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Eine Geldquelle versiegt

Biotechnologie. – In den USA hat das zuständige Patentamt PTO drei Patente des Stammzell-Pioniers James Thomson von der Universität von Wisconsin in Madison widerrufen. Begründung: Sie basierten entweder auf nahe liegenden Variationen bereits vorliegender Arbeiten, oder die Ergebnisse seien zuvor bereits wissenschaftlich publiziert und damit frei zugänglich gewesen. Möglicherweise brauchen Forscher, die die Stammzelllinien nutzen wollen, der Universität künftig nicht mehr so weit reichende Eigentumsrechte einräumen. Der Stammzellforscher Professor Jürgen Hescheler vom Institut für Neurophysiologie der Universität zu Köln nimmt im Gespräch mit Ralf Krauter Stellung zu der Entscheidung.

04.04.2007
    Krauter: Herr Professor Hescheler, wie ist die wegweisende Entscheidung aus Sicht deutscher Stammzellforscher zu bewerten?

    Hescheler: Ja, dass Patente auf humane embryonalen Stammzellen erteilt werden, das hat die Wissenschaftler immer schon etwas gestört, weil die Zellen ja biologisches Material ist, ungefähr genauso wie das Genom des Menschen genetisches Material, nicht patentiert werden kann. [Deshalb] würde ich dem zustimmen können, dass das nicht patentfähig ist. Auf der anderen Seite sehe ich natürlich auch, dass für ein Gebiet, das natürlich auch eine kommerzielle Anwendung letzten Endes haben sollte, Patentierfähigkeit wichtig wäre. Ich denke, das wird eine Konsequenz sein, dass große Firmen eher nicht investieren würden in die Stammzellforschung. Aber ich denke auch, dass aus Sicht des Grundlagenforschers, der Interesse hat, ohne Bedingungen die Forschung wertfrei und wertneutral durchzuführen, ist das eigentlich eine ganz gute Sache, dass das nicht patentiert wird.

    Krauter: Sie experimentieren selbst mit Zellen, die über Umwege auch mit Patenten von James Thomson erzeugt wurden. Können Sie uns kurz beschreiben, wie kompliziert das war! Welche Auflagen muss man einhalten, um diese Zellen überhaupt zu bekommen?

    Hescheler: Ja, also wir haben in der Tat genau diese Zellen, die von Jamie Thomson erzeugt worden sind, hier nach Deutschland importiert, experimentieren mit diesen Zellen. Als wir die importiert haben, war das eine relativ komplizierte Sache. Da musste also so ein, MTA heißt das, Material Transfer Agreement, also quasi ein Vertrag unterschrieben werden. Und in diesem Vertrag steht zum Beispiel auch drin, dass das Eigentum an den Zellen bei Wicell, das ist die Organisation, die die Zellen verschickt für Professor Thomson, dass die Rechte immer noch dort liegen, und wenn größere Erfindungen und Entdeckungen mit diesen Zellen gemacht würden, dass sie dann auch automatisch Eigentum von Wisconsin wären. Was mich auch immer irritiert hat, und ich habe immer gesagt, das ist sehr problematisch, wenn wir in Deutschland Forschung durchführen und die Früchte dieser Forschung letzten Endes Amerika zugute kommen. Aber ich denke, jetzt wo das Patent nicht mehr vorhanden ist, werden diese Dinge, diese Verpflichtungen dann auch nicht mehr so eng durchgeführt werden können von Wisconsin.

    Krauter: Es könnte also alles einfacher werden, und die Früchte Ihrer Arbeit könnten dann auch eher Ihnen zugute kommen?

    Hescheler: Ja. Ich meine, das müsste sicherlich jetzt auch von anderen Patentgerichten geklärt werden. Ich denke, was jetzt sicherlich mehr der Fall sein wird, dass die Wissenschaftler nicht mehr so grundlegende Patente machen auf grundlegende biologische Prozesse. Sondern dass man sich spezifischer interessiert für anwendungsbezogene Verfahren, neue Differenzierungsstrategien, die aber auch nur für ganz spezielle Anwendungen gilt. Ich denke, da ist sehr wohl noch die Möglichkeit, Patente zu bekommen. Und ich denke, das wird die Konsequenz sein, dass man jetzt mehr spezifische Patente anstrebt.

    Krauter: Daraus folgt aber nicht notwendigerweise, dass es jetzt Finanzierungsprobleme in der Stammzellforschung geben muss, weil Firmen vielleicht sagen, da lohnt sich gar nicht mehr zu investieren, weil wir da keine Patente mehr durchbekommen?

    Hescheler: Also ich denke, im ersten Moment wird es die großen Firmen abschrecken. Aber wenn man sich das dann doch etwas mehr durch den Kopf gehen lässt, dann wird man feststellen, dass es vielleicht doch gar nicht schlecht ist, dass man es doch sehr gezielt arbeiten kann und gezieltere Verfahren entwickeln kann. Und ich denke, da wird es doch sehr interessant. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass es eher vielleicht ein Marktsektor ist für die kleineren Biotechfirmen, die viel flexibler sind und auch mit kleineren Marktlücken zufrieden sind und die dort sicherlich Interesse hätten, auf solche Patente einzugehen. Aber ich denke, die große Pharmaforschung, die würde sich gern ein komplettes Gebiet komplett abstecken lassen. Und das ist sicherlich so nicht mehr möglich.