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Eine radikale Idee

Der europäische Handball ist in der Krise. In Spanien und Russland, traditionsreiche Handballländer, können die Klubs kein Spitzenteam mehr finanzieren. Bevor die Sportart zu einer rein deutschen Veranstaltung werde, fordert Alfred Gislason Reformen. Der Trainer des THW Kiel glaubt an das Modell einer Weltliga für Klubs.

Von Erik Eggers |
    Eine Weltliga im Handball. Diese Idee von Alfred Gislason, dem Trainer des deutschen Rekordmeisters THW Kiel, machte Schlagzeilen in den letzten Tagen. Der polyglotte Isländer, der früher in Spanien als Profi aktiv war, schlägt einen Ausbau der bestehenden Champions League auf andere Kontinente vor. Eine Mannschaft im arabischen Raum sei sicher schnell aufzubauen, glaubt Gislason. Auch müsse man mittelfristig weitere Teams in Amerika, Afrika und Asien installieren.
    Hintergrund dieses Reformvorschlags ist die desaströse wirtschaftliche Lage in Europa. Atlético Madrid, dreimal Champions League-Sieger zwischen 2006 und 2009, musste sein Team aus der spanischen Liga Asobal abmelden. Andere traditionsreiche spanische Teams wie Valladolid oder Leon siechen dahin. In Russland, der einst beherrschenden Handballnation, meldete Meister Medwedi Tschechow im Sommer ebenfalls nicht mehr für die Champions League. Es hakt überall an der Finanzierung des Spitzenhandballs.
    Das Kalkül Gislasons lautet, dass sich mit einem globalen Klubwettbewerb leichter Sponsoren akquirieren ließen. Und auch die Suche nach einem TV-Sender fiele dann leichter. Knapp zwei Monate vor dem ersten Spieltag der Champions League ist unklar, welcher Sender überträgt; der langjährige TV-Partner Eurosport scheint nicht mehr brennend interessiert.
    Natürlich wäre das eine radikale Reform, die den Terminkalender über den Haufen werfen würde. Die Bundesliga in der heutigen Form, also mit 18 Mannschaften, wäre bei einer parallel laufenden Weltliga nicht machbar. Gislasons Idee, deutsche Weltligaklubs erst spät in die nationale Meisterschaft einsteigen zu lassen, in einer zu schaffenden Play-Off-Runde, stößt naturgemäß auf massive Kritik bei den Verantwortlichen der deutschen Handball-Bundesliga (HBL). HBL-Präsident Reiner Witte kritisiert das als falschen Schritt.
    Und selbst die Vorgesetzten Gislasons, die beiden Geschäftsführer des THW Kiel, haben rasch betont, dass dies nicht die Position des THW Kiel sei, sondern nur eine Idee des Trainers. Mit Thorsten Storm legt ein Konkurrent großen Wert darauf, die Bundesliga nicht zu beschädigen, weil sie die einzige Liga sei, die derzeit funktioniere. Dennoch findet der Geschäftsführer der Rhein Neckar-Löwen Gislasons Weltliga-Idee apart.
    Gislason will Gedankenanstöße geben. Natürlich sei auch denkbar, sagt er, die Zahl der Bundesliga-Teams zu reduzieren – dann könne ein deutsches Weltligateam auch die Bundesliga spielen. Aber es müsse unbedingt etwas passieren, fordert der Isländer. Andernfalls werde der Handball zu einer rein deutschen Angelegenheit mutieren. Und ein solches Monopol bedrohe die Sportart irgendwann in ihrer Existenz.