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Eine moderne, fast expressionistische Sprache

"Ein Klassiker von mir ist Friedrich Hölderlin", sagt der Schauspieler Martin Feifel. Besonders am Herzen liegt ihm dessen Gedicht "Hälfte des Lebens" von 1805. Martin Feifel ist fasziniert von der Modernität der Sprache, davon wie Hölderlin "die klassischen Versmaße einfach aufbricht. Und trotzdem seinen ganz eigenen ureigenen Rhythmus findet."

Von Hartwig Tegele |
    Mit gelben Birnen hänget
    Und voll mit wilden Rosen
    Das Land in den See,
    Ihr holden Schwäne.


    "Mein Name ist Martin Feifel, ich bin Schauspieler. Ein Klassiker von mir ist Friedrich Hölderlin. Besonders am Herzen liegt mir 'Hälfte des Lebens'."

    Und trunken von Küssen
    Tunkt ihr das Haupt
    Ins heilig nüchterne Wasser.


    "Also, was mich sehr freut, aufgeregt hat beim Lesen des Gedichts, war die moderne Sprache. Die ja fast expressionistisch ist. Vor allem im zweiten Teil."

    Weh mir, wo nehm' ich, wenn
    Es Winter ist, die Blumen, und wo
    Den Sonnenschein,
    Und Schatten der Erde?


    "Wo mir zum ersten Mal die Modernität von Hölderlin bewusst geworden ist, wie er die klassischen Versmaße einfach aufbricht. Und trotzdem seinen ganz eigenen ureigenen Rhythmus findet in seiner Strophe."

    Die Mauern stehn
    Sprachlos und kalt, im Winde
    Klirren die Fahnen.


    "Ich glaube, es ist schon ein Gedicht, wo eine Todesahnung, eine Todessehnsucht drin ist. Ich habe selten jemanden so klar abgetrennt in einem Gedicht zwei Lebensabschnitte beschreien hören. Das eine ist hell und bunt, und man riecht förmlich die Natur. Und man hört fast das Wasser rauschen. Und im zweiten Teil wirkt das plötzlich auch ganz hart in der Sprache; es werden sehr harte Vokabeln, das ist fast lautmalerisch auch schon die Ahnung des Todes. Es ist sehr expressionistisch angehaucht, es ist sehr weit vorgegriffen eigentlich."

    Mit gelben Birnen hänget
    Und voll mit wilden Rosen
    Das Land in den See,
    Ihr holden Schwäne,
    Und trunken von Küssen
    Tunkt ihr das Haupt
    Ins heilignüchterne Wasser.

    Weh mir, wo nehm' ich, wenn
    Es Winter ist, die Blumen, und wo
    Den Sonnenschein,
    Und Schatten der Erde?
    Die Mauern stehn
    Sprachlos und kalt, im Winde
    Klirren die Fahnen.


    "Ich denke schon, dass es eine Stimmung beschreibt, die allgemeine gesellschaftliche Lage auch. Also dieses schöne romantisch Verklärte Naturbezogene, die Zivilisation auch, wie die sich in die Natur rein schiebt, wenn er schreibt: "die Mauern stehn sprachlos und kalt, im Winde klirren die Fahnen". Plötzlich ist Zivilisation vorhanden, und da wird es plötzlich eiskalt. Und das beschreibt natürlich auch ein bisschen die Schwierigkeit von Hölderlin in der Gesellschaft zu recht zu kommen bzw. seinen Platz zu finden. Ansonsten kommt Hölderlin immer wieder vor. Ich habe ja fast alle Gedichte auswendig gekonnt. Vieles ist noch vorhanden, vieles ist natürlich verschütt gegangen."

    ... im Winde
    Klirren die Fahnen.