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Eine schöne Geschichte und exotische Drehorte

"Wir können auch anders" war für den Bühnenschauspieler Joachim Król 1993 der bemerkenswerte Einstieg in die Leinwandarbeit. Antihelden, leisere Figuren liegen ihm, doch auch als Ermittler wie Commissario Brunetti oder "Tatort"-Kommissar Frank Steier ist Król gefragt. Sein neuer Film "Ausgerechnet Sibirien" kommt in dieser Woche ins Kino.

Mit Sigrid Fischer | 09.05.2012
    Sigrid Fischer: So wie Ihre Filmfigur Matthias Bleuel aus Leverkusen von der Firma nach Sibirien geschickt wird, wird der Schauspieler Joachim Król ja dann auch plötzlich nach Russland geschickt zu Dreharbeiten. Rufen Sie da immer gleich Hurra oder haben Sie auch Manschetten wie der Bleuel?

    Joachim Król: Nein, ich war sofort begeistert. Das war ja ein Teil des Pakets, das mir die Produzentinnen versprochen hatten: erst mal eine schöne Geschichte und dann exotische Drehorte. Das zieht sich ja ein bisschen durch meine Filmografie, dass ich meine Abenteuerlust mit dem Beruf verbinden kann. Und das war in diesem Fall ganz genauso.

    Fischer: Was ist denn da anders? Wenn Sie sagen "Abenteuer" - der Bleuel muss ja seine Gewohnheiten und Routine ablegen, muss man das als Schauspieler auch? Was gehört zu diesem Abenteuer?

    Król: Ich werde immer wieder damit konfrontiert, dass der geneigte Laie denkt, wir leben bei der Arbeit immer in Saus und Braus und im Luxus. Das ist selbst in Deutschland nicht mehr so. Das war auch nie so, bis auf wenige Ausnahmen. Aber wenn man da in Sibirien dreht, wo es keine Infrastruktur für Filmproduktionen gibt, da muss man sich schon was einfallen lassen. Und das haben die Produzentinnen hervorragend getan. Aber trotzdem steht vorne "Abenteuer" mit drauf. So Orte wie Murmansk besucht man nicht unbedingt aus freien Stücken, es sei denn, man ist Arktisforscher oder so was.

    Fischer: Das heißt, wenn der Bleuel da staunend steht und Dinge für sich entdeckt, die er gar nicht kannte, gilt das auch für Joachim Król. Der steht dann auch da und staunt?

    Król: Das kann man alles benutzen, das ist genau so. Gewisse Sachen, die dem Matthias Bleuel passiert sind, sind uns als Team oder einzeln auch passiert. Dass man plötzlich in einem Provinzflughafen steht und kein Mensch spricht englisch. Das hätte ich nie erwartet, dass es so was gibt. Oder die unfassbar bizarren Serviceleistungen in der russischen Gastronomie, die wir kennengelernt haben. Da braucht man dann gar nicht viel spielen.

    Fischer: Sie haben in einem Interview in Zusammenhang mit dem Film gesagt, dieser Bleuel sei ein Verwandter von Rudi Kipp, den Sie in "Wir können auch anders" gespielt haben, und er sei auch ein Verwandter von Norbert aus dem "Bewegten Mann" und eigentlich hätten Sie diese Rollen abgelegt. Was daran wollten Sie unbedingt ablegen und warum? Das waren ja große Erfolge für Sie.

    Król: Ja, das waren Anfang der 90er die leicht verstellten, bisschen wunderlichen Männer, das habe ich ganz konsequent abgelegt, weil die Vorlagen immer banaler und schlechter wurden. So eine großartige Figur wie der Kipp in "Wir können auch anders" ist mir nie wieder begegnet. Die wirklich erarbeitet werden muss, die Eigenarten hat. Es kam dann immer dazu, dass die Produzenten gesagt haben: "Machen Sie mal ganz was anderes, aber genau das." Und irgendwann war das für mich nicht mehr interessant. Darum musste ich sehr schmunzeln, dass nach so vielen Jahren die beiden Produzentinnen mit der Vorlage von Michael Ebmeyer "Der Neuling", das ist ein Roman, ankamen und gesagt haben: Guck dir den doch mal an. Und ich wusste natürlich sofort, worauf die hinaus wollten. Aber dann im Zusammenhang mit dem Abenteuer, über das wir gerade schon gesprochen haben, war ich doch relativ schnell zu überzeugen.

    Fischer: Egal, ob der an frühere Rollen erinnert oder nicht, das ist schon eine gute Symbiose - Król und dieser Bleuel. Das passt

    Król: Das nehme ich jetzt mal als Kompliment.

    Fischer: Unbedingt. Das gilt auch für Frank Steier, den hessischen "Tatort"-Kommissar, den Sie seit einem Jahr spielen. Man hat überhaupt gerade den Eindruck, dass sich da etwas sehr gut fügt für Sie, nach einer Phase, wo nicht so klar war, wo das hingeht mit dem Joachim Król. Haben Sie selbst auch das Gefühl, das ist unheimlich stimmig, was Sie da gerade machen?

