es gibt da nicht mehr so eine Einzigartigkeit, die man natürlich behaupten muss.
Koldehoff: Der anderen großen, linksorientierten Tageszeitung, Herr Kammann, der "TAZ" in Berlin, geht es auch nicht gut. Die schaffen es aber irgendwie immer wieder mit Solidaritätskampagnen und Unterstützung durch die Leser, den Kopf doch über Wasser zu halten. Warum gelingt das der FR nicht?
Kammann: Ja das ist schwierig zu sagen. Die "TAZ" hatte natürlich ein ganz klares eigenes Profil, man merkt das ja auch in der Machart der Zeitung. Die ist ja sehr pfiffig, sehr witzig, die ist ganz klar erkennbar. Und die "Rundschau" hatte, glaube ich, dann eher so einen schwankenden Kurs, sie war nicht mehr so klar zu erkennen neben den anderen und sie hatte dann eben nicht mehr auch die überregionalen Qualitäten, die man von solch einer Zeitung erwartet. Und in diesem großen sozusagen modernen Urbanismus, da hatte sie keinen richtigen Platz, und alle Versuche, wie auf ein ganz kleines Format überzugehen, wirkten dann eher hilflos, haben einen Teil der alten Leserschaft abgeschreckt und die neuen nicht ausreichend überzeugen können.
Koldehoff: Und wenn es jetzt – Abschlussfrage – tatsächlich zu Ende ginge, würde diesem Land was fehlen, oder wäre es eigentlich gar nicht mehr so schlimm?
Kammann: Also es wäre jetzt nicht der große Verlust in der Substanz alleine, aber für mich ist es natürlich schon ein Verlust an Vielfalt, und wir haben ja so eine schleichende Aushöhlung der Pressevielfalt in Deutschland, speziell auch in den Lokalausgaben, und das wäre wieder so ein Baustein. Also bei allem, was man vielleicht nicht unbedingt mehr lesen konnte, ich finde es sehr bedauerlich, wenn ein solches Traditionsblatt, das für mich früher zur Pflichtlektüre gehörte, nicht mehr an den Kiosken zu haben ist, oder wenn es Abonnenten auch nicht mehr bekommen. Ich finde es schon sehr schade.
Koldehoff: Uwe Kammann war das, der Direktor des Adolf-Grimme-Instituts in Marl.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Als zweite deutsche Tageszeitung nach dem Krieg war sie schon im August 1945 zum ersten Mal erschienen, galt lange als das sozialliberale Gewissen der Bundesrepublik, bis es dann ab 2003 stetig bergab ging. Uwe Kammann ist heute Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, kennt aber aus seiner Zeit bei epd Medien die Frankfurter Rundschau ganz hervorragend. Ihn habe ich vor der Sendung gefragt: Was hat diese Zeitung für dieses Land bedeutet?
Uwe Kammann: Ja es war schon eine große Institution. Es war die große linksliberale oder auch sozialliberal eingefärbte Zeitung. Sie hatte einen ganz klaren Kurs: Sie hat sich als ökologisch verstanden, sie hat sehr stark die deutsche Ostpolitik mit begleitet und auch mit einer sehr klaren Position. Sie war in der Anti-Atom-Politik, glaube ich, auch ein führendes Sprachrohr. Also sie war auf jeden Fall eine ganz klare Linienzeitung, früher hätte man gesagt, sicherlich auch eine sehr parteinahe Zeitung, gewerkschaftsnah. Aber das wären sicher keine Etiketten, die die Redaktion jetzt gerne gehört hätte, sondern sie hätten gesagt, das ist unsere tiefe innere Überzeugung und wir sind eben meinungsstark und haben auch einen ganz klaren Anspruch, dort an der Spitze zu sein.
Koldehoff: Ab 2003/2004 ging es stetig bergab in unterschiedlichen Eignerkonstellationen. Zeitweise war auch die Medienholding der SPD mit 50 Prozent Minus eine Aktie beteiligt. Was hat zu diesem Niedergang geführt? Warum ging es plötzlich nicht mehr?
