Novy: Dieser Auftrag, der auch an ihn herangetragen wurde, hat ja Renzo Piano zunächst erschreckt und er wollte ihn nicht haben.
Migge: Nein, er wollte ihn nicht haben, weil er einerseits noch nie eine Kirche gebaut hatte und weil er andererseits meinte, auch in einem Gespräch vor einigen Tagen in Italien, dass ein Kirchenbau, so dachte er früher vor zehn Jahren -zehn Jahre hat er an dieser Kirche gebaut -, dass ein Kirchenbau für ihn keine Herausforderung darstellen würde. Er hat aber längst in diesen zehn Jahren lernen müssen, dass eine Kirche zu projektieren und auszuführen vor allen Dingen in Italien, wo das alles nicht so reibungslos abläuft, schwieriger ist, als Hochhäuser oder Konzerthallen zu bauen.
Novy: Ja und es geht ja hier auch um eine ganz besondere Dimension, um eine riesige Kirche, die all diese Pilger und Wallfahrer aufnehmen soll, Tausende von ihnen - es sollen 7000 hineinpassen. Wie hat er das Problem gelöst?
Migge: Er hat es gelöst in Form einer Muschel. Sie müssen sich vorstellen eine große Muschel, die über ein freies Feld übergestülpt wird und in ihrem Inneren durch die größten freitragenden Steinpilaster überhaupt zusammengehalten wird. Das sind verschiedene Steinpilaster, die den gesamten Innenraum überspannen und die aus Naturstein bestehen und durch Stahlträger zusammengehalten werden. Über diese Konstruktion, die ein einziges Kirchenschiff erlaubt und keine Nebenkirchenschiffe, hat er ein Metalldach gespannt, das auch in seiner Art das Größte überhaupt weltweit ist.
Novy: Piano ist ein global operierender Architekt, hält aber sehr viel von lokalen, gewachsenen Materialien aus der Gegend, in der er baut. Hat er das getan?
Migge: Das hat er getan, denn er hat den Stein aus der Gegend benutzt und er hat die zeitgenössischen Künstler, die bei der Ausschmückung des Kircheninnenraums und der Fassade beteiligt darum gebeten, dass sie ausschließlich Materialien der Umgebung oder Süditaliens benutzen, darunter auch zum Beispiel Lavastein, der extra vom Etna dorthin transportiert worden ist, weil Padre Pio verschiedene Male auf Sizilien gewesen ist. Also alle Materialien sollten Beziehungen zum Territorium haben und zu der Person, der die Kirche geweiht worden ist.
Novy: Apulien ist eine ganz besondere Region in Italien und eine besonders arme. Wie wird sich das auswirken, dieser Bau und die vermutlich noch mehr Menschen, die in diesen einen Ort gezogen werden.
Migge: Sie müssen sich vorstellen, San Giovanni Rotondo ist bevor Padre Pio dorthin gezogen ist in das Kapuzinerklostern ein kleines verschlafenes Örtchen gewesen. Heute kommen im Durchschnitt zwischen vier und fünf Millionen Pilger jedes Jahr dorthin. Padre Pio schlägt da sogar den Heiligen Franz von Assisi. Es gibt wohl keinen katholischen Wallfahrtsort, der so viele Pilger anzieht - vielleicht noch Lourdes. Man erhofft sich, dass mit dieser Kirche noch mehr Pilger kommen werden und hat auch gleichzeitig zur Einweihung der Kirche noch 15 neue Hotels eröffnet.
Novy: Alle in dem einen Ort?
Migge: Alle in dem einen Ort, in dem einen Ort gibt es 150 Hotels.
Novy: Ist das nicht ein bisschen viel?
Migge: Das ist soviel, dass der Vatikan jetzt, was die Finanzierung des Projektes angeht, auch einen Monsignore aus Rom nach San Giovanni Rotondo geschickt hat, der schaut, wie die Kapuziner überhaupt das Geld zusammenbekommen haben. Und die süditalienische Staatsanwaltschaft ermittelt auch bereits und Renzo Piano schweigt auf alle Fragen, die dazu gestellt wurden, weil die Kapuzinermönche wohl von undurchsichtigen Geschäftemachern der Mafia Kredite zu Wucherzinsen aufgenommen haben.
Novy: Thomas Migge war das.