"Hier kannst Du grün oder weiß oder schwarz sein, Türke oder Italiener oder Peruaner, Australier oder Grönländer, fällst aber trotzdem nicht weiter auf. Hier gibt's Punks aus Polen, die zum Geldverdienen an den Ampeln Autoscheiben putzen, Frauen in Absatzschuhen und Kopftuch als Sprechstundenhilfe in Arztpraxen, gut gekleidete Geschäftsleute in schicken Restaurants und Alkies mit geschwollenen, roten Gesichtern, die an der Ecke auf der Bank sitzen und saufen. Auch Arbeiter, Künstler, Studenten, Inlineskater, Rentner, aber fast keine Skinheads. "
Leo schildert Henny seinen Schulalltag an einer Gesamtschule. Und da sind wir gleich mittendrin im deutschen Schulalltag, wie er in einem politisch korrekten Jugendbuch geschildert wird: Ein streng katholischer polnischer Junge prügelt sich mit seinem türkischen Mitschüler. Ein Mädchen wird von einem gewalttätigen Jungen, der in einer lieblosen Pflegfamilie aufwächst, brutal an die Wand gepresst. Er reißt ihr den Rock hoch. Die anderen Schüler schauen schweigend zu. Bis einer eingreift: Felix.
Felix ist Leos Freund, der immer merkwürdiger wird. Still, verschlossen. Hat er etwas ausgefressen? Trennen sich seine Eltern? Ist er unglücklich verliebt?
Leo schreibt Henny, dass Felix ohnehin Schwierigkeiten habe.
"Felix hat schwarze Haut. Für manche Leute heißt das, dass er nicht dazugehört, obwohl er genau wie ich hier geboren wurde. Auch seine Mutter (ebenfalls schwarz) ist in Deutschland aufgewachsen. Es gibt Gegenden bei uns, da werden Leute mit schwarzer Hautfarbe angegriffen - beschimpft, bespuckt geschlagen. Es sind auch schon welche gestorben nach solchen Angriffen. Das muss man wirklich Ernst nehmen. In bestimmte Bezirke kann er einfach nicht gehen. Zum Kotzen ist das."
Und das ist das Thema des Romans: Fremdenfeindlichkeit. Denn nicht überall ist es wie in Multi Kulti Kreuzberg. Auf beiden Kontinenten spitzt sich die Situation zu. Felix' Mutter kommt in Abschiebehaft. Felix muss untertauchen. Leo hilft ihm, versteckt ihn in der Wohnung des Onkels, der auf Reisen ist, dann in einem staubigen Keller. Auf der anderen Seite der Welt wird Henny ebenfalls tatkräftig. Sie fährt zum Ferienort zurück und befragt die Nachfahren der Nachbarn der Schmidts.
Sie trifft zuerst auf eisiges Schweigen, als sie in dem kleinen australischen Ferienort nach der deutschen
Familie fragt. Man begegnet ihr mit offener Feindschaft. Sie wird sogar tätlich angegriffen, Hunde werden auf sie gehetzt. Sie lässt nicht locker. Sie findet deutsche Briefe, die sie sich von Leo übersetzten lässt. Sie erfährt, dass Mitglieder der Familie Schmidt im ersten Weltkrieg für Spione gehalten wurde. Dass Nachbarn sie attackiert, misshandelt, schließlich verjagt haben, dass sie sich den Grund und Boden der Familie Schmidt widerrechtlich angeeignet haben. Dass die ganze Familie später bei einem Brandanschlag ums Leben gekommen ist - nur ein kleiner Junge überlebte.
Henny fragt sich:
"Ich weiß, das ist vor langer Zeit passiert und die Welt hat sich seitdem verändert. Viele Jahre sind seitdem vergangen, aber trotzdem - das war so grausam. Warum?
Es ist noch nicht lange her, da haben in einem Dorf, ungefähr hundert Kilometer nördlich von Berlin, drei Jugendliche einen 16-jährigen totgeschlagen. Weil der rot gefärbte Haare und einen Ohrring hatte und bei den Linken war (die Neonazis sagen zu ihnen "Zecken"). Seine Leiche haben sie in die Jauchegruppe geworfen."
antwortet Leo. Brav parallel ist der Roman konstruiert.
