Beatrix Novy: "Tür an Tür", so heißt also die Ausstellung, die heute Abend im Berliner Martin Gropius-Bau eröffnet wird, mit großem Bahnhof, mit Bundespräsident und dem polnischen Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski. Es ist die erste oder eine erste Ausstellung über die 1000jährigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Diese engen Beziehungen werden anhand von 800 Kunstwerken illustriert, klingt ein bisschen erschlagend.
Carsten Probst in Berlin, vor dem Hintergrund der so lange und gar nicht erst in der Nachkriegszeit, aber seitdem besonders vergifteten Beziehungen, vor dem Streit um die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung und so weiter, liegt das alles als Schatten über dieser Ausstellung?
Carsten Probst: Ja. Auf diesen letzten Teil der Ausstellung, in dem es um die Geschichte während und nach dem Zweiten Weltkrieg geht, richtet sich naturgemäß erst einmal die meiste Aufmerksamkeit, hatte ich auch jetzt den Eindruck, und man kann aus Sicht beispielsweise der Vertriebenenverbände dieser Ausstellung sicherlich vorwerfen, dass das Thema Vertreibung der Deutschen nun eher am Rand behandelt wird, eher im dokumentarischen, im erläuternden Bereich der Ausstellung und des Kataloges. Aber meiner Ansicht nach sind die Kuratoren und auch die Organisatoren, der wissenschaftliche Beirat, dieser Ausstellung, unter anderem eben auch Kuratorin Anda Rottenberg, sehr achtsam vorgegangen. Man hat wie auch in allen anderen Teilen der Ausstellung künstlerische Arbeiten sehr stark, sehr akzentuiert in den Vordergrund gestellt und dann mit historischen Erläuterungen verbunden.
So ist zum Beispiel im Kapitel neun der Ausstellung über verlorene und gewonnene Gebiete, so ist das übertitelt, eine Installation aus dem Fotoatlas von Gerhard Richter zu sehen, die sich aus Bildmaterial von Massenexekutionen aus Konzentrationslagern zum Beispiel zusammensetzt, oder eben auf der anderen Seite eine Malerei von Andrezej Wroblewski von 1949, die die Erschießung eines Jungen zeigt, um auf die Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung hinzuweisen. Also wir haben hier quasi keine direkte konfrontative Aufrechnung von historischem Recht oder Unrecht, sondern diese Ausstellung versucht eher auf künstlerischem Weg Indizien, Anhaltspunkte für die Besucher zu liefern, wie sich gewisse historische Ereignisse in der Kunst niedergeschlagen haben, oder in bedeutenden Archifakten, und das historische Hintergrundwissen wird da sozusagen mitgeliefert.
Novy: Nun geht es ja auch um Historie. Wenn es um 1000 Jahre geht, geht es ja auch um die 950 Jahre vorher. Was leistet denn diese Ausstellung, um die vielen Verflechtungen dieser unserer beiden Länder zu zeigen, greifbar zu machen?
Probst: Ja sie versucht, einerseits natürlich schon diese kulturellen Verflechtungen zu zeigen. Ein prominentes Beispiel ist etwa die Vita und das Werk von Veit Stoß, dieses berühmten Nürnberger Bildhauers, der dann nach Krakau gegangen ist im 15. Jahrhundert und dort erst sein Hauptwerk, den Marienaltar in der Marienkirche von Krakau, gelegt hat, sozusagen vollendet hat. Andererseits versucht aber diese Ausstellung auch begreifbar zu machen – und das eher zwischen den Zeilen -, wie eigentlich dieses eigene Nationalstolzgefühl zustande gekommen ist, das auch noch heute sich auf die Beziehungen auswirkt, also von der ersten Dreiteilung Polens Ende des 18. Jahrhunderts angefangen, und das wird als zweite Ebene unter die heutigen Beziehungen eigentlich immer noch recht geschickt hindurch sichtbar und fühlbar, etwa durch eine große Installation von Kunstwerken zum Nationalmythos von Tannenberg, der Schlacht von Tannenberg aus dem 19. Jahrhundert, wo das polnische Nationalgefühl, das gekränkte polnische Nationalgefühl weit vor dem Zweiten Weltkrieg schon gegen den preußischen Einfluss verteidigt werden musste.
Novy: Das heißt oder das könnte heißen, dass hier eine Kunstausstellung als Mentalitätsgeschichte durchaus funktioniert?
Probst: Das funktioniert in diesem Fall schon, weil die Kunst dafür verwendet wird, die ganz harten historischen Auseinandersetzungen ein bisschen abzurunden und eher umzuwenden in einen, ja man kann sagen, tastenden Blick, in einen tastenden Versuch zu erörtern, zu fragen, wie es der Kunst eben auch eigen ist, keine harten Thesen aufzustellen, zu fragen, was ist heute an Beziehungen eigentlich noch möglich. Und da wird diese Ausstellung in ihrer sehr elegant-behutsamen Weise eigentlich immer wieder fündig, und das hat für mich in diesem Fall auch eigentlich die innere Spannung dieser Ausstellung ausgemacht. In diesem Fall also ein gelungenes Beispiel für die Einbindung von Gegenwartskunst beispielsweise oder historischer Kunst in einen historischen geschichtlichen Erläuterungskontext.
