Die Leber verzeiht. Sie besitzt in einem ungewöhnlichen Ausmaß die Fähigkeit, sich nach Verletzungen schnell und umfassend zu regenerieren. Chirurgen an der Abteilung für Allgemeine Chirurgie der Universitätsklinik Heidelberg nutzen das Phänomen, um es beispielsweise Müttern oder engen Verwandten zu ermöglichen, für das Kind oder den Partner Teile der eigenen Leber zu spenden - eines von acht Leber-Segmenten. Schon nach wenigen Wochen erholt sich die Spenderleber fast vollständig. Und der Empfänger – beispielsweise Patienten mit Leberkrebs – besitzt wieder ein funktionierendes Organ. Der ärztliche Direktor der Chirurgie Professor Markus Büchler:
Wir haben mit der Leber-Lebendspende vergangenes Jahr im September begonnen. Wir haben seitdem zweimal diese Operation in Heidelberg durchgeführt. Die zukünftige Perspektive sind etwa bis zu fünf und unter Umständen auch zehn solcher Lebend-Lebendtransplantationen pro Jahr, je nach Entwicklung. In Deutschland werden zur Zeit etwa zwischen fünfzig und achtzig solcher Leber-Lebendtransplantationen durchgeführt.
Mittelfristig soll diese Zahl noch gesteigert werden – bis auf fünfzehn Leber-Lebendspenden pro Jahr. Für das innovative Verfahren sprechen mehrere Vorteile: Bei der Lebendspende hat man im Unterschied zu Organen von Toten frisches Lebergewebe, das also besonders leistungsfähig zu sein verspricht. Man hat Zeit genug, die Transplantation bestens vorzubereiten. Relativ selten – in etwa zehn Prozent - kommt es zu eher harmlosen Komplikationen: Blutungen, Narbenschmerzen oder eine vorübergehende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Keiner der Spender soll laut Markus Büchler bisher den Eingriff bereut haben. Doch ein Restrisiko bleibt. Zwangsläufig werden durch den Eingriff gesunde Menschen verletzt. Die Ärzte rechen bei ein bis zwei Prozent mit Todesfällen. Deswegen arbeitet ein fachübergreifendes Team zusammen, um beispielsweise auszuschließen, dass Angehörige emotional zu sehr unter Druck gesetzt werden.
Ich bin überrascht gewesen, wie effektiv die Instrumente unserer psychologisch geschulten Partner dabei sind. Es ist wirklich so, dass man im Gespräch und zwar im Gespräch eines erfahrenen Psychologen sehr gut herausfinden kann, ob die Freiwilligkeit der Organspende gegeben ist. Natürlich ist immer ein gewisser Druck, der auf den Familienangehörigen lastet, aber die Psychologen finden das sehr gut heraus. Und es dreht sich letztlich alles um Angst.
Gesetzlich vorgeschrieben sind in Deutschland zwei Voraussetzungen: Es muss entweder ein nahes verwandtschaftliches Verhältnis bestehen oder – nachweislich - schon vor dem Eingriff bestehende enge freundschaftliche Beziehungen. Nicht erlaubt ist daher die Leber-Lebendspende unter Menschen, die sich gar nicht kennen. Das schränkt diese Form der Organübertragung ein. In den U.S.A. dagegen ist die so genannte Cross-Over-Lebendspende erlaubt. Ein Beispiel: Ein Spender an der Ostküste ist bereit, seiner Lebensgefährtin, seinem Ehegatten oder seinem Vater eine halbe Leber zu spenden, und die Blutgruppe stimmt nicht. An der Westküste lebt ein Paar, wo ein Spender bereit ist, für einen engen Verwandten zu spenden, aber auch hier passen Organ und Empfänger nicht zusammen..
Und dann poolt man diese Organe, und dann kann der Ehemann aus Boston seine halbe Leber in diesen Pool geben, und diese Leber wird dann übertragen einer fremden Person in Los Angeles, deren Ehemann auch wiederum die halbe Leber in den Pool hineingegeben hat. Ich halte das für eine sehr sinnvolle Maßnahme.
... ein Verfahren, meint Markus Büchler, das unter einer ganz bestimmten Auflage auch in Deutschland erlaubt werden sollte, um den Mangel an Spenderorganen ein wenig zu lindern.
Das Ganze kann in Deutschland nur erlaubt werden, wenn der Prozess hundert Prozent überwacht wird. Die Gefahr und warum das deutsche Transplantationsgesetz ja auch so stark ist, die Gefahr liegt immer im Organhandel. Organhandel muss zu hundert Prozent vermieden werden, aber diese Cross-Over-Spende ist dann sinnvoll, wenn der Prozess hundert Prozent vom Gesetzgeber überwachbar ist.