Dabei hat es doch Charme, dass eine Australierin und eine deutsche Autorin gemeinsam ein Buch schreiben, das auf beiden Kontinenten spielt.
Die beiden Geschichten der Familie Schmidt in Australien und des Jungen Felix in Berlin wären genug gewesen für einen Roman, sie sind packend und spannend geschrieben.
Aber Heike Brandt und Elisabeth Honey wollen mehr. Sie lassen die Kinder pausenlos über die Unbill der Welt philosophieren. Dass Kinder und Jugendliche ge - und betroffen sind davon, wie viel Unrecht Menschen einander antun können, dass Leo es nicht erträgt, wenn ein Freund, der doch genau wie er in Deutschland geboren ist, abgeschoben werden soll in ein ihm völlig fremdes Land, dass Henny darunter leidet, wenn sie liest, was gute australische Bürger ihren immigrierten deutschen Nachbarn angetan haben, könnte ergreifend geschildert werden. Aber Brandt/Honey schreiben betulich und didaktisch, in einer Sprache, wie sie so von Jugendlichen gewiss nicht gesprochen und in Mails geschrieben wird. So schreiben Erwachsene. Da wirkt vieles hausbacken, angestrengt, besserwisserisch. Wenn etwa Leo über Wehrpflicht schreibt, klingt das ebenso naseweis wie Hennys kurze Abhandlung über Einwanderer in Australien.
Aber Honey/ Brandts Roman fehlt nicht nur der Pep der Jugendsprache. Er ist völlig frei von Humor. Zudem lassen sie kein Thema aus: schwer erziehbare Pflegekinder, Arbeitslose, Mordanschläge auf Punks, abgeschobene Migranten, ausgebrannte Lehrer. Sie überfrachten ihren Roman. Die gute Idee, dass zwei Kinder in zwei weit voneinander liegenden Kontinenten mit demselben Problem konfrontiert werden, nämlich der Fremdenfeindlichkeit und wie damit umzugehen ist, wird überstrapaziert.
Und natürlich geht alles gut aus. Die finsteren Nachbarn in Australien sehen die Fehler ihrer Vorfahren ein und beginnen endlich zu sprechen. Und Felix und seine Mutter dürfen in Berlin bleiben.
Leo schildert Henny seinen Schulalltag an einer Gesamtschule. Und da sind wir gleich mittendrin im deutschen Schulalltag, wie er in einem politisch korrekten Jugendbuch geschildert wird: Ein streng katholischer polnischer Junge prügelt sich mit seinem türkischen Mitschüler. Ein Mädchen wird von einem gewalttätigen Jungen, der in einer lieblosen Pflegfamilie aufwächst, brutal an die Wand gepresst. Er reißt ihr den Rock hoch. Die anderen Schüler schauen schweigend zu. Bis einer eingreift: Felix.
Felix ist Leos Freund, der immer merkwürdiger wird. Still, verschlossen. Hat er etwas ausgefressen? Trennen sich seine Eltern? Ist er unglücklich verliebt?
Leo schreibt Henny, dass Felix ohnehin Schwierigkeiten habe.
"Felix hat schwarze Haut. Für manche Leute heißt das, dass er nicht dazugehört, obwohl er genau wie ich hier geboren wurde. Auch seine Mutter (ebenfalls schwarz) ist in Deutschland aufgewachsen. Es gibt Gegenden bei uns, da werden Leute mit schwarzer Hautfarbe angegriffen - beschimpft, bespuckt geschlagen. Es sind auch schon welche gestorben nach solchen Angriffen. Das muss man wirklich Ernst nehmen. In bestimmte Bezirke kann er einfach nicht gehen. Zum Kotzen ist das."
