Angestoßen durch die Ministeriumskommission unter dem Vorsitz des Konstanzer Philosophieprofessors und Vorsitzenden der Akademie der Europäischen Wissenschaften, Prof. Dr. Jürgen Mittelstraß geistert plötzlich das Schlagwort der University of Munich durch Münchens Uniflure und sorgt für Verwirrung. Die Vision von einer einzigen großen Bildungsschmiede in Bayerns Landeshauptstadt klingt verlockend und abschreckend zugleich.
Für den Präsidenten der TU München Professor Wolfgang A. Herrmann klingt die Lösung verlockend, denn mit einem deutschlandweit einmaligen Aufsichtsratsgremium an der Spitze seiner Technischen Universität arbeitet er seit einiger Zeit selbst wie ein nüchtern kostenorientierter Unternehmer:
München hat eine größere Zahl von Fakultätsdopplungen, z.B. Chemie, Physik, Wirtschaftswissenschafter, Medizin, Mathematik, Informatik. In gemeinsamer Aufstellung würde die Physik beispielsweise in die Weltliga auf Anhieb kommen, in die Größenordnung von Stanford, das wäre auch eine Fakultät, die auch in etwa die Größe unserer weltweit besten Wettbewerber hat. Es geht ja nicht um ein Zusammenwürfeln, sondern um einen strategischen Ansatz, der nicht unter spartaktischen Erwägungen geführt werden darf. Es ist also die Frage, wie wir mit 860 Mill. Euro besser, effizienter, im Interesse des Staates und der Gesellschaft umgehen und hier kann kein Vorschlag ungewöhnlich genug sein, dass er nicht auch gedacht wird.
Für seinen Kollegen von der LMU, Rektor Bernd Huber, bedeutet der Vorschlag der Kommission eben jenes Zusammenwürfeln zweier Institutionen zu einem Koloss, das sein TU-Kollege Herrmann in einer Fusion nicht entdecken kann.
Wir haben das ja immer gesagt, dass wir von einer Fusion der beiden Universitäten nichts halten, da würde einfach ein Koloss entstehen mit mehr als 70 000 Studenten. Das macht weder wissenschaftlich noch verwaltungstechnisch Sinn. Das ist nicht mehr sinnvoll steuerbar. Wir befinden uns doch eigentlich in der glücklichen Situation mit der LMU und TU zwei außerordentlich erfolgreiche Universitäten zu haben mit ihrem je eigenen Profil und ich denke, das muss weiterentwickelt werden. Wir müssen die Zusammenarbeit, die Kooperation in den Bereichen, wo wir Parallelstrukturen haben, intensivieren, aber eine Fusion ist vollkommen unsinnig.
Wolfgang A. Herrmann: Natürlich kann man einwenden, dass ein Koloss entsteht, der nicht mehr führbar ist. Es ist aber bekannt, dass eine Organisation völlig unabhängig von ihrer Größe, dann funktioniert, wenn auch die Binnenstruktur stimmt. Und da bin ich beim entscheidenden Punkt: Eine Universität, wie immer sie sich aufstellt, muss eine völlig neue Struktur bekommen, um international wettbewerbsfähig zu sein. Das heißt beispielsweise Vollautonomie gegen volle Übernahme der Verantwortung dem Staat gegenüber, der schließlich der Eigentümer der Universitäten ist, die Finanzklarheit am Standort München, auch die Standortklarheit, der Abbau von Doppelungen in Bezug auf die räumlichen Unterbringung. Die Frage wieweit man sich zwei zersplitterte Standorte in so bedeutenden Fächern wie der Chemie, der Physik, künftig leisten will und kann.
Da ist es laut Herrmann völlig unsinnig, was sein gegenüber, die LMU gerade zur Effizienzsteigerung durchgesetzt hat: die Abschaffung von 20 zumeist kleinen Fächern, darunter der Geografie, der Semitistik und Medizingeschichte:
Der Standort München kostet den Freistaat Bayern 860 Mill. Euro Jahr für Jahr und da sind wir schon in der grotesken Situation, dass wir einerseits an kleinen geisteswissenschaftlichen Fächern herumdoktern, die uns die bunte Vielfalt der Fächer am Standort München garantieren und zum anderen drei volle gynäkologische Kliniken an den beiden Universitäten vorhalten. Hier stimmt das Maß nicht mehr, denn eine Universitätsklinik kostet soviel wie viele kleine geisteswissenschaftliche Fächer zusammen.
Bernd Huber: In der Medizin ist es richtig, da ist es notwendig zu Entscheidungen zu kommen insbesondere mit Blick darauf, dass in den Kliniken die Fallpauschalen eingeführt werden, dass wir einen hohen Sanierungsbedarf haben und in der Medizin muss man sicherlich auch zu schwierigen Entscheidungen kommen. Wir haben dazu Konzepte vorgelegt, werden das auch noch weiter konkretisieren. Auch da geht es aber wiederum darum Kooperationen zu realisieren, d.h. die Medizin muss abgestimmt werden aufeinander, welche Universität was anbietet und wir müssen versuchen da zu vernünftigen Lösungen zu kommen.
Dass eine Fusion die Holzhammermethode wäre und deshalb mit der LMU nicht zu machen, steht für Rektor Huber fest. Obwohl er selbst vor nicht allzu langer Zeit Vorschläge in Richtung einer Universitätsholding gemacht hat, zieht er heute jedoch ganz andere Modelle vor, eine Art weiche Verschmelzen auf Zeit.
Da kann man sich ganz Unterschiedliches vorstellen: Gemeinsame Studiengänge, gemeinsame Berufungen, eine gemeinsame Strukturplanung. Das muss je nach Fach, da gibt es ja unterschiedliche Bedürfnisse, entsprechend ausgestaltet werden, bei der Chemie, bei der Physik. Und darüber muss man im einzelnen diskutieren. Ja in verschiedener Hinsicht haben wir zum Beispiel vorgeschlagen, dass man so etwas machen könnte wie Schools, in denen man gemeinsame Studiengänge anbietet, sich gleichzeitig jede der Fakultäten, die sich an diesen Schools beteiligt sind, profiliert. Man könnte sich vorstellen, dass die LMU eher auf ihrem Campus Martinsried/Grosshadern sich eher in Richtung Biowissenschaften entwickelt, die TU mit ihrem Campus Garching eher in Richtung technikorientierte Naturwissenschaften entwickelt und jeder sich sozusagen ausprofiliert und umgekehrt auch auf der Ebene des Studiums zusammengearbeitet wird.