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Eine Lange Nacht über Österreich, Schweiz und Deutschland
Verfreundete Nachbarn

Die Schweiz und Österreich sind für Deutsche beliebte Urlaubsländer, die Grenzen zwischen den Nachbarländern sind nicht erst seit dem Schengenabkommen durchlässig, seit langer Zeit arbeiten, studieren, heiraten, wohnen Angehörige der jeweiligen Nationalitäten im Nachbarland.

Von Jochen Rack | 26.09.2015
    Lindau am Bodensee liegt am östlichen Ufer des Bodensees im Dreiländereck Deutschland-Österreich-Schweiz.
    Lindau am Bodensee liegt am östlichen Ufer des Bodensees im Dreiländereck Deutschland-Österreich-Schweiz. (picture-alliance / dpa / Matthias Schrader)
    Doch neuerdings scheint es, als würden die Differenzen von nationalspezifischer Mentalität und Lebensart intensiver erlebt und bewusster gepflegt als früher. Man spricht die deutsche Sprache, aber das Deutsche klingt in Österreich und der Schweiz anders als in Deutschland und die Vorurteile und Klischees, die sich über den jeweiligen anderen im Umlauf befinden, haben Konjunktur. Sind es die politischen und ökonomischen Auswirkungen der deutschen Wiedervereinigung und der Globalisierung, die bei den kleineren deutschsprachigen Nachbarn ein neues Bedürfnis nach kultureller und politischer Abgrenzung zur Folge haben?
    In der Schweiz jedenfalls gibt es eine verstärkte Hinwendung zum Schwyzerdütsch. Deutsche in Spitzenpositionen der Wirtschaft oder der Universitäten werden kritisch gesehen, und die "Ausschaffungs-initiativegesetz" indiziert Fremdenangst sowie das Erstarken patriotischer Gefühle und nationalistischer Politik. In Österreich erfreut man sich am "Deutschen-Bashing", es grassiert das Ressentiment vom rechthaberischen, humorlosen Piefke, der den Einheimischen die Studienplätze wegnimmt, während die Deutschen sich gegenüber ihren deutschsprachigen Nachbarn indifferent bis herablassend verhalten, ihnen wachsenden Provinzialismus und das Erstarken ausländerfeindlicher Parteien vorwerfen.
    Woher rühren die gegenseitigen Abgrenzungsbedürfnisse? Gibt es einen deutschen, österreichischen und Schweizer Nationalcharakter? Was ist dran den Stereotypen über den jeweiligen Nachbarn? Welche historischen Gemeinsamkeiten gibt es eigentlich noch zwischen diesen drei Ländern?
    (Wdh. vom 26./27.5.2012)

    Manuskriptauszüge aus der ersten Stunde der Langen Nacht
    Morais: "Die Deutschen waren noch nie geliebt von den Schweizern, da hat immer so eine Hassliebe bestanden. Ich habe auch schon gehört: Meine Wohnung vermiete ich nicht an Deutsche."
    Weichert: "Ich habe jetzt einen Österreicher kennengelernt, der hat mir erzählt, Verwandte haben sich von ihm abgewendet, weil er eine Deutsche geheiratet hat."
    Neckel: "Das merken die Österreicher, dass sie von den Deutschen nicht für voll genommen werden. Und dafür gibt es auch Begriffe: Den Ösi, das existiert auf der einen Seite, wie auf der andern Seite der Piefke."
    Reihl: "Ich selber habe auch Drohbriefe bekommen, 289, da stand drin: Sagen sie ihren Landsleuten, dass sie unangenehme Zeitgenossen sind und zuhause bleiben sollen und am besten die Schweiz verlassen."
    Küng: "Die Boulevardpresse "Blick" hat dann mal den Titel gesetzt: Wie viel Deutsche verträgt die Schweiz?"
    Schmale: "Das Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland ist schon ein spezielles, da gibt es viele Begriffe: verfeindete Freunde oder befreundete Feinde."
    Scheuba: "Das hat auch ganz banal damit zu tun: kleiner und großer Bruder. Der Österreicher will auf keinen Fall mit dem Deutschen verwechselt werden, das ist wichtig für sein Selbstwertgefühl."
