Sigrid Fischer: Herr Möller, "Das Erbe” ist der Titel. Wer erbt denn da?
Christian Möller: Regina Segal aus Israel. Sie musste in der Nazizeit aus ihrer Geburtsstadt Warschau fliehen, fliegt nun als alte Frau hin, um Anspruch zu erheben auf das Haus ihrer Familie. Sie unternimmt die Reise zusammen mit Enkelin Mika. Keine einfache Reise, die alte Dame ist launisch und das Verhältnis von Rutu Modans zu ihren Großmüttern spiegelt sich:
O-Ton Rutu Modan:
"Regina ist eine Mischung aus meinen beiden Großmüttern. Das waren beide sehr starke, arrogante, witzige, schlaue Frauen. Als ich jünger war, fand ich sie ziemlich nervig, weil sie mir dauernd sagten, was ich tun und was ich lassen sollte. Diese Geschichte war eine Art, unsere Beziehung nachträglich zu verarbeiten. Und ich habe versucht, sie als Menschen zu verstehen. Nicht nur als meine Großmütter. Sie sind beide schon vor einigen Jahren gestorben. Auf eine Art ist das jetzt eine imaginäre Reise, die ich mit ihnen nie unternommen habe."
Möller: Bei der Reise im Comic merkt man allerdings, dass es Regina nur vordergründig um das Haus geht, sondern es um andere Hinterlassenschaften geht.
Fischer: Inwiefern spielt der Holocaust bei dieser Reise eine Rolle?
Möller: Der Holocaust spielt eine wichtige Rolle, aber nicht in Form von Rückblenden in die Vergangenheit, was man erwarten würde. Es geht zentral um die Frage: Wie erinnern wir uns? Nicht nur bei Regina, sondern auch bei Mika als Vertreterin der Enkelgeneration. Sie lernt einen jungen Polen kennen, der sich sein Geld mit Stadtführungen durch Ghetto verdient. Sieht Erinnerungstourismus: Re-Enactment auf der Straße: Nazis verfrachten Juden auf LKWs, was teilweise auf wirklichen Ereignissen basiert. Ist es legitim, auf diese Art und Weise die Geschichte in die Gegenwart zu holen, die zu einem grausigen Spektakel zu machen? Wer darf das tun? Wem gehört die Erinnerung? Das sind Fragen, die der Comic stellt. Das Tolle daran ist, dass er das nicht auf eine trockene, theoretische Art macht, sondern ganz en passant diese Fragen in eine spannende, vielschichtige Geschichte einstreut.
Fischer:" Jetzt haben wir über Inhalte geredet. Wie ist diese Graphic Novel denn gezeichnet?
Möller: In einem Stil, der mit seinen klaren Linien ein bisschen an die Tintin-Comics von Hergé erinnert. Sehr elegante Zeichnungen, gleichzeitig sehr ausdrucksstark, vor allem, was die Körpersprache und die Mimik der Figuren angeht. Darüber erfährt man sehr viel über Figuren, das ist Modans Prinzip:
O-Ton Rutu Modan:
"Ich benutze nicht gern Bildunterschriften oder Denkblasen. Man weiß nicht, was die Figuren denken. Man weiß nur, was sie tun und was sie sagen. Dadurch kann ich oft eine ironische Erzählhaltung einnehmen. Denn aus der Differenz von dem, was sie sagen und ihrem Gesichtsausdruck kann man als Leser viel erkennen. Manchmal versteht man die Figuren besser als sie sich selbst. Das ist Teil des Spaßes beim Lesen – dass man schlauer ist als die Leute, über die man liest. "
Möller: Um das umzusetzen, macht sie ziemlichen Aufwand, sie arbeitet das ganze Storyboard der Geschichte mit Schauspiekern durch, um mit Mimik und Gestik zu experimentieren, arbeitet dann nach Fotos dieser Szenen.
Fischer: Das Erbe wurde überall als ein Meisterwerk gelobt. Sehen Sie das auch so?
Möller: Auf jeden Fall einer der besten Comics der letzten Jahre gegen den Trend zu historischen Comics ganz ohne Rückblenden. Sie fragt eher nach Bedeutung von Vergangenheit für Gegenwart, balanciert Berührendes mit sehr viel Humor, außerdem wirklich ein Pageturner, spannend bis zum letzten Bild .