Novy: Ein Blick auf eine Geschichte, die Deutsche und Polen gemeinsam gelebt haben. Vielen Dank, Carsten Probst. Die Ausstellung "Tür an Tür" wird nun in Berlin eröffnet, im Martin Gropius-Bau.
Carsten Probst in Berlin, vor dem Hintergrund der so lange und gar nicht erst in der Nachkriegszeit, aber seitdem besonders vergifteten Beziehungen, vor dem Streit um die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung und so weiter, liegt das alles als Schatten über dieser Ausstellung?
Carsten Probst: Ja. Auf diesen letzten Teil der Ausstellung, in dem es um die Geschichte während und nach dem Zweiten Weltkrieg geht, richtet sich naturgemäß erst einmal die meiste Aufmerksamkeit, hatte ich auch jetzt den Eindruck, und man kann aus Sicht beispielsweise der Vertriebenenverbände dieser Ausstellung sicherlich vorwerfen, dass das Thema Vertreibung der Deutschen nun eher am Rand behandelt wird, eher im dokumentarischen, im erläuternden Bereich der Ausstellung und des Kataloges. Aber meiner Ansicht nach sind die Kuratoren und auch die Organisatoren, der wissenschaftliche Beirat, dieser Ausstellung, unter anderem eben auch Kuratorin Anda Rottenberg, sehr achtsam vorgegangen. Man hat wie auch in allen anderen Teilen der Ausstellung künstlerische Arbeiten sehr stark, sehr akzentuiert in den Vordergrund gestellt und dann mit historischen Erläuterungen verbunden.
So ist zum Beispiel im Kapitel neun der Ausstellung über verlorene und gewonnene Gebiete, so ist das übertitelt, eine Installation aus dem Fotoatlas von Gerhard Richter zu sehen, die sich aus Bildmaterial von Massenexekutionen aus Konzentrationslagern zum Beispiel zusammensetzt, oder eben auf der anderen Seite eine Malerei von Andrezej Wroblewski von 1949, die die Erschießung eines Jungen zeigt, um auf die Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung hinzuweisen. Also wir haben hier quasi keine direkte konfrontative Aufrechnung von historischem Recht oder Unrecht, sondern diese Ausstellung versucht eher auf künstlerischem Weg Indizien, Anhaltspunkte für die Besucher zu liefern, wie sich gewisse historische Ereignisse in der Kunst niedergeschlagen haben, oder in bedeutenden Archifakten, und das historische Hintergrundwissen wird da sozusagen mitgeliefert.
Novy: Nun geht es ja auch um Historie. Wenn es um 1000 Jahre geht, geht es ja auch um die 950 Jahre vorher. Was leistet denn diese Ausstellung, um die vielen Verflechtungen dieser unserer beiden Länder zu zeigen, greifbar zu machen?
Probst: Ja sie versucht, einerseits natürlich schon diese kulturellen Verflechtungen zu zeigen. Ein prominentes Beispiel ist etwa die Vita und das Werk von Veit Stoß, dieses berühmten Nürnberger Bildhauers, der dann nach Krakau gegangen ist im 15. Jahrhundert und dort erst sein Hauptwerk, den Marienaltar in der Marienkirche von Krakau, gelegt hat, sozusagen vollendet hat. Andererseits versucht aber diese Ausstellung auch begreifbar zu machen – und das eher zwischen den Zeilen -, wie eigentlich dieses eigene Nationalstolzgefühl zustande gekommen ist, das auch noch heute sich auf die Beziehungen auswirkt, also von der ersten Dreiteilung Polens Ende des 18. Jahrhunderts angefangen, und das wird als zweite Ebene unter die heutigen Beziehungen eigentlich immer noch recht geschickt hindurch sichtbar und fühlbar, etwa durch eine große Installation von Kunstwerken zum Nationalmythos von Tannenberg, der Schlacht von Tannenberg aus dem 19. Jahrhundert, wo das polnische Nationalgefühl, das gekränkte polnische Nationalgefühl weit vor dem Zweiten Weltkrieg schon gegen den preußischen Einfluss verteidigt werden musste.
Novy: Das heißt oder das könnte heißen, dass hier eine Kunstausstellung als Mentalitätsgeschichte durchaus funktioniert?
Probst: Das funktioniert in diesem Fall schon, weil die Kunst dafür verwendet wird, die ganz harten historischen Auseinandersetzungen ein bisschen abzurunden und eher umzuwenden in einen, ja man kann sagen, tastenden Blick, in einen tastenden Versuch zu erörtern, zu fragen, wie es der Kunst eben auch eigen ist, keine harten Thesen aufzustellen, zu fragen, was ist heute an Beziehungen eigentlich noch möglich. Und da wird diese Ausstellung in ihrer sehr elegant-behutsamen Weise eigentlich immer wieder fündig, und das hat für mich in diesem Fall auch eigentlich die innere Spannung dieser Ausstellung ausgemacht. In diesem Fall also ein gelungenes Beispiel für die Einbindung von Gegenwartskunst beispielsweise oder historischer Kunst in einen historischen geschichtlichen Erläuterungskontext.
Novy: Ein Blick auf eine Geschichte, die Deutsche und Polen gemeinsam gelebt haben. Vielen Dank, Carsten Probst. Die Ausstellung "Tür an Tür" wird nun in Berlin eröffnet, im Martin Gropius-Bau.