Vetter-Liebenow: Das Besondere von Al Hirschfeld ist die Linie. Er ist der Meister der Linie. Er ist jemand, der mit einem scheinbar einfachen Strich einen komplexen Charakter einfängt.
Schmitz: War das neu im Genre der Karikatur, als Al Hirschfeld zu zeichnen begann?
Vetter-Liebenow: Neu war es nicht. In dieser Meisterschaft ist es sicherlich herausragend. Wenn Sie in das Deutschland um das Jahr 1900 schauen, dann gibt es im Simplizissimus Olaf Gulbransson, der beispielsweise auch als Meister der Linie eindrucksvolle Porträts gezeichnet hat. In Amerika sind es andere Künstler wie Al Frueh oder Ralph Barton, die als Vorläufer von Al Hirschfeld gelten können. Aber er ist sicherlich einfach der herausragende Meister, wenn man mal das 20. Jahrhundert in Gänze betrachtet.
Schmitz: Welche Entwicklung hat er denn durchgemacht?
Vetter-Liebenow: Er war eigentlich ein Frühvollendeter. Das heißt, er hat im Grunde genommen in den 20er Jahren seine Linie gefunden. Und zwar war da wohl ein Reiseerlebnis nach Bali ganz entscheidend, wo er von der Farbe, von der ausbleichenden Sonne für sich einfach die Linie als das Entscheidende, das Klare und das allein wirklich Bestehende erkannt hat. Dieses hat er dann schon in seinen ersten Karikaturen, die er für den Herald Tribune gezeichnet hat, zum Ausdruck gebracht.
Schmitz: Richtige, böse, gemeine und verzerrende Karikaturen hat Hirschfeld ja nicht gezeichnet. Welche Gradwanderung im Porträt hat er unternommen?
Vetter-Liebenow: Er war eigentlich jemand, der keine Personen seziert hat, sondern Personen charakterisiert hat. Er war einer, der den liebenvollen Spott gepflegt hat. Er hat sich ja auch eher als Charakteristiker bezeichnet. Also er hat wirklich den Charakter einer Person dargestellt, nicht im Sinne eines Entlarvens, sondern wirklich im Sinne des Beschreibens und vor allen Dingen im Sinne des Würdigens.
Schmitz: Gibt es eine Generation von Zeichnern und Karikaturisten, die sich von Hirschfeld hat inspirieren lassen?
Vetter-Liebenow: Also im amerikanischen Bereich sind es fast noch mehr Porträtisten als es in der europäischen Karikatur gibt. Das sind Künstler wie David Levine, die sich ja auch im Bereich der Porträtkarikatur bewegen, aber er ist im Grunde genommen letztlich einzigartig.
Schmitz: Al Hirschfeld hat auch New York gemalt. Er ist über Jahrzehnte der Chronist dieser Stadt. Wie sieht sein New York-Bild aus?
Vetter-Liebenow: Im wesentlichen ist Al Hirschfeld ein Zeichner der Menschen von New York. Er hat immer im Blick, wie sich die Stadt und die Gesellschaft durch die Personen darstellen. Er hat weniger Veränderungen der Stadt oder des gesamten hektischen und turbulenten Lebens in New York eingefangen.
Schmitz: Arbeiten von ihm hängen unter anderem im Museum of Modern Art in New York. Ist Al Hirschfeld eher ein Künstler als ein Gebrauchszeichner für die Zeitung gewesen?
Vetter-Liebenow: Das sind wir bei der Frage: Was ist ein Karikaturist? Al Hirschfeld selbst hat, soweit ich weiß, das Wort nicht so gerne gehört. Er wollte, dass man ihn als einen Charakterzeichner definiert. Er ist im besten Sinne eben wirklich ein satirischer Künstler. In diesem Sinne sind seine Werke ja auch sehr teuer, wenn man sie erwerben will. Er steht, wenn man so sagen will, sehr hoch im Kurs. Er ist im Bereich der satirischen Kunst einfach einer der Meister. Ich habe ein Problem mit der Abgrenzung Künstler hier und Gebrauchszeichner da. Ich kann nicht sehen, dass Künstler, die in dem Bereich der Karikatur tätig sind, in einer niedrigeren Kunstgattung tätig sind.
Schmitz: Was kostet denn eine Originalzeichnung von Al Hirschfeld?
Vetter-Liebenow: Er hat ja eine Galerie in New York, die seine Bilder seit Jahrzehnten vertreibt. Ich habe gehört, dass es sich um fünfstellige Dollarbeträge handelt, die man für ein Original von ihm bezahlen muss.
Schmitz: Die Preise werden jetzt sicherlich noch steigen.
