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Eine Rarität

Wenngleich die Ouverture zu "Axur, re d’Ormus vom Musikkollegi-um Winterthur unter Theodor Guschlbauer mit, sagen wir: gefälliger Schmissigkeit dargeboten wurde, so zeigt sich doch: Salieri war ein virtuoser Handwerker, nicht so subtil wie Mozart, aber sich seiner Mittel sehr gewiss.

Ein Beitrag von Christian Gampert |
    Der "Axur"-Stoff stammt ursprünglich von Beaumarchais, der 1787, als die Revolution schon dräute, sein Thesenstück über das korrupte Ancien Régime listig an einen persischen Handlungsort verlegte und seinem Komponisten Salieri rein dienende Funktion zuwies: der Text sollte strahlen. Salieri ließ sich knechten, entwarf aber bei der Gele-genheit eine musikdramaturgische Gesamtkonzeption: keine Arienfol-gen mehr, sondern Accompagnato-Rezitative als Handlungsträger, Einbindung des Chores mehr noch als bei Gluck, eine thematisch durchkalkulierte Musik.

    Unter dem Titel "Tarare" war das Stück in Paris ein Kassenschlager und blieb unter Napoleon und selbst unter den Bourbonen auf dem Spielplan. Salieri aber fuhr heim nach Wien und machte das Stück 1788 mit dem Mozart-Librettisten Lorenzo da Ponte völlig neu, auf I-talienisch; Anklänge an "Cosi fan tutte" und die "Nozze di Figaro" sind unüberhörbar.

    Denn nun, im richtigen "Axur, re d’Ormus", heißt es wieder: prima la musica! Und diese Version wurde dann in ganz Europa gespielt. Nur heute spielt das keiner mehr – außer der Züricher Oper, die die Sänger, den Chor und die Tänzer stellt, und dem Musikkollegium Winterthur als Klangkörper.

    Gleich am Anfang macht der Regisseur Dieter Kaegi klar, um was es geht: um Sex. Und um Macht, natürlich. Hinten bleibt der Bühnen-prospekt einen Spalt weit auf, vorne liegt, leider in ziemlich ver-klemmter Idylle, das Liebespaar. Aspasia heißt die Frau des verdien-ten Generals Atar, die vom Gewaltherrscher Axur aus niederen Be-weggründen entführt wird. Dieses übrigens von Lessing in der Emilia Galotti fast zeitgleich behandelte Motiv wird von Kaegi noch mal ge-toppt, indem er den gedemütigten Ehemann, der gleichwohl loyal zu seinem König und Peiniger steht, mit einem Schwarzen besetzt. Der zeitweise etwas belegt singende Lawrence Brownlee wird also zu ei-nem Salieri-Othello, dem freilich von dem autoritär angelegten Axur des Franco Vassallo die Show gestohlen wird – selbst wenn der Ge-waltmensch seine Zurückweisung durch Atars getreues Eheweib be-klagt.

    Axur ist bei Kaegi eine Art faschistoider Junta-Chef mit Augenklappe, Pistole und Reitpeitsche, der kurz mal einen Bedienten umlegt, wenn der was Unpassendes sagt. Und dessen Leibgarde aussieht wie eine Mischung aus Schwarzen Sheriffs und SS.

    Das ist eine Problem der Inszenierung: dass sie wild herumzitiert, Bilder herbeiwinkt, die äußerlich bleiben. Installations-Kunst. Setzt man sich zum Essen, dann ist es gleich die Abendmahlstafel. Unter-stützt das Volk den guten Atar, dann tritt gleich die Arbeiterklasse auf, im blauen Drillich. Sitzt die entführte Aspasia inmitten der Hofgesell-schaft, dann ist sie gestylt als Mischung aus Justizia und Blauem En-gel. Später auch als Bauchtänzerin. Weiter gibt es: Commedia-Arlecchinos und Cabaret-Tänzer, Folterszenen und elektrische Stühle. Der gefangene Atar wird mit Hundemaske durch den Palast gezogen wie ein Masochist von der Domina oder wie Lucky von Pozzo.

    Das andere Problem ist die Aspasia der Elizabeth Rae Magnuson. Sie chargiert die Rolle. Sie hat einen voluminösen, lyrischen Sopran, aber überhaupt keine Erotik – so dass man nicht recht weiß, warum die Männer so scharf auf sie sind. Aber sie singt wirklich sehr schön.

    Das Orchester spielt dynamisch und geschmeidig, aber nicht immer im Takt mit den Sängern. Und wenn man einen Schritt zurücktritt, dann sieht man: diese Art von Klassik-Pflege ist der Mainstream für die Etablierten, Robbie Williams für die ältere Generation. Das ist ja auch ganz nett.

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