    Viele Schweizer fühlten sich überfremdet, erklärt der deutsche Unternehmer Bruno Reihl, der seit über 20 Jahren in der Schweiz lebt und ein Handbuch für Deutsche in der Schweiz geschrieben hat.
    Reihl: "Beispiel Ärzte und Krankenschwestern: Früher waren die Krankenschwestern alle aus Portugal oder Südostasien, heute sind das Deutsche, deutsche Krankenschwestern und Ärzte. Die Krankenhäuser sind in der Hand von deutschen Teams. Das fällt den Parteien und der SVP negativ auf, die klagen dann: Ich kann nicht einmal, wenn ich krank bin oder im Streben liege, mich in meinem Dialekt verständigen."
    Bruno Reihl: "Der feine Unterschied. Ein Handbuch für Deutsche in der Schweiz", Midas Management Verlag: Mit "Grüzzi, ich krieg ein Bier!" holt man definitiv keine Sympathiepunkte und dieses Buch soll helfen, nicht bloß sprachlich ein Sensorium für die Unterschiede zu entwickeln. Selber vor rund 30 Jahren eingewandert, schöpft der Autor aus seiner persönlichen Erfahrung und bietet konkrete Hilfestellungen und nützliche Informationen zu 18 klar definierten Themenbereichen. Ein ebenso informativer wie unterhaltsamer Ratgeber für alle Lebenslagen und nicht nur für Deutsche!"
    Julia Morais: Die Schweizer sind ja im Vergleich mit den Deutschen weniger offen. Wie kommt man an einen Schweizer ran? Die Leute reden nicht miteinander, jeder hat eine große Sozialdistanz. Das ist schwierig für Deutsche. In Deutschland redet man miteinander. Solche Dinge erklären wir den Leuten. Und die sprachlichen Fehlläufe oder wie man sich mitverstehen kann. Was man ihnen mitgibt, dass man sich ein wenig zurücknehmen muss, nicht die Klingelrunde machen und zum Bier einladen, wenn man eingezogen ist, sonst fühlen sich Schweizer total überrumpelt."
    Julia Morais, bis Juni 2015 die Integrationsbeauftragte des Kantons Zürich.
    Der Kabarettist Emil Steinberger, der in dem Film "Die Schweizermacher" aus dem Jahr 1978 einen Kantonspolizisten spielt, der einbürgerungswillige Ausländer überwachen soll, hat das Bild des Schweizers in Deutschland wesentlich geprägt. Es ist noch immer dieses Stereotyp des harmlosen Simple Minds, die Verniedlichung des Landes zum Heidi-Klischee, unter dem die Schweizer bis heute leiden und gegen das sich zum Beispiel der Züricher Autor Thomas Küng zur Wehr setzt, der eine "Gebrauchsanweisung für die Schweiz" geschrieben hat.
    Küng: "Die Tatsache, dass wir langsamer sprechen und etwas ungelenker, heißt noch nicht, dass wir doof sind. Mich stört ein bisschen das Emil-Image, das die Schweiz in Deutschland hat. Daraus leitet man ab, dass wir naiv sind. Dass die Schweiz aber ein Hochtechnologieland ist, das sich mit allen anderen Ländern messen kann, wird vergessen."
    Thomas Küng: "Gebrauchsanweisung für die Schweiz", unter Mitarbeit von Peter Schneider, 2010 Piper: "Toblerone und Taschenmesser, Banken und Rütlifeiern, Sprachenvielfalt und der Wunsch nach Einheit. Der höchste Berg Europas und der Gipfel an Lebensqualität. Eine humorvolle Einführung in die Schweizer Seele für Einheimische, Wahlshweizer und Besucher. Hier ist alles ein bisschen schöner die Seen, Berge und Städte, die Menschen, die Läden und die Kleider: in der Schweiz, dem viersprachigen Alpenland zwischen Kunst, Käse und Kanton, Idylle und Industrienation. Thomas Küng kennt nicht nur die Schokoladenseiten seiner Heimat, die weltberühmt ist für ihre Präzisionsprodukte. Mit Wortwitz und Ironie schreibt er über Mentalitäten, Geschäftsusancen und die Rivalität der Städte, nimmt uns mit nach Zürich, Luzern und Genf, zur Basler Fasnacht und in die Hauptstadt Bern, wo 1954 für Deutschland ein Wunder geschah. Er verrät, warum kein Schweizer Müsli isst und wie Sie sich in all dem Chrüsimüsi zurechtfinden. Und dass tschute und Fußballspielen ein und dasselbe sind."
