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Eine Soundinstallation reflektiert urbane Verkehrs(un)kultur

Gestern Abend wurde die Installation "Traffic Control" der Künstler Hannes Hoelzl und Magdalena Kobzova eröffnet. Da werden Passanten beim Laufen über Zebrastreifen mit Klängen aus Megafonen beschallt, vielleicht auch provoziert. Man ahnt es: die akustische Street Art hat es beim Publikum schwerer als die gesprayte oder gemalte.

Von Peter Backof |
    Dies ist nicht die Reaktion von Passanten auf "Traffic Control", sondern einer der Klänge der Installation, die man hört, wenn man in den nächsten zwei Wochen abends bei Grün über eine Fußgängerampel läuft. Ohnedies ist es laut am Kölner Hansaring. Mehrspuriger Autoverkehr in beide Richtungen, Radfahrer, die sich mit Autofahrern auf Parkplatzsuche streiten, die Einfahrtschneise für Züge aus und in den Hauptbahnhof, der U-Bahn-Schacht darunter, aus dem es dröhnt. Als Fußgänger auf die Überquerung der Gemengelage wartend fühlt man sich: als letztes Glied in der Mobilitätskette. Und dazu noch: die Beschallung von Hannes Hoelzl und Magdalena Kobzova? Hannes Hoelzl:

    "Das Statement ist: Wir fordern den Stadtraum oder den Straßenraum zurück für andere Aktivitäten, die nicht Fahrzeugverkehr sind. Andere Sachen, die wir von früher kennen, zum Beispiel Marktplatz ... Prozession haben wir hier, das sind Klangsamples, die hier abgespielt werden, Spaß, Kinderschreien, Kinder, die rumlaufen, aber, was auch in diesem Jahr relativ aktuell dazukommt, was auf der Straße passiert: Politik, Demonstrationen."

    Hannes Hoelzl, Südtiroler Musikinformatiker mit Lehrauftrag an der Musikhochschule Düsseldorf, hat an den beiden Fußgängerampeln Lichtsensoren angebracht. Immer wenn sie auf grün schalten, hört man das, was hier auch sein könnte. Zum Beispiel.

    "Aufnahmen von Demonstrationen - wir haben den ganzen arabischen Frühling in diesem Jahr gehabt, Ägypten, Tunesien, Libyen, und dann auch das neue Bürgerrechtsgefühl, wo in New York, Frankfurt, Mailand an den Börsen überall Occupy-Bewegung stattfand, wo die Bürger zurückfordern, ein bisschen mehr Mitspracherecht gegenüber den Managern, nicht so gegen das politische Establishment, sondern gegen das finanzielle."

    All dies haben Hoelzl und Kobzova - nach dem Verfahren copy and paste - in Megafone eingespeist, die aktuell auf ein Fahrrad montiert sind. Geplant war, die Klänge vom Dach eines Kiosks aus auf die Zebrastreifen zu richten. Doch schon der Aufbau der Installation irritierte eine Anwohnerin. Sie rief die Polizei und die verbat "Traffic Control" in der angedachten Form.

    "Die Begründung war, dass das eine nicht angemeldete Aktion ist. Beschallung im öffentlichen Raum ist ein Recht, das sehr privilegiert nur von der Ordnungsmacht selber verwendet werden darf, und normale Bürger haben nicht das Recht dazu; da gibt´s ein Emissionsgesetz, das das verbietet."

    Nun liegt es den Künstlern fern, sich mit dem Staat anzulegen, es geht ihnen um ein öffentliches Experimentieren mit Klangkunst. - die aber viel mehr wirkt und herausfordert als Bildende Street Art. Das Ohr ist sensibler als das Auge. - Auch Passanten, die die Szene beobachten, legen die Stirn in Falten oder schütteln den Kopf über das Fahrrad, das schon ein bisschen so wirkt, als könne da jemand seine privaten Klangideale nicht bei sich behalten. Die Künstler und Kurator Georg Dietzler verhandeln jetzt mit Ordnungsamt, Kiosk und anliegender Schule, ob man die Megafone nicht doch weiter oben anbringen könne, um zufällig Vorbeikommenden einen Kunstwillen zu signalisieren. Doch auch mit der aktuellen Gestalt von "Traffic Control" kann Dietzler leben:

    "Es sind minimale Eingriffe. Manches Auto, was hier vorbei fährt, hat größeren Einfluss, Lärm-mäßig, auf das Umfeld. Was hier an der Ecke durchaus auch mal passiert: dass Leute hier gegen die Poller donnern, das hat nen anderen Effekt als eine relativ feine Klanginstallation."

    Vergleiche von Dezibelzahlen würden dies beweisen. "Traffic Control" ist Teil einer ganzen Reihe von akustischer Street Art, die Georg Dietzler in diesen Wochen in Köln auflegt. Stadtwanderungen mit elektromagnetisch sensiblen Kopfhörern von Klangkünstlerin Christina Kubisch kann man erleben, oder sich einen Grenzgang zwischen Stadt und Land akustisch erwandern, ein Experiment von Davide Tidoni aus Brescia. "Visual Sounds" will Klangkunst aus der ausgesprochenen Szene herausholen und allen zugänglich machen. Street Art für das Ohr, entdeckenswert!