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Eine Stadt im demografischen Abseits

Forst liegt in einer strukturschwachen Gegend im Südosten Brandenburgs. Die Einwohnerzahl der kleinen Stadt an der Grenze zu Polen hat sich seit der friedlichen Revolution in der DDR fast halbiert.

Von Axel Flemming |
    St. Nikolai, die Glocken übertönen jegliches Geräusch auf dem Markt von Forst. Aber das ist auch nicht schwer, viel ist hier sowieso nicht los, wenig Autos fahren hier, der große Platz ist fast menschenleer. Das gelbe evangelische Sakralgebäude ist das überragende Bauwerk des Platzes, durch zwei Altbauten hinweg sieht man in die kleine Fußgängerzone der Stadt. Kirche und die beiden Eckhäuser, das sind die einzigen Häuser am Platz, die an das alte Forst erinnern, der Rest sind fünfgeschossige Plattenbauten, ein großer Teil von ihnen steht leer.

    "Wir haben genau dieses Problem, dass wir in der Innenstadt die Plattenbauten abreißen müssen. Das ist natürlich ein bisschen makaber, wenn man daran denkt, man will die Innenstadt eigentlich stärken. Unsere wunderbar frisch sanierte neue Kirche steht jetzt so ein bisschen zukünftig alleine da. Aber wir sind dabei uns auch städtebauliche Lösungen zu überlegen, um Wiederbebauung dann zu ermöglichen, natürlich unter erschwerten Bedingungen, denn Demografie heißt: Weniger Menschen, weniger Marktchancen und da muss man sich sehr genau überlegen, wie das funktioniert.", sagt Jürgen Goldschmidt, der Bürgermeister von Forst und beklagt, dass der Bund die Mittel für den Stadtumbau Ost streichen will.

    Die Einwohnerzahl der kleinen Stadt hat sich seit der friedlichen Revolution in der DDR fast halbiert; mehr Leute sterben, als geboren werden, und immer mehr ziehen weg. Forst ist ein Extrembeispiel, aber doch typisch für das Land Brandenburg, sagt Karl Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburgs:

    "Wenn sie sich Eisenhüttenstadt angucken, fast die gleiche Entwicklung. Schwedt: fast das Gleiche. Und da können sie im Land überall rumgucken und sich anschauen, dass die einzige prosperierende Stadt von den vier kreisfreien Städten auch bevölkerungsmäßig die Landeshauptstadt Potsdam ist. Es betrifft alle Lebensbereiche und alle Lebenssachverhalte der Bürgerinnen und Bürger, egal ob sie den Verkehr nehmen, egal ob es die Sozial- oder Gesundheitsfürsorge ist, wir dürfen uns auch die Augen davor nicht verkleistern, das ist eine Sache, die ich im Moment doch durchaus bei diesem und jenem feststelle."

    Nun hat Brandenburg die Besonderheit, dass das Gebiet um die Bundeshauptstadt Berlin weiter wächst, die Bevölkerungszahlen in der Peripherie dagegen weiter zurückgehen.

    "Der sogenannte prosperierende Speckgürtel, auch was Einwohner betrifft, wird aber auch irgendwann seine Grenze erreicht haben denn mehr Leute werden es auch in der gesamten Bundesrepublik nicht mehr, muss man auch im Blick haben. Und die zweite Seite der Geschichte ist die, immer weitere Einwohnerausdünnung in den ländlichen Räumen, die ist ja exponential, davon sind eben auch viele kommunale Leistungsbereiche betroffen."

    Fast 1700 Wohnungen hat die Stadt Forst aufgekauft, über 500 davon sollen in den nächsten Jahren abgerissen werden. Denn die Leute ziehen weiter weg, 200 bis 300 Personen pro Jahr gehen dorthin, wo es Arbeit gibt. Der größte Arbeitgeber in Forst ist der Landkreis Spree-Neiße, der hier seinen Sitz hat. Es folgen öffentliche Dienstleister wie das Krankenhaus und die Bundespolizeiinspektion. Bürgermeister Goldschmidt:

    "Es gibt eine ganz klare Ansage: Mittelfristig muss der Bevölkerungsrückgang abgestoppt werden, weil man kann, eine Stadt nicht einfach nach unten rechnen. Die wirtschaftliche Basis einer Stadt geht irgendwann verloren, wir sind ja auch eine Mikrovolkswirtschaft und da denke ich mal, wir werden kämpfen müssen, dass wir die Stadt bei 17.000 bis 18.000 Einwohnern halten."

    Der Markt liegt immer noch still und ist kaum belebt. Die Arbeitslosigkeit in Forst liegt derzeit bei fast 13 Prozent, das ist über dem Landesdurchschnitt von Brandenburg, über dem Bundesschnitt sowieso. Bislang ist es für Jugendliche normal, von hier wegzuziehen:

    "Keine Chance, nirgendwo hier. Also bei den ganzen Bewerbungen, die ich weggeschickt hab, kamen bis jetzt leider nur Absagen zurück. Also isses für mich das Zeichen, egal was ich schreibe, ich bekomm so oder so bloß 'ne Absage, aber ... weitermachen, immer weiter schreiben."