Köhler: Herr Schumann, er war Chefredakteur der Zeitung "Lunes de Revolución", die Sie eben erwähnt haben. Wodurch ist er zu dieser, für ihn doch lebensgefährlichen Haltung gekommen? Denn Havanna in den Sechzigern das war dann Grundlage für seinen Roman, der auch bei uns bekannt wurde, "Tres tristes tigres". Was ist das, ein Roman über das Leben als Filmkritiker, eine Gesellschaftsstudie aus dem verruchten Kuba?
Schumann: Seine beiden großen Romane "Tres tristes tigres" und auch "Havanna für einen verstorbenen Königssohn", den er zehn Jahre später, der eine ist von 1967, der andere von 1979, herausgebracht hat, handeln alle von der letzten Zeit kurz vor dem Sturz der Batista-Diktatur. Und sie sind eigentlich biographisch gesättigte Streifzüge durch die karibische Metropole, die mit urkomischen Anekdoten und Initiationsriten versehen sind, und nicht zuletzt auch ein Spiel mit den literarischen Genres der trivialen Natur. Das heißt, es ist einerseits die Lust am Schreiben, die Lust an der Sprache, die ihn berühmt gemacht hat und die auch diese beiden Romane auszeichnet. Es ist aber andererseits auch die Atmosphäre, die natürlich des Nachtslebens, das eine große Rolle gespielt hat früher und wo natürlich auch kulturell sehