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Eine Partei sieht schwarz-sot

Die SPD in Thüringen ist dabei, gemeinsam mit der CDU die Regierung zu stellen. Am kommenden Wochenende müssen nur noch die Parteitage ihr Okay geben, doch die Zustimmung der SPD-Basis ist nicht sicher.

Von Ulrike Greim |
    "Das war nicht die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Sondern es war der Aufbruch zu neuen Wegen in wichtigen Politikfeldern."

    Christoph Matschie, Thüringer SPD-Chef, gestern in Erfurt. Er stellt, zusammen mit der designierten Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, den Koalitionsvertrag vor: 60 Seiten schwarz-rote Politik; genauer gesagt: rote Politik auf einem dezent schwarzen Hintergrund, denn die SPD konnte viele Wahlziele durchsetzen.

    "Wir wollen einen Aufbruch organisieren und Vorreiter werden in wichtigen Politikfeldern."

    "Stark und selbstbewusst - so stellen wir uns das Land vor."

    "Wir wollen Thüringen zu einem Mekka der Bildungspolitik machen."

    "Thüringen soll ein Anziehungspunkt für kreative Köpfe aus aller Welt sein."

    "Wir wollen eine Energiepolitik auf den Weg bringen, die Thüringen zum grünen Motor in Deutschland macht."

    Der SPD-Landeschef wirkt zwar immer noch erheblich angespannt, dennoch aber den Umständen entsprechend erleichtert. Denn, was er hier jetzt vorstellt, dürfte viele unschlüssige Genossen milde stimmen. Die kleine 18-Prozent-Partei SPD hat mit der CDU auf Augenhöhe verhandelt, ihr viele Zugeständnisse abgerungen, auch schmerzhafte, und hat die durch die Wahlschlappe angeschlagene CDU mitgenommen in ein eine neue Ära, wie es beide sagen. Christine Lieberknecht:

    "Deswegen haben wir uns da auch ganz gut aufeinander zu bewegen können. Jeder hat seine Handschrift dabei. Und es ist - denke ich - ein gemeinsamer Mehrwert für das Land dadurch erreichbar. Und das wollen wir alle beide."

    "Ja, es sieht ganz gut aus. Also, es sind sehr viele Reformprojekte drin."

    Peter Metz, Thüringer Juso-Chef, gehörte eigentlich zu den Kritikern eines schwarz-roten Bündnisses.

    "Wir haben die Verankerung der Gemeinschaftsschule als gleichberechtigtes Modell, wir haben die Abschaffung der Verwaltungsgebühren und mehr demokratische Rechte für Studierende an Universitäten. Also wir haben im jugendpolitischen Bereich und auch für eine Reformgesellschaft, haben wir viel geschafft."

    Als er die Details des Koalitionsvertrages gehört hat, kann er nicht anders, als dem Matschie-Flügel recht geben: Es hat sich gelohnt. Die Einzelinteressen, die er für die Jusos dem Verhandlungsteam diktiert hat, wurden überwiegend umgesetzt.

    "Mein 'Ja' mit Bauchschmerzen, aber: mein 'Ja'."

    Das sagen etliche Genossen, nachdem sie das Papier ein erstes Mal überflogen haben. Christoph Matschie ist der strahlende Sieger in diesen Tagen, wenn auch ein ramponierter. Denn er musste an mindestens zwei Fronten gleichzeitig kämpfen. Am Koalitionstisch und an seiner Basis. Denn die hat nicht nur Bauchschmerzen, wie der Juso-Chef, die Basis - so der erste Anschein - will eigentlich gar nicht mitmachen. Sie hatte ihrem Landeschef - vorsichtig gesagt - kräftig eingeheizt.

    "Ich hab für Christoph gestimmt, ich hab Christoph auf dem Parteitag beklatscht, wie Kim Il Sung. Ich bedauere ganz einfach meine mangelnde Menschenkenntnis."