Und das ist das Thema des Romans: Fremdenfeindlichkeit. Denn nicht überall ist es wie in Multi Kulti Kreuzberg. Auf beiden Kontinenten spitzt sich die Situation zu. Felix' Mutter kommt in Abschiebehaft. Felix muss untertauchen. Leo hilft ihm, versteckt ihn in der Wohnung des Onkels, der auf Reisen ist, dann in einem staubigen Keller. Auf der anderen Seite der Welt wird Henny ebenfalls tatkräftig. Sie fährt zum Ferienort zurück und befragt die Nachfahren der Nachbarn der Schmidts.
Sie trifft zuerst auf eisiges Schweigen, als sie in dem kleinen australischen Ferienort nach der deutschen
Familie fragt. Man begegnet ihr mit offener Feindschaft. Sie wird sogar tätlich angegriffen, Hunde werden auf sie gehetzt. Sie lässt nicht locker. Sie findet deutsche Briefe, die sie sich von Leo übersetzten lässt. Sie erfährt, dass Mitglieder der Familie Schmidt im ersten Weltkrieg für Spione gehalten wurde. Dass Nachbarn sie attackiert, misshandelt, schließlich verjagt haben, dass sie sich den Grund und Boden der Familie Schmidt widerrechtlich angeeignet haben. Dass die ganze Familie später bei einem Brandanschlag ums Leben gekommen ist - nur ein kleiner Junge überlebte.
Henny fragt sich:
"Ich weiß, das ist vor langer Zeit passiert und die Welt hat sich seitdem verändert. Viele Jahre sind seitdem vergangen, aber trotzdem - das war so grausam. Warum?
Es ist noch nicht lange her, da haben in einem Dorf, ungefähr hundert Kilometer nördlich von Berlin, drei Jugendliche einen 16-jährigen totgeschlagen. Weil der rot gefärbte Haare und einen Ohrring hatte und bei den Linken war (die Neonazis sagen zu ihnen "Zecken"). Seine Leiche haben sie in die Jauchegruppe geworfen."
antwortet Leo. Brav parallel ist der Roman konstruiert.
Dabei hat es doch Charme, dass eine Australierin und eine deutsche Autorin gemeinsam ein Buch schreiben, das auf beiden Kontinenten spielt.
Die beiden Geschichten der Familie Schmidt in Australien und des Jungen Felix in Berlin wären genug gewesen für einen Roman, sie sind packend und spannend geschrieben.
Aber Heike Brandt und Elisabeth Honey wollen mehr. Sie lassen die Kinder pausenlos über die Unbill der Welt philosophieren. Dass Kinder und Jugendliche ge - und betroffen sind davon, wie viel Unrecht Menschen einander antun können, dass Leo es nicht erträgt, wenn ein Freund, der doch genau wie er in Deutschland geboren ist, abgeschoben werden soll in ein ihm völlig fremdes Land, dass Henny darunter leidet, wenn sie liest, was gute australische Bürger ihren immigrierten deutschen Nachbarn angetan haben, könnte ergreifend geschildert werden. Aber Brandt/Honey schreiben betulich und didaktisch, in einer Sprache, wie sie so von Jugendlichen gewiss nicht gesprochen und in Mails geschrieben wird. So schreiben Erwachsene. Da wirkt vieles hausbacken, angestrengt, besserwisserisch. Wenn etwa Leo über Wehrpflicht schreibt, klingt das ebenso naseweis wie Hennys kurze Abhandlung über Einwanderer in Australien.
Aber Honey/ Brandts Roman fehlt nicht nur der Pep der Jugendsprache. Er ist völlig frei von Humor. Zudem lassen sie kein Thema aus: schwer erziehbare Pflegekinder, Arbeitslose, Mordanschläge auf Punks, abgeschobene Migranten, ausgebrannte Lehrer. Sie überfrachten ihren Roman. Die gute Idee, dass zwei Kinder in zwei weit voneinander liegenden Kontinenten mit demselben Problem konfrontiert werden, nämlich der Fremdenfeindlichkeit und wie damit umzugehen ist, wird überstrapaziert.
Und natürlich geht alles gut aus. Die finsteren Nachbarn in Australien sehen die Fehler ihrer Vorfahren ein und beginnen endlich zu sprechen. Und Felix und seine Mutter dürfen in Berlin bleiben.