Rutu Modan:
Das Erbe, 222 S., Carlsen Verlag, 24,90 Euro.
Christian Möller: Regina Segal aus Israel. Sie musste in der Nazizeit aus ihrer Geburtsstadt Warschau fliehen, fliegt nun als alte Frau hin, um Anspruch zu erheben auf das Haus ihrer Familie. Sie unternimmt die Reise zusammen mit Enkelin Mika. Keine einfache Reise, die alte Dame ist launisch und das Verhältnis von Rutu Modans zu ihren Großmüttern spiegelt sich:
O-Ton Rutu Modan:
"Regina ist eine Mischung aus meinen beiden Großmüttern. Das waren beide sehr starke, arrogante, witzige, schlaue Frauen. Als ich jünger war, fand ich sie ziemlich nervig, weil sie mir dauernd sagten, was ich tun und was ich lassen sollte. Diese Geschichte war eine Art, unsere Beziehung nachträglich zu verarbeiten. Und ich habe versucht, sie als Menschen zu verstehen. Nicht nur als meine Großmütter. Sie sind beide schon vor einigen Jahren gestorben. Auf eine Art ist das jetzt eine imaginäre Reise, die ich mit ihnen nie unternommen habe."
Möller: Bei der Reise im Comic merkt man allerdings, dass es Regina nur vordergründig um das Haus geht, sondern es um andere Hinterlassenschaften geht.
Fischer: Inwiefern spielt der Holocaust bei dieser Reise eine Rolle?
Möller: Der Holocaust spielt eine wichtige Rolle, aber nicht in Form von Rückblenden in die Vergangenheit, was man erwarten würde. Es geht zentral um die Frage: Wie erinnern wir uns? Nicht nur bei Regina, sondern auch bei Mika als Vertreterin der Enkelgeneration. Sie lernt einen jungen Polen kennen, der sich sein Geld mit Stadtführungen durch Ghetto verdient. Sieht Erinnerungstourismus: Re-Enactment auf der Straße: Nazis verfrachten Juden auf LKWs, was teilweise auf wirklichen Ereignissen basiert. Ist es legitim, auf diese Art und Weise die Geschichte in die Gegenwart zu holen, die zu einem grausigen Spektakel zu machen? Wer darf das tun? Wem gehört die Erinnerung? Das sind Fragen, die der Comic stellt. Das Tolle daran ist, dass er das nicht auf eine trockene, theoretische Art macht, sondern ganz en passant diese Fragen in eine spannende, vielschichtige Geschichte einstreut.
Fischer:" Jetzt haben wir über Inhalte geredet. Wie ist diese Graphic Novel denn gezeichnet?
Möller: In einem Stil, der mit seinen klaren Linien ein bisschen an die Tintin-Comics von Hergé erinnert. Sehr elegante Zeichnungen, gleichzeitig sehr ausdrucksstark, vor allem, was die Körpersprache und die Mimik der Figuren angeht. Darüber erfährt man sehr viel über Figuren, das ist Modans Prinzip:
O-Ton Rutu Modan:
"Ich benutze nicht gern Bildunterschriften oder Denkblasen. Man weiß nicht, was die Figuren denken. Man weiß nur, was sie tun und was sie sagen. Dadurch kann ich oft eine ironische Erzählhaltung einnehmen. Denn aus der Differenz von dem, was sie sagen und ihrem Gesichtsausdruck kann man als Leser viel erkennen. Manchmal versteht man die Figuren besser als sie sich selbst. Das ist Teil des Spaßes beim Lesen – dass man schlauer ist als die Leute, über die man liest. "
Möller: Um das umzusetzen, macht sie ziemlichen Aufwand, sie arbeitet das ganze Storyboard der Geschichte mit Schauspiekern durch, um mit Mimik und Gestik zu experimentieren, arbeitet dann nach Fotos dieser Szenen.
Fischer: Das Erbe wurde überall als ein Meisterwerk gelobt. Sehen Sie das auch so?
Möller: Auf jeden Fall einer der besten Comics der letzten Jahre gegen den Trend zu historischen Comics ganz ohne Rückblenden. Sie fragt eher nach Bedeutung von Vergangenheit für Gegenwart, balanciert Berührendes mit sehr viel Humor, außerdem wirklich ein Pageturner, spannend bis zum letzten Bild .
Rutu Modan:
Das Erbe, 222 S., Carlsen Verlag, 24,90 Euro.