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Eine neue Ära der Freihandelsverträge?

Der multilaterale Verhandlungsprozess der Welthandelsorganisation muss um jeden Preis gerettet werden, bilaterale Abkommen sind keine Alternative – diese Überzeugung zog sich wie ein roter Faden durch die Konferenz der Grünen im Berliner Reichstagsgebäude. Die agrarpolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Höfgen:

Victoria Eglau |
    Das Scheitern der Verhandlungen sehen wir als äußerst problematisch an, weil wir der Auffassung sind, dass die Chancen für die Entwicklungsländer – und unsere Hauptzielsetzung, das sind die Bekämpfung des Hungers, die Bekämpfung der Armut, und mehr Nachhaltigkeit, dass die Chancen nicht größer werden, wenn man auf die multilateralen Ansätze der WTO verzichtet, und stattdessen auf bilaterale Verhandlungen setzt.

    Kein Bilateralismus, zumindest keine neuen bilateralen Handelsverhandlungen – das ist auch die Position der Bundesregierung, wie Karl Ernst Brauner aus dem Wirtschaftsministerium deutlich machte:

    Wir bekennen uns zum Multilateralismus. Wir wollen, dass die Welthandelsrunde zu einem Erfolg führt, und lehnen deshalb bilaterale Verhandlungen ab. Es gibt Länder in Südostasien, die gerne mit uns verhandeln würden. Wir verhandeln, das muss ich zugeben, bilateral mit den Mercosur-Staaten, also einigen Ländern Lateinamerikas. Das liegt aber daran, dass wir diese Verhandlungen schon vor der neuen Welthandelsrunde aufgenommen haben. Wir nehmen gegenwärtig keine neuen Verhandlungen auf.

    Was bilaterale Handelsabkommen, auf die vor allem die USA seit Cancún zu setzen scheinen, so gefährlich macht, unterstrich Michael Bailey von der Organisation Oxfam, die weltweit gegen den Hunger kämpft:

    Bilaterale Abkommen sind insbesondere gefährlich für kleinere Staaten, die keine Verhandlungsstärke haben und ihre Interessen nicht durchsetzen können. Für sie kommen nachteilige Abmachungen heraus. Deswegen wollen wir, dass die EU sich bei den Bemühungen, die multilateralen WTO-Verhandlungen wieder in Gang zu bringen, eine führende Rolle übernimmt – sagt Michael Bailey von Oxfam.

    Am 15. Dezember wird der WTO-Rat darüber beraten, wie nach dem Scheitern von Cancún die aktuelle Doha-Entwicklungsrunde wiederbelebt werden kann. Für die Grünen steht fest, dass eine Wiederbelebung nur möglich ist, wenn klare Priorität den Agrarverhandlungen eingeräumt wird, und die so genannten Singapur-Themen erst einmal zurückgestellt werden. Diese, Wettbewerb, Investitionsschutz und Transparenz im öffentlichen Auftragswesen, waren bei den Schwellen- und Entwicklungsländern in Cancún auf starken Widerstand gestoßen, weil sie erst einmal die Verhandlungen über die strittigen Agrarfragen abschließen wollten. Die EU-Kommission hat ein Papier vorgelegt, in dem der Verzicht auf die Singapur-Themen nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Ulrike Höfgen, agrarpolitische Sprecherin der Grünen, hält das Papier an diesem Punkt für nicht klug:

    Das Papier der EU-Kommission bezieht sich eigentlich auf den Stand von Cancun. Und ich weiß nicht, ob es klug ist, in dem Papier nicht zu signalisieren dass man bereit wäre auf den Verzicht der Singapur-Themen. Also das Papier der EU-Kommission greift das Anliegen der Entwicklungsländer nicht ausreichend auf. Und das Anliegen heißt ganz konkret: Erst die Agrarthemen und die Entwicklungsrunde, dann Singapur.

    Die rot-grüne Bundesregierung hat das Papier der EU-Kommission abgesegnet. Dennoch: beim Thema Singapur-Themen zeigt sie Flexibilität. Sie könnten auch in einem anderen Zusammenhang verhandelt werden, sagt Karl Ernst Brauner aus dem Wirtschaftsministerium.

    Wir haben ein Interesse an den Themen Transparenz im öffentlichen Auftragswesen, und auch bei Handelserleichterungen. Aber wir selber wären an dieser Stelle verzichtsbereit, clear cut.

    Dass die Industrieländer verzichten und auf die selbstbewusster gewordenen Schwellen- und Entwicklungsländer zugehen müssen, daran zweifelt keiner mehr. Konsensfähig scheint am ehesten der Verzicht auf die Exportsubventionen zu sein. Karl Ernst Brauner:

    Wir müssen uns bewegen, und dazu sind wir auch bereit. Zum Beispiel und an erster Stelle bei Exportsubventionen. Es wird uns immer wieder vorgehalten, und auch zurecht – wir haben da nichts zu verteidigen -, dass wir mit exportsubventionierten Gütern andere Märkte zerstören. Das dürfen wir nicht. Da versündigen wir uns an anderen Gemeinwesen. Und ich glaube, dass wir da auch in der Lage sind, gehaltvolle Angebote zu machen.