Vetter-Liebenow: Davon kann man ausgehen.
Schmitz: Vielen Dank, Frau Vetter-Liebenow:
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Schmitz: War das neu im Genre der Karikatur, als Al Hirschfeld zu zeichnen begann?
Vetter-Liebenow: Neu war es nicht. In dieser Meisterschaft ist es sicherlich herausragend. Wenn Sie in das Deutschland um das Jahr 1900 schauen, dann gibt es im Simplizissimus Olaf Gulbransson, der beispielsweise auch als Meister der Linie eindrucksvolle Porträts gezeichnet hat. In Amerika sind es andere Künstler wie Al Frueh oder Ralph Barton, die als Vorläufer von Al Hirschfeld gelten können. Aber er ist sicherlich einfach der herausragende Meister, wenn man mal das 20. Jahrhundert in Gänze betrachtet.
Schmitz: Welche Entwicklung hat er denn durchgemacht?
Vetter-Liebenow: Er war eigentlich ein Frühvollendeter. Das heißt, er hat im Grunde genommen in den 20er Jahren seine Linie gefunden. Und zwar war da wohl ein Reiseerlebnis nach Bali ganz entscheidend, wo er von der Farbe, von der ausbleichenden Sonne für sich einfach die Linie als das Entscheidende, das Klare und das allein wirklich Bestehende erkannt hat. Dieses hat er dann schon in seinen ersten Karikaturen, die er für den Herald Tribune gezeichnet hat, zum Ausdruck gebracht.
Schmitz: Richtige, böse, gemeine und verzerrende Karikaturen hat Hirschfeld ja nicht gezeichnet. Welche Gradwanderung im Porträt hat er unternommen?
Vetter-Liebenow: Er war eigentlich jemand, der keine Personen seziert hat, sondern Personen charakterisiert hat. Er war einer, der den liebenvollen Spott gepflegt hat. Er hat sich ja auch eher als Charakteristiker bezeichnet. Also er hat wirklich den Charakter einer Person dargestellt, nicht im Sinne eines Entlarvens, sondern wirklich im Sinne des Beschreibens und vor allen Dingen im Sinne des Würdigens.
Schmitz: Gibt es eine Generation von Zeichnern und Karikaturisten, die sich von Hirschfeld hat inspirieren lassen?
Vetter-Liebenow: Also im amerikanischen Bereich sind es fast noch mehr Porträtisten als es in der europäischen Karikatur gibt. Das sind Künstler wie David Levine, die sich ja auch im Bereich der Porträtkarikatur bewegen, aber er ist im Grunde genommen letztlich einzigartig.
Schmitz: Al Hirschfeld hat auch New York gemalt. Er ist über Jahrzehnte der Chronist dieser Stadt. Wie sieht sein New York-Bild aus?
Vetter-Liebenow: Im wesentlichen ist Al Hirschfeld ein Zeichner der Menschen von New York. Er hat immer im Blick, wie sich die Stadt und die Gesellschaft durch die Personen darstellen. Er hat weniger Veränderungen der Stadt oder des gesamten hektischen und turbulenten Lebens in New York eingefangen.
Schmitz: Arbeiten von ihm hängen unter anderem im Museum of Modern Art in New York. Ist Al Hirschfeld eher ein Künstler als ein Gebrauchszeichner für die Zeitung gewesen?
Vetter-Liebenow: Das sind wir bei der Frage: Was ist ein Karikaturist? Al Hirschfeld selbst hat, soweit ich weiß, das Wort nicht so gerne gehört. Er wollte, dass man ihn als einen Charakterzeichner definiert. Er ist im besten Sinne eben wirklich ein satirischer Künstler. In diesem Sinne sind seine Werke ja auch sehr teuer, wenn man sie erwerben will. Er steht, wenn man so sagen will, sehr hoch im Kurs. Er ist im Bereich der satirischen Kunst einfach einer der Meister. Ich habe ein Problem mit der Abgrenzung Künstler hier und Gebrauchszeichner da. Ich kann nicht sehen, dass Künstler, die in dem Bereich der Karikatur tätig sind, in einer niedrigeren Kunstgattung tätig sind.
Schmitz: Was kostet denn eine Originalzeichnung von Al Hirschfeld?
Vetter-Liebenow: Er hat ja eine Galerie in New York, die seine Bilder seit Jahrzehnten vertreibt. Ich habe gehört, dass es sich um fünfstellige Dollarbeträge handelt, die man für ein Original von ihm bezahlen muss.
Schmitz: Die Preise werden jetzt sicherlich noch steigen.
Vetter-Liebenow: Davon kann man ausgehen.
Schmitz: Vielen Dank, Frau Vetter-Liebenow:
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