    Król: 2011 war ein ganz reiches Jahr. Und wenn jetzt hier Matthias Bleuel sitzen würde und die Tür geht auf und Frank Steier kommt rein, das wären schon zwei herzlich verschiedene Vögel. Und so macht mir der Beruf eigentlich Spaß. Dann hatte ich noch das große Vergnügen, mit einer tollen Theatertruppe in Berlin den Kirschgarten zu spielen, den Jepichodow, wo ich auch noch mal das Komödiantensegment bedienen konnte. Also das war großes Kino, Fernsehen auf höchstem Niveau und dann noch "zur Erholung" Theater zu spielen - das war klasse. Das gelingt einem so nicht sehr oft. Aber es hat sich - ja - es komplettiert sich vielleicht was. Mein Gott.

    Fischer: Ja so wie im Film - der Weg ist das Ziel - braucht man manchmal ja vielleicht eine Phase des Suchens, um dann irgendwo gut zu landen und wahrscheinlich geht das jetzt so weiter - das eine zieht das andere nach sich: zehn Millionen Zuschauer beim "Tatort", dann kommen bestimmt auch viele tolle Kinodrehbücher, oder?

    Król: Die Erfahrung sagt, dass das leider nicht unbedingt zwangsläufig so ist. Das ist halt so. Man muss immer gucken, wer wo was macht und die Ohren aufhalten. Aber sagen wir mal so: wer mich finden will, findet mich, ich glaub, wer mich bis jetzt nicht kennt oder nicht weiß, wie ich arbeite, der muss tief geschlafen haben. Also, ich bin da.

    Fischer: Mitte der 90er haben Sie noch abgewunken auf die Frage, ob Sie sich vorstellen könnten, mal eine Serienfigur zu werden, "Tatort" oder so. Til Schweiger hat auch abgewunken damals. Und jetzt machen Sie das beide. Richy Müller auch. Kann es sein, dass Sie dem Fernsehen gegenüber damals eine andere Einstellung hatten, auch weil der deutsche Kinofilm so boomte, Ihre Generation hat den Boom getragen. Hatten Sie da vielleicht das Gefühl, Fernsehen wäre ein Abstieg?


    Król: Ich wollte damals ganz bewusst Kino machen. Ich habe ja eine ganze Weile lang regelmäßig jedes Jahr einen deutschen Kinofilm herausgebracht. Damals hieß es aber genau so wie heute: Von Kino kannst du nicht leben. Nur jetzt kommen halt die Jahre dazu und die Geschichten, die jetzt im Kino funktionieren, die finden in der Generation 30, 35 und jünger statt. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Und um so mehr habe ich mich gefreut, als die Hessen mich angerufen haben und gesagt haben: Hast du Lust, da eine neue Figur zu entwickeln in Zusammenarbeit mit Nina Kunzendorf, was ein Riesenglücksfall ist mit uns beiden. Ich glaube, dass wir damals sehr viel möglich gemacht haben, was heute funktioniert. Mein Gott, wir waren ja damals die Ersten, die mit deutschen Filmen, wo "Unterhaltung" draufstand, sehr viel Geld gemacht haben. Also die Produzenten, nicht die Schauspieler. So war das.

    Fischer: Zehn Millionen Zuschauer beim "Tatort" - wird das im Alltag dann etwas lästig oder können Sie noch genauso durch Köln gehen wie vorher?

    Król: Ja, es gab immer, was die öffentliche Wahrnehmung angeht, solche Sprünge. Das fing damals an mit dem "Bewegten Mann" und dann mit der Fernsehpräsenz ab Brunetti, Lutter. Is' so. Aber ich leb in Köln und dem Kölner ist das recht wurscht, ob man ein Medienkopf ist oder nicht. Der Kölner ist sich erst mal selber prominent. Darum leb ich auch gerne hier. Aber es gelingt mir immer noch, mich unsichtbar zu machen.

    Fischer: Der Kollege Schweiger, der auch einen "Tatort"-Kommissar spielt, hat eine Debatte losgetreten. Jetzt frage ich Sie, Joachim Król: Soll denn der Vorspann bleiben oder nicht?

    Król: Die Vorspanndebatte kommentiere ich nicht. Ich hab nur so das Gefühl, dass das gar kein "Tatort" wird am Ende des Tages. Dass das eine Til-Schweiger-Reihe wird oder so.

    Fischer: Zumindest schwebt ihm das vielleicht vor. Zum Schluss noch eine Frage an den BVB-Fan Joachim Król - erst mal Glückwunsch zur zweiten Meisterschaft von Dortmund in Folge! Wie geht denn das DFB-Pokalendspiel gegen Bayern am Samstag aus?

    Król: Ich war dabei im letzten Finale, als der Luca Toni war das glaub ich, uns noch mal das Herz gebrochen hat. Diesmal sind wir dran. Also wir holen das Double.

    Fischer: Und - hat Joachim Król das Ticket in der Tasche?

    Król: Ich bin dabei.