    Es ist ein Samstag in einem Erfurter Kongresszentrum. Rund 300 Genossen sind zu dem sogenannten Basistreffen gekommen, zu dem der linke Parteiflügel eingeladen hatte. Tenor: Schwarz-Rot ist der Irrweg.

    "Vollkommen gleichgültig, was in diesem Koalitionsvertrag mit der CDU stehen wird, das ist vollkommen wurscht: Jeglicher Reformansatz wird im schwarzen Verwaltungssumpf stecken bleiben."

    Angetreten, so sagen es die Redner dieses Tages, sei die SPD mit dem Versprechen eines Politikwechsels. Doch der sei nur mit Linkspartei und Grünen möglich. Und genau diese Koalition wolle eine Mehrheit der Thüringer SPD, sagt der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, Andreas Bausewein:

    "Wenn ich mir das Stimmungsbild hier angucke: Wie man allen Ernstes auf dem Parteitag denkt, eine breite Mehrheit hinzubekommen für eine große Koalition, ist mir ein Rätsel."

    Bausewein, der zum Sprecher des linken SPD-Flügels geworden ist, wirft seiner Partei undemokratisches Verhalten vor. Matschie hätte sich einen Landesvorstand zusammenwählen lassen, der die Partei nicht repräsentiere. In der Tat waren zu den letzten Wahlen gerade die Kritiker aus dem linken Flügel gleich im Paket aus den Gremien herausgeflogen - zum Beispiel aus dem Landesvorstand, der nun Schwarz-Rot beschlossen hat. Andreas Bausewein meint, dieser Vorstand solle seine Entscheidung korrigieren.

    "Der Ball liegt jetzt im Feld des Vorstandes. Man soll sich da zusammensetzen und überlegen, wie man da verfährt. Ich glaube, was nicht passieren darf, ist, dass man jetzt mit diesem offensichtlich nicht ausgestandenen Konflikt intern auf diesen Landesparteitag geht am 25. Oktober, weil: Dann sehe ich die Gefahr, dass ein Koalitionsvertrag, der dort von der CDU vorliegt, dort keine Mehrheit findet. Das wäre - glaube ich - für die SPD in Thüringen und für Thüringen überhaupt der Supergau."
    Für etliche Mitglieder scheint der Supergau bereits eingetreten zu sein. Nämlich in Form des Auseinanderbrechens dieser kleinen Partei - sie hat in ganz Thüringen etwas mehr als 4000 Mitglieder. Denn der linke Flügel fordert die Abwahl Matschies und will Schwarz-Rot wieder kippen. Bis zur Vorstellung des Koalitionsvertrages wurden 510 Unterschriften für Rot-Rot-Grün gesammelt.

    "Ich bezweifele ohnehin das Zustandekommen einige dieser Unterschriften","

    … sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Uwe Höhn.

    ""Aber gut. Ich nehme es insofern ernst, weil natürlich eine gewisse Besorgnis unserer Partei damit zum Ausdruck kommt. Wie das Ganze allerdings inszeniert - will ich bewusst sagen - worden ist, das will ich ganz ausdrücklich kritisieren, weil: Hier wurde ein so großer Imageschaden für die SPD-Thüringen erzeugt. Ich hoffe, es reichen die fünf Jahre der Legislatur, um diesen Eindruck wieder zu kompensieren."

    Der Riss durch die Partei bis hinein in Ortsvereine ist wohl nicht mehr zu kitten. Die Feindbilder - zur CDU hin bei den einen und Linkspartei hin bei den anderen - waren einfach zu stark, und dem Vorsitzenden ist es nicht gelungen, die Partei zu entfeinden. Hier wird gekämpft, statt zu kommunizieren. Matschie scheint die Waffen schon gewählt zu haben.

    "Es gibt hier einen knallharten Machtkampf innerhalb der SPD. Dem stell ich mich. Kämpfen bin ich gewohnt. Und Machtkämpfe werden mit Mehrheiten entschieden, und zwar auf Parteitagen. Und dann sehn wir mal."