Kammann: Also es gibt natürlich den allgemeinen Umbruch in der Medienlandschaft. Die Zeitungen sind mehr oder weniger in eine Krise geschlittert, einige haben dann die Kurve wieder bekommen. Die "Rundschau" eigentlich nie, es war dann so ein schleichender Übergang. Ich vermute, dass bei ihr der Niedergang stärker sich ausgeprägt hat, weil eben die alte Klientel, die eine sehr klar gebundene Zeitung wollte, nicht mehr in dem Maße vorhanden war. Die Zeiten haben sich gewandelt, das Lagerdenken in der Politik hat ja auch nicht mehr so viele Freunde, und insofern haben sie, glaube ich, in der komplexeren Welt nicht so richtig verstanden, ihre neue Position klarzumachen, wenn sie denn überhaupt so ausgeprägt da war.
Und was ich auch finde: Die ganz großen Autoren, die man früher hatte – ich nenne nur aus dem Feuilleton Günther Rühle oder Wolfram Schütte oder Peter Iden -, die fehlten dann doch, und insofern hatte sie nicht mehr genügend Profil, um in den überregionalen Qualitätszeitungen zu punkten.
Koldehoff: Irgendwann gab es dann die Fusion mit der "Berliner Zeitung", beide gehören dem Verlagshaus DuMont. Man hat große Teile parallel in beiden Zeitungen lesen können. War das ein Fehler?
Kammann: Das ist immer schwierig, weil man natürlich denkt, das ist dann weder Fisch noch Fleisch, die eigentliche Unabhängigkeit geht verloren, man teilt seine Autoren mit anderen, also es gibt da nicht mehr so eine Einzigartigkeit, die man natürlich behaupten muss.
Koldehoff: Der anderen großen, linksorientierten Tageszeitung, Herr Kammann, der "TAZ" in Berlin, geht es auch nicht gut. Die schaffen es aber irgendwie immer wieder mit Solidaritätskampagnen und Unterstützung durch die Leser, den Kopf doch über Wasser zu halten. Warum gelingt das der FR nicht?
Kammann: Ja das ist schwierig zu sagen. Die "TAZ" hatte natürlich ein ganz klares eigenes Profil, man merkt das ja auch in der Machart der Zeitung. Die ist ja sehr pfiffig, sehr witzig, die ist ganz klar erkennbar. Und die "Rundschau" hatte, glaube ich, dann eher so einen schwankenden Kurs, sie war nicht mehr so klar zu erkennen neben den anderen und sie hatte dann eben nicht mehr auch die überregionalen Qualitäten, die man von solch einer Zeitung erwartet. Und in diesem großen sozusagen modernen Urbanismus, da hatte sie keinen richtigen Platz, und alle Versuche, wie auf ein ganz kleines Format überzugehen, wirkten dann eher hilflos, haben einen Teil der alten Leserschaft abgeschreckt und die neuen nicht ausreichend überzeugen können.
Koldehoff: Und wenn es jetzt – Abschlussfrage – tatsächlich zu Ende ginge, würde diesem Land was fehlen, oder wäre es eigentlich gar nicht mehr so schlimm?
Kammann: Also es wäre jetzt nicht der große Verlust in der Substanz alleine, aber für mich ist es natürlich schon ein Verlust an Vielfalt, und wir haben ja so eine schleichende Aushöhlung der Pressevielfalt in Deutschland, speziell auch in den Lokalausgaben, und das wäre wieder so ein Baustein. Also bei allem, was man vielleicht nicht unbedingt mehr lesen konnte, ich finde es sehr bedauerlich, wenn ein solches Traditionsblatt, das für mich früher zur Pflichtlektüre gehörte, nicht mehr an den Kiosken zu haben ist, oder wenn es Abonnenten auch nicht mehr bekommen. Ich finde es schon sehr schade.
Koldehoff: Uwe Kammann war das, der Direktor des Adolf-Grimme-Instituts in Marl.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.