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Eine schmutzige Tour

Der US-Amerikaner Lance Armstrong wird bei der Tour de France 2009 nicht nur erneut für Medienrummel sorgen. Auch in Frankreichs Buchläden ist er bereits der große, allerdings nicht wirklich positive Star: Gleich drei sehr kritische Werke über den US-Radprofi liegen auf den Verkaufstischen aus.

Von Hans Woller |
    Viele haben sich letzten Herbst gefragt, was den 37-jährigen Armstrong dazu bewegt, noch einmal aufs Rad zu steigen und vorzugeben, zum 8. Mal die Tour de France gewinnen zu wollen. Für Pierre Ballester ist die Antwort eindeutig:

    "Dahinter stecken andere Ziele, es geht darum, seine Stiftung im Wert zu steigern und für seine späteren politischen Ambitionen zu arbeiten. Armstrong hat nicht verschwiegen, dass er daran denkt, bei Wahlen in den USA anzutreten und 2014 den Posten des Gouverneurs von Texas anzustreben."

    Armstrong kommt als Geschäftsmann zur Tour, also durchleuchtet Pierre Ballester Armstrongs Unternehmen, seine Stiftung Livestrong, dank derer der siebenmalige Toursieger in den letzten 10 Jahren rund 200 Millionen Euros zusammengetragen hat - eine Stiftung, die von US-Aufsichtsbehörden, den sogenannten Watch Dogs, was den Umgang mit dem Geld angeht, zuletzt reichlich schlechte Noten bekam.

    "Man merkt sehr schnell, dass Lance Armstrong, wenn es um Wohltätigkeitsbusiness geht, eher am Business als an der Wohltätigkeit interessiert ist. Seine Stiftung gegen den Krebs hat inzwischen zwei Abteilungen: Die erste ist nicht lukrativ, wie jeder eingetragene Verein. Seit letzten Sommer gibt es aber eine zweite Abteilung, und die ist einträglich, dient ihm persönlich. Wenn er zu einem Symposium geht, an einer Konferenz teilnimmt, um seine Krebsgeschichte zu erzählen, verlangt er 150.000 Euro - und dieses Geld geht in seine eigene Tasche. Er ist der bestbezahlte Conférencier in den USA, bekommt das Doppelte wie Clinton und auch mehr als Al Gore. Er nutzt die Gutgläubigkeit der Leute aus, indem er seinen wohltätigen Verein in den Vordergrund rückt, um Geld zu machen.

    Die eine Abteilung heißt Livestrong.org, die andere Livestrong.com - und Armstrong hat selbst gesagt: Wenn die gewinnbringende, einträgliche Sparte gut genug funktioniert, wird er den wohltätigen Teil zusperren - für mich ist das ziemlich pervers."

    Pierre Ballester beschreibt in seinem neuesten Buch auch den Prozess der Rückkehr des Geschäftsmannes Lance Armstrong in den Profiradsport, bei dem der Texaner die volle Unterstützung, ja die Protektion des Weltradsportverbandes UCI genoss:

    "Armstrong kommt ins Geschäft zurück, und das ist ein riesiger Rückschritt. Es gibt schließlich Dopingfakten gegen ihn - zwei. Es gibt Zeugenaussagen - zwölf aus seinem engsten Umkreis -, die erschlagend sind, sieben haben 2006 bei einem Prozess in den USA unter Eid ausgesagt. Es gibt Gewissheit unter Wissenschaftlern, die zum Thema sportliche Höchstleistungen arbeiten, darunter einige, die zum Expertengremium des Internationalen Radsportverbandes gehören. Die fragen nicht mehr, ob sich Armstrong gedopt hat, sondern nur noch wie - all das liegt vor und doch kommt Armstrong immer wieder davon, er erfreut sich einer unglaublichen Straffreiheit - und dafür ist nur einer verantwortlich: der Weltradsportverband UCI. Es ist die einzige zuständige Autorität, um Sanktionen gegen einen Radprofi zu verhängen. Man muss sich vorstellen: Ein Wiederholungstäter, der auf frischer Tat ertappt wird, der von der Justiz aber nicht angeklagt, ja nicht einmal angehört wird. Genau das ist mit Lance Armstrong passiert."

    Einer, der Armstrongs Comeback absolut nicht verdauen konnte, war Ballesters irischer Journalistenkollege Paul Kimmage. Er hat es bislang als einziger gewagt, klar und deutlich Armstrongs Strategie zu verurteilen, die darin besteht, sich hinter seiner Stiftung gegen Krebs zu verstecken und damit für jede Kritik unangreifbar zu werden. Paul Kimmage hatte nach der Comeback-Ankündigung des siebenfachen Toursiegers öffentlich gesagt, Armstrong sei der Krebs des Radsports. Pierre Ballester:

    "Der Sport ist an einem Punkt angekommen, wo man aufstehen und protestieren muss. 'Sich anpassen heißt, man beginnt zu altern', hat ein großer Philosoph mal gesagt. Man kann nicht eine Person wie Armstrong einfach herumstolzieren und ihn so tun lassen , als sei nichts und alle klopfen ihm auch noch auf die Schulter - gerade in Anbetracht seiner zweifelhaften sportlichen Vergangenheit und der dunklen Ziele, die er mit seiner Stiftung verfolgt"

    Ballester belegt sogar mit Aussagen von Armstrongs Manager, Bill Stapleton, dass der Texaner seit zwei Jahren daran interessiert ist, eines Tages die Tour de France aufzukaufen und so im Profiradsport zu Wege zu bringen, was in der Formel 1 schon lange passiert ist - letztlich der Bernie Ecclestone des Profiradsports zu werden.

    "Es wäre das Ende dieses Sports, wie man ihn liebt, die Emotionen, das Authentische, das Heldentum dabei, die ganze Geschichte der Tour, der Respekt, den man den Champions zollte, all das wird zu Staub werden, das Ganze wird nur noch ein Zirkus sein , so etwas wie Rollerball."

    Laut Ballester steht Armstrong auch im Mittelpunkt der grundlegenden Veränderungen, die seit letzten September beim Veranstalter der Tour de France, bei A.S.O, über die Bühne gegangen sind: A.S.O. hat, um bei den Olympischen Spielen ins Geschäft zu kommen, nach fünf Jahren Bruderkrieg Frieden mit dem Radweltsportverband UCI geschlossen. Kaum war dies geschehen, kündigte Armstrong seine Rückkehr an, kurz darauf wurden beim Veranstalter A.S.O Patrice Clerc, der Direktor und sein Stellvertreter brutal geschasst. Beide waren für ihre Antidoping-Haltung bekannt:

    "Die Veranstalter haben es vorgezogen, die ohnehin schon schwer angeschlagene sportliche Glaubwürdigkeit der Tour noch weiter zu untergraben. Das ist der Preis, um kurzfristig eine noch größere Öffentlichkeit zu haben, denn natürlich wird mit Armstrong die Medienpräsenz noch größer sein und: um dem Business mit dem IOC nachgehen zu können."

    Mehrere Meinungsumfragen in den letzten Wochen haben gezeigt, dass über 70 Prozent der Franzosen gegen Armstrongs Teilnahme an der Tour de France 2009 sind:

    "Ich frage mich, wie sich das bei der Tour niederschlagen wird. Durch Boykott, durch Beschimpfungen, durch Parolen auf dem Asphalt , durch Spruchbänder - das ist nicht gut für die Tour. Vielleicht wird es gar einen Verrückten geben! Das ist ein Risiko, man spielt mit dem Feuer und der Radsport ist wirklich auf dem Holzweg, Armstrong erneut akzeptiert zu haben."