    Integration zu erleichtern ist auch das Ziel der sogenannten Piefke-Connection, ein Stammtisch von Deutschen in Wien, den der deutsche Marketingwirt Jockel Weichert gegründet hat.
    Jockel Weichert: "Die Piefke-Connection gibt es hauptsächlich deshalb, weil ich schon ein paar Jahre in Österreich lebe und einige internationale Fußballturniere miterleben musste, 2002 die EM. Und in die Not kam, nirgends hingehen zu können, um Fußball zu schauen, weil man als Deutscher schief angeschaut wurde, wenn man sich für sein Team freut. Und es schwierig ist, wenn Österreicher drumrum stehen. Darum habe ich 2008 gedacht vor der EM, ich gründe eine Gruppe und trommle Deutsche zusammen, die Fußballsspiele schauen der deutschen Nationalmannschaft. Soll weder was mit Abgrenzung zu tun haben, mit Nationalismus oder Deutschtümelei, das hat da nichts zu suchen. Der Name Piefke-Connection sagt es schon, dass es eine Spaßgesellschaft ist, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt."
    "Die Piefke Connection Austria ist eine Gruppe von Piefkes (Deutsche) für Piefkes (Deutsche), die in Österreich leben, arbeiten oder studieren. Daher werden auch leider nur waschechte Deutsche (ja - auch Bayern! ;-)) aufgenommen, sorry liebe österreichischen Freundinnen und Freunde."
    Wolfgang Schmale ist Professor für neuere Geschichte an der Universität Wien und kennt das Problem überfüllter Hörsäle aus eigener Erfahrung.
    Schmale: "Wir haben das Problem mit Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Schweiz, drei Länder, ein sehr großes und zwei kleine mit derselben Sprache. Und für diese Sonderkonstellation hat es in der EU keine Vorsorge gegeben, sondern man hat diese Länder mit der Bolognareform in das Problem hineinlaufen lassen. Jetzt gibt es die politische Rhetorik. Der Anteil deutscher Studenten in Österreich beträgt 17 Prozent, das ist der größte Ausländeranteil. Das ist schon eine Größenordnung, die ein kleines Land nicht mehr ignorieren kann."
    Links: https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Schmale und http://www.univie.ac.at/Geschichte/htdocs/site/arti.php/90194
    Der Tourismus ist immer noch eine wichtige Einnahmequelle Österreichs. Die touristischen Orte und Landschaften waren lange Zeit der Hauptschauplatz für die Begegnung von Deutschen und Österreichern. Die Rollen waren klar verteilt: Der Deutsche als zahlender Gast wurde vom Österreicher umworben und bewirtet. Mittlerweile aber hat sich dieses Verhältnis verändert, sagt der Theaterautor Florian Scheuba, der in seinem Erfolgsstück mit dem sprechenden Titel "Cordoba" die gegenseitigen Klischees komödiantisch verarbeitet hat.
    Scheuba: "Früher war das Verhältnis der Österreicher der Tourismusschani. Und der Deutsche war der Gast. Mittlerweile hat sich die Fallhöhe verlegt, weil auf einmal die Tschuschen, wie man in Wien zu den Gastarbeitern sagt, sind auf einmal die Deutschen, und der Österreicher ist mit Neuem konfrontiert: Wie geht er damit um, dass der Deutsche nicht der Gast ist, dem man ins Gesicht unterwürfig ist, hinterm Rücken hinterfotzig. Sondern wie geht man damit um, dass auf einmal die Drecksarbeit vom Deutschen gemacht wird."
    In Scheubas Kabarettstück wird auch das Problem aufgespießt, dass in den letzten Jahren eine große Zahl deutscher Studenten an die österreichischen Universitäten kam, vor allem in grenznahe Städte wie Salzburg und Innsbruck, aber auch nach Wien, wo es deshalb zu Auseinandersetzungen zwischen den Nationalitäten kam.
    Link: http://florianscheuba.at/
    Florian Scheuba und Rupert Henning: "Cordoba. Das Rückspiel", Illustration Gerhard Haderer, 2010 Ueberreuter: "Stellen Sie sich einen Laden für deutsche kulinarische Spezialitäten vor, in dem es sächsischen Kohlklump gibt und Schnudendunker und Tote Oma. Und das mitten in Österreich, wo an den Plakatsäulen und Hauswänden allerorts Sprüche wie "Frankfurter ja, Schweinfurter nein!" auftauchen und man die Piefkes wie die Ladenbetreiberfamilie Moelke inzwischen ziemlich satt hat, denn die Deutschen sind mittlerweile bei den Neuzuwanderern an erster Stelle. Aber Tomaten heißen in der Alpenrepublik immer noch Paradeiser, auch wenn im Salat letztlich alle gleich sind. Wenn der große und der kleine Bruder deutscher Sprache aufeinandertreffen, dann ist das eben immer ein Match. Wie damals. 1978. In Cordoba. Ein Kampf der Kulturen, bei der beide Seiten gnadenlos ihr Fett abkriegen, humoristisch zugespitzt und satirisch auf den Punkt gebracht vom Autorenduo Rupert Henning und Florian Scheuba und dem Karikaturisten Gerhard Haderer."
    Manuskriptauszug aus der zweiten Stunde der Langen Nacht
    In der ersten Stunde der Langen Nacht über Österreicher, Schweizer und Deutsche ging es um die vielfältigen Anlässe und sozialpsychologischen Hintergründe gegenseitiger Ressentiments und Vorurteile. Es ging um nationale Empfindlichkeiten und den Narzissmus der kleinen Differenzen zwischen Nachbarländern, die kulturell, sprachlich und historisch viel miteinander verbindet und die manches trennt, das Menschen zur Selbstdefinition ihrer nationalen Mentalität und Lebensart verhilft. Österreicher, Schweizer und Deutsche sind "verfreundete Nachbarn" – wie eine Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte der Bundesrepublik 2005 benannt war. Um die komplizierten Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Schweizern und Deutschen soll es in der zweiten Stunde der Langen Nacht gehen, in der Schweizer und Deutsche ausführlich von ihren persönlichen Erfahrungen und Eindrücken erzählen. Wie erleben Deutsche die Schweiz und die Schweizer? Was denken Schweizer über die Deutschen?
    Reihl: "Das ist, was die Schweizer über die Deutschen denken: Ein Schweizer kommt ins Restaurant, setzt sich an den Tisch, bestellt sich eine Suppe, dann nimmt er den ersten Bissen dieser Suppe und stellt fest: kein Salz dran. Dann holt er sich den Salzstreuer, stellt er fest: kommt nix raus. Dann isst er eben die Suppe so. Dann kommt der zweite rein, bestellt sich auch die Suppe, merkt keine Salz drin, holt sich den Salzstreuer vom Nachbartisch, kommt kein Salz raus, isst er die Suppe so. Dann kommt ein Deutscher rein, bestellt sich auch ne Suppe, stellt sofort fest: Kein Salz, holt sich den Salzstreuer, kommt nix raus, Zahnstocher, tacker, tacker, tacker, Salz in die Suppe. Sagt der eine Schweizer zum andern: Ich ka die Deutsche sonst ne verliede, aber eins müss man ihnen lo, technisch sinds uns hushöh überlegen."
    Der Witz, den der in der Schweiz lebende deutsche Unternehmer Bruno Reihl erzählt, demonstriert gut Klischees und Vorurteile, die über Schweizer und Deutsche im Umlauf sind. Im besten Fall macht man sich mit einem Schuss Selbstironie lustig über die nationalspezifischen Differenzen. Lachen stimmt versöhnlich. Der Züricher Journalist Bruno Ziauddin zeichnet in seinem Buch "Grüezi Gummihälse" eine satirische Typologie der Deutschen in der Schweiz, unterscheidet zwischen den "Ach-wie-niedlich-hier-alles-ist-Deutschen", den "Ruckzuck-Zackzack-Preußen", den "Perwoll-" und "Dünkel-Deutschen.":
    "Dass ein Schweizer die Deutschen nicht ernst nimmt, kommt eher selten vor. Das Umgekehrte andauernd. In Köln, wo sich unser Fan-Grüppli während der letzten Fußball-WM aufhielt, reichte ein halber Satz aus unserer Mitte. Und die eben noch furchteinflößend finster dreinblickende Serviertochter begann zu grinsen, als hätte sie eine Hanfplantage weggekifft. Ein Berufskollege, der viel mit Deutschen zu schaffen hat, formuliert es so: Am schlimmsten sind Komplimente, die mit gönnerhafter Herablassung vorgebracht werden. Haustiermetaphern im Stil von "Was für einen putzigen Dialekt ihr doch sprecht". Roman sieht es ähnlich: Manche schauen dich an, als wollten sie dir gleich über den Kopf streicheln."
    Ziauddin: "Das Schweizbild in Deutschland ist viel klischierter als das Deutschbild der Schweizer. Das Schweizbild in Deutschland ist sehr gespalten. Einerseits gibt es ein negatives Klischee: diese kaltherzigen, kleinen Gnomen, die die Bankwelt beherrschen, überall diese Nummernkonti, wo all die Despoten dieser Welt ihr Geld horten, diese kalte kleine schlaue, abseits stehende, weltabgewandte, egoistische Schweiz. Das ist das eine Klischee. Das ist sehr verbreitet in den progressiven Medien, Frankfurter Rundschau, ARD, in dieser Welt ist das Klischee stark vorhanden. Und dann gibt es das andere Klischee, diese Verklärung. Der verstorbene deutsche Literaturprofessor Dietrich Schwanitz hat mal gesagt, es gibt Deutsche, die stellen sich vor, die Schweiz ist das, was Deutschland gewesen wäre, wenn es den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben hätte: ein Eldorado, ein makelloses Deutschland ohne geschichtliche Schuld, mit sauberen Gewässern, mit hohem Komfort und so weiter. Wahrscheinlich ist es so, dass Deutsche mit dem einen oder andern Klischee hier hinkommen. Und dann irgendwie ist die große Frage: Wie offen sind diese Leute, sich mit der Realität differenziert zu konfrontieren und einzulassen, was sie hier vorfinden. Und wie sehr versuchen sie ihre vorgefasste Meinung auf das zu drücken, was sie hier vorfinden."
    Bruno Ziauddin: "Grüezi Gummihälse. Warum uns die Deutschen manchmal auf die Nerven gehen", 2008 Rowohlt TB: Sie kommen in Scharen, sprechen laut und wissen alles besser. Immer mehr Deutsche leben und arbeiten in der Schweiz und treten dort in so manchen Fettnapf. Den Spitznamen Gummihälse haben sie sich eingebrockt, weil sie unentwegt nicken, wenn der Chef etwas sagt. Bruno Ziauddin erzählt mit viel Humor vom Kampf der Kulturen im Alpenland, von Mentalitätsunterschieden, sprachlichen Missverständnissen und warum die Deutschen sich nicht wundern müssen, wenn die Schweizer ihre Niederlagen im Fußball wie eigene Siege feiern. "Ein Deutscher, der lauthals verkündet, wie gerne er die Schweiz mag", so der Autor, "das kann sich für uns schon mal anfühlen wie der feuchte Kuss einer Tante."
    Sandra Willmeroth und Fredy Hammerli: "Exgüsi. Ein Knigge für Deutsche und Schweizer zur Vermeidung grober Missverständnisse", 2009 Orell Füssli: Also diese Deutschen! Sie sind dominant, laut und ignorant. Zumindest wenn sie einem Schweizer gegenüberstehen. Und diese Schweizer! Sie sind unsicher, langsam und humorlos. Zumindest wenn sie einem Deutschen in die Augen blicken. So ist das in der deutsch-schweizerischen Beziehungskiste. Seit die Teutonen in Scharen nach Helvetien strömen, fragt sich manch ein Deutscher, warum die Schweizer so schwer zu durchschauen sind. Und manch ein Eidgenosse wähnt sich fremd im eigenen Land. Gegen diese deutsch-schweizerische Verständnislosigkeit muss etwas getan werden: Benimmregeln zur Völkerverständigung müssen her. Eine Deutsche und ein Schweizer haben sich dessen angenommen und den Knigge für Deutsche und Schweizer verfasst: humorvoll, offenherzig und verständnisvoll. So wie wir alle sein wollen.
    Christoph Braendle (Hrsg.): "Österreich ist schön, oder? Eingewandert aus der Schweiz", 2011 Czernin: Nach der erfolgreichen Anthologie "Wir sind gekommen, um zu bleiben. Deutsche in Österreich" rückt dieser Band die Schweizerinnen und Schweizer in den Mittelpunkt. Auch wenn das Spannungsfeld "Ösis vs. Piefkes" viel aufgeladener ist: Bestimmte Klischees über unsere schweizerischen Mitbürgerinnen und -bürger halten sich doch hartnäckig. Konservativ sollen sie sein, spießig, engstirnig, traditionsverhaftet. Und schon qua Nationalität eine Menge Geld haben. Ob das stimmt oder ob, wie der Herausgeber behauptet, die Schweizer vielmehr innovativ, unternehmungslustig, schräg, witzig und am Puls der Zeit sind, verrät "Österreich ist schön, oder?" auf unterhaltsame Weise. Mit Beiträgen von Mathias Rüegg, Aurelia Staub, Beatrice Hay, Peter Schär, Silvia Großmann, Fidel Peugeot, Paul Ritter, Régis Bringolf, Markus Widmer, Brigitte Rohner, Sibylle Ritterband-Läubli, Charles E. Ritterband, Jörg Rüedi, Andrzej Koch, Andreas Niedermann, Nives Widauer, Barbara Graf, Judith Greiner, Hans Schmid, Hazem El Mestikawy, Stefan Gmünder, Reto Ziegler, Alfons Schilling, Patrick Friedrich, Andreas Büchi, Burkhard Gantenbein, Christina Zurbrügg, Anita Gut, Frederick Steinmann, Sven Gächter, Patrick Rusch, Martin Richard Escher, Marianne Lukas, Daniel Spoerri u.a.
    Wie sieht es eigentlich aus mit dem Verhältnis zwischen der Schweiz und Österreich? Gerade einmal rund 4.000 Menschen aus der Schweiz haben in Österreich, vor allem in Wien, eine neue Heimat gefunden. Kein Wunder also, dass das Verhältnis am ehesten von einer Politik des Nicht-Wahrnehmens geprägt ist. Welchen Herausforderungen Schweizer Zuwanderer sich hier stellen müssen, was an der schweizerischen Eigensinnigkeit dran ist und wie oft sie mit Vorarlbergern verwechselt werden, versammelt der von Christoph Braendle herausgegebene Band. Aus unterschiedlichsten Blickwinkeln und auf verschiedenste Weisen - in Texten, Zeichnungen, Fotografien - erzählen uns Schweizerinnen und Schweizer über ihr Verhältnis zur nahen Fremde.
    Christoph Braendle ist der relativ seltene Fall eines dichtenden Schweizers aus Wien - beziehungsweise eines bemerkenswerten Wiener Schriftstellers Schweizer Herkunft.
    Link: http://christophbraendle.net/wordpress/index.php
    Manuskriptauszug aus der dritten Stunde der Langen Nacht:
    Schweizer, Österreicher und Deutsche verbindet die deutsche Sprache und eine eng ineinander verwobene Geschichte, aber es trennt sie auch manches, das für die nationale Identitätsbildung wichtig ist. Um die soziologischen, politischen und kulturellen Hintergründe des komplizierten Verhältnisses der "verfreundeten Nachbarn" ging es in der ersten Stunde der Langen Nacht; vom Verhältnis von Schweizern und Deutschen wurde in der zweiten Stunde erzählt. In der dritten Stunde der Langen kommen Deutsche zu Wort, die nach Österreich übersiedelt sind und ihre persönliche Piefke-Sage erzählen; außerdem erklären ein österreichischer Historiker und eine österreichische Marktforscherin, was das Alpenland eigentlich so besonders macht und wie es sein eigenes Image hegt und pflegt.
    Eva Steffen: "Ich habe 28 Jahre meines Lebens in München verbracht und wollte immer nach Wien. Wien ist die einzige Stadt, die in Frage kommt, wenn man ins Ausland möchte und weiterhin Deutsch sprechen möchte. Zürich, die Schweiz kam nie in Frage, da liegt mir die österreichische Mentalität doch mehr. Es kommt dazu, dass meine Vorfahren Österreicher sind. Ich bin komplett in Deutschland aufgewachsen, mein Vater und meine Mutter sind deutsch, aber ich habe österreichische Vorfahren, aber meine Wurzeln sind hier. Dann wollte ich hierher, im Studium bin ich nicht hergekommen, weil das Germanistische Institut in München das größte der Welt ist und ich Germanistik studiert habe. Und nach dem Studium war ich zwar schwanger, aber ich hab gesagt: Jetzt ist es soweit, ich ziehe nach Wien."
    Eva Steffen, geboren 1977 in München, studierte Mediävistik- und Buchwissenschaftlerin lebt seit 2005 als Lektorin des Czernin-Verlages in Wien. Es waren wohl auch eigene Erfahrungen, die sie dazu veranlassten, im Jahr 2009 ein Buch herauszugeben, das Beobachtungen, Erlebnisse und Reflexionen von Deutschen in Österreich versammelt. "Wir sind gekommen, um zu bleiben" heißt das Buch, in dem 28 Autoren – wie Dirk Stermann oder Eva Menasse - ihre persönliche Österreich-Geschichte erzählen.
    Steffen: "Es war schon faszinierend. Einige Beitragsschreiber habe ich gekannt, als ich sie gefragt habe, war die Reaktion bei fast allen: Ja, da schreibe ich sofort was drüber, es hatte jeder was zu sagen. Wenn jemand aus Mexiko hierher zieht, ist für den völlig klar, er muss sich an eine andere Kultur gewöhnen, muss sich mit andere Rahmenbedingungen konfrontieren als zuhause. Und wenn man aus Deutschland herzieht wie ich aus Bayern, denkt man sich, man fährt ein paar hundert Kilometer und die Sprache ist fast die gleiche. Und ist doch überrascht, wie vieles anders ist.
    Im Vorwort zu ihrem Buch schreibt Eva Steffen: "Je ähnlicher ein Land dem anderen ist, desto schleichender ist der Kulturschock. Dementsprechend spät setzte er in Österreich ein, überfällt er mich auch jetzt immer wieder hinterrücks."
    Steffen: "Ich sage immer: Ich bin aus Liebe hergezogen. Dann sagen immer alle: aus Liebe zu Wien? Ich war einfach schon sehr oft hier. Mein Mann ist auch kein Österreicher, ist Münchner und hat immer gesagt, er kommt mit. Wir hatten beide eine gewisse Eingewöhnungszeit, Wien ist ja was anderes als Österreich. Wien ist einfach im Gegensatz zu München eine Metropole. Es sagen zwar viele, es ist die größte Kleinstadt der Welt, während München das größte Dorf der Welt ist. Aber ich empfinde gerade aus München kommend Wien als Metropole riesengroß, hektisch, laut, schnell, voller Autos, sehr großstädtisch. Das ist das, was mich immer angezogen hat. Ich habe auch ein Praktikum in New York gemacht und habe diese Stadt dörflicher empfunden als Wien. Und Wien ist sehr urban, gerade seit New York diese Zero-Toleranz-Politik macht, ist es dort langweilig. Das ist das, was mich an Wien gereizt hat. Es ist bewegt. Berlin ist auch bewegt, München ist eingeschlafen. In München ist jeder Hinterhof aufgeräumt, sauber, durchorganisiert. In jeder Galerie steckt Geld, in jeder Kulturbewegung ist jemand, der das mit Geld unterstützt. Hier entstehen einfach Dinge. Da muss man nur durch die Straßen gehen, um zu sehen, wie Dinge passieren, wie sie wieder vergehen, wie Neues entsteht. Es ist viel lebendiger, viel bewegter."
