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Eine Integrationsministerin eckt an

Bilkay Öney (SPD) ist seit mehr als einem Jahr Integrationsministerin in Baden-Württemberg. Sie setzt sich für die Vereinfachung der doppelten Staatsbürgerschaft ein und hat einen runden Tisch zum Thema Islam ins Leben gerufen. Doch sie eckt immer wieder an - vor allem mit ihrem Gegenspieler aus der Opposition.

Von Michael Brandt |
    Seit etwas mehr als einem Jahr ist Bilkay Öney, Integrationsministerin in Baden-Württemberg. Vor kurzem sagte sie über diese Zeit:

    "Für mich war es ein gutes Jahr, weil ich alle Ideen, Konzepte und politischen Vorstellungen, die ich mir vorgenommen hatte in relativ kurzer Zeit umgesetzt habe."

    Die türkischstämmige SPD-Politikerin hat sich in diesem Jahr dafür eingesetzt, dass die Einbürgerungspraxis von Migranten in baden-württembergischen Behörden einfacher wird. Sie hat einen "runden Tisch Islam" ins Leben gerufen, sie hat sich im Bundesrat für die Vereinfachung der doppelten Staatsbürgerschaft eingesetzt. Erst kürzlich hat sie eine Einbürgerungskampagne gestartet. Und das, obwohl ihr Ministerium klein ist und der Etat ebenfalls.

    "Die Projekte wurden gut angenommen. Insofern denke ich, war es auch für die Migranten ein gutes Jahr."

    Das sieht Bernhard Lasotta ganz anders. Er ist der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion und sagt, dass ihm das Thema Integration ein wirkliches Anliegen sei und Frau Öney sei dafür nicht die richtige:

    "Ich glaube, es ist wichtig, dass es seriös bearbeitet wird. Und dass man nicht - wie jetzt - mehr über die Ministerin redet, als über die eigentliche Integrationspolitik."

    Lasotta ist gelernter Arzt, sitzt seit 2006 im Landtag und ist seit Beginn dieser Legislaturperiode in seiner Partei für die Integrationspolitik zuständig. Und diese Aufgabe nimmt er ernst - und sorgt nicht zuletzt selbst dafür, dass in Baden-Württemberg mehr über die gut aussehende Ministerin als über ihre Politik gesprochen wird.

    "Ich bin in dieses Parlament gewählt worden, um die Regierung zu kontrollieren. Und deshalb muss ich als ureigenste Aufgabe sehen, was die Ministerin sagt und was sie tut."

    In wenig mehr als einem Jahr hat er über 60 parlamentarischen Anfragen an das Integrationsministerium gestellt. Beobachter attestieren Lasotta ein gewisses Jagdfieber. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel etwa formuliert es so:

    "Ob der Herr Lasotta ein persönliches Problem hat, kann ich noch nicht einschätzen."

    Sicher ist jedenfalls, dass die Opposition zu der Auffassung gekommen ist, dass Ministerin Öney die Achillesferse der grün-roten Regierung ist, jedenfalls verfolgt Lasotta minutiös alle Schritte der Ministerin. Das mit dem Jagdfieber weist er natürlich zurück und sagt:

    "Ich glaube, das wäre in der Politik falsch. Aber sie tappt ja von einem Fettnäpfchen ins andere. Da muss man auch gar nicht viel machen."

    Tatsächlich ist das Auftreten der Ministerin in der Öffentlichkeit nicht immer glücklich. Nach einem Gespräch mit einem Journalisten der "Welt am Sonntag" versäumte sie es, private Aussagen - wie sonst üblich - als sogenannten Hintergrund einzuordnen, Aussagen also, die dem Journalisten helfen sollen, sich ein Bild zu machen, die aber so nicht zitiert werden dürfen. Das Ergebnis war, dass in der Zeitung plötzlich wenig ministrable Formulierungen von Frau Öney über ihre Jugend in Berlin zu lesen waren.

    Auf der Suche nach weiteren Verfehlungen verfolgt Lasotta also alle öffentlich wahrnehmbaren Schritte der Ministerin. Und zwar nicht nur in deutschsprachigen Medien, sondern auch in türkischen. Dabei ist er vor einigen Tagen tatsächlich fündig geworden. In der Onlineausgabe der türkischsprachigen Zeitung "Hürriyet". Bei einer Veranstaltung hatte die Ministerin den türkischen Begriff "tiefer Staat" gebraucht. Der bezeichnet die vermutete Zusammenarbeit von staatlichen Institutionen mit organisiertem Verbrechen in der Türkei. Mit Blick auf die Tatsache, dass die Morde der NSU in Deutschland über Jahre nicht aufgeklärt wurden, hatte Öney der Aussage nicht widersprochen, dass es auch in Deutschland einen "tiefen Staat" gebe:

    "Der Vorgang hat uns natürlich schockiert. Vollkommen klar. Weil diese Aussage, egal aus welcher Motivation heraus sie getroffen wurde, ob aus Gedankenlosigkeit oder als Übernahme eines Sprachgebrauchs, beim türkischstämmigen Publikum einfach bestimmte Assoziationen provoziert. Und das geht einfach nicht."

    Ministerin Öney musste die Aussage klarstellen und sich öffentlich entschuldigen:

    "Ich habe bedauert, dass ich diesen Begriff aufgegriffen habe. Ich habe das sehr bedauert. Und ich glaube, ich habe mich entschuldigt dafür."

    Aber nachdem eine weitere möglicherweise verfänglichen Aussage über die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und NSU der Ministerin öffentlich geworden war, forderten sowohl CDU als auch FDP den Rücktritt der Ministerin, den die Koalition - hier Claus Schmiedel - allerdings empört zurückwies.

    "Die Rücktrittsforderungen sind maßlos überzogen. Sie sind Teil einer Kampagne, die schon länger anhält."

    Kampagne oder nicht - jedenfalls war die Auseinandersetzung um den "tiefen Staat" ein Erfolg für Bernhard Lasotta, dessen Rolle jetzt sehr unterschiedlich bewertet wird. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nennt seine akribische Arbeit aus Sicht der Opposition verdienstvoll:

    "Denn es hat dazu geführt, dass sie Ministerin sich entschuldigen musste, und es hat dazu geführt, dass der Ministerpräsident seine Ministerin gerügt hat. Und wenn ein Oppositionspolitiker so etwas aufdeckt, ist das mit Sicherheit Teil seiner Aufgabe und verdienstvoll."

    SPD-Mann Claus Schmiedel hingegen wirft Lasotta vor, dass er mit antitürkischen Ressentiments Politik mache und so mit dem Feuer spiele:

    "Man unterstellt, man kann Einwanderern nicht trauen, man kann Leuten, die sich um Integration bemühen, nicht trauen."

    Fakt bleibt nach dieser Episode aber, dass die Geschichte von der türkischstämmigen Integrationsministerin und ihrem Gegenspieler aus der CDU weitergeht. In der gestrigen Sitzung des Integrationsausschusses stammten einmal wieder fünf von sechs Anträgen von Lasotta und er wird wohl auch in Zukunft nicht ruhen auf seiner Suche nach Fettnäpfchen, in die die Ministerin tritt.