    Eva Steffen: "Wir sind gekommen um zu bleiben. Deutsche in Österreich", 2009 Czernin: Wie geht es ihnen? Hier? Das ist die Frage, die wir Deutschen stellten, die früher oder später beschlossen haben, in Österreich zu leben. So vielfältig die Biografien, so vielfältig sind die Dinge, die diese Menschen über Österreich und ihre Erfahrungen mit, Erlebnisse in und Überlegungen zu diesem Land schon immer sagen wollten. Uralt, gleichzeitig aktueller denn je und scheinbar unerschöpflich ist die Diskussion über das Verhältnis von Österreichern und Deutschen.
    In "Wir sind gekommen um zu bleiben" sollen die Deutschen zu Wort kommen. Ausgehend von jeweils einem bestimmten Thema, anhand dessen sie ihrem zweifelhaften oder ausgezeichneten Verhältnis zu Österreich Ausdruck verleihen, sprechen die Autoren über ihre ganz persönliche Liebe und manchmal auch Hassliebe zu diesem Land. Mit Beiträgen von u. a. Birgit Fenderl, Tex Rubinowitz, Rubina Möhring, Fred Schreiber, Christopher Wurmdobler, Jochen Jung.
    Musikliste:
    • Titel: Z'Stückisch Switzerland. Interpret: Erika Stucky, Komponist: Erika Stucky, Label: REISE KNOW HOW
    • Titel: Zäuerli. Interpret: Paul Giger (viol), Komponist: Paul Giger, Label: ECM-Records, Best.-Nr: 847940-2, Plattentitel: Alpstein
    • Titel: Hemmige, Interpret: Stephan Eicher (acg), Komponist: Mani Matter, Label: Mercury, Best.-Nr: 849389-2, Plattentitel: Engelberg
    • Titel: Kaiser-Walzer, op. 437 (Kaiserwalzer), Ensemble: Orchester - Wiener Philharmoniker, Dirigent - Nikolaus Harnoncourt, Komponist: Johann Strauß, Label: Deutsche Grammophon, Best.-Nr: 474250-2
    • Titel: De Apleflug aus: Hinterdeil, Interpret: Mani Matter, Komponist: Mani Matter, Label: Waterpipe Records 927432
    • Titel: Der Jules, Interpret: Erika Stucky, Komponist: Erika Stucky, Label: TRAUMTON, Best.-Nr: 4499, Plattentitel: Suicidal yodels
    • Titel: Kaiserwalzer, op 437, Interpret: Schönbrunner Schloßquartett, Komponist: Johann Strauß, Label: ELITE SPECIAL, Best.-Nr: 60076, Plattentitel: Goldenes Wien
    • Titel: Wien ohne Wiener, Interpret: Georg Kreisler, Komponist: Georg Kreisler, Label: Intercord, Best.-Nr: INT880.002, Plattentitel: Everblacks Zwei
    • Titel: Kleiner Wiener Marsch für Violine und Klavier, Solist: Gidon Kremer (Violine), Solist: Oleg Maisenberg (Klavier), Komponist: Fritz Kreisler, Label: ERATO, Best.-Nr: 89856
    • Titel: Der Königgrätzer (Armeemarsch II, 195), Interpret: Orchester, Komponist: Gottfried Piefke, Label: Bogner Records
    • Best.-Nr: 3652, Plattentitel: Deutsche Traditionsmärsche
    • Titel: Radetzky-Marsch, op. 228, Interpret: Concentus Musicus Wien, Komponist: Johann Strauss, Label: Sony Classical, Best.-Nr: keine
    • Titel: I am from Austria, Interpret: Austria 3, Komponist: Rainhard Fendrich, Label: Ariola, Best.-Nr: 88697149022, Plattentitel: Weusd' mei Freund bist - Das Beste von Austria 3
    • Titel: Heast as nit. Interpret: Hubert von Goisern und die Original Alpinkatzen, Komponist: Hubert von Goisern, Wolfgang Staribacher, Label: Ariola, Best.-Nr: 114079-2, Plattentitel: Schräg dahoam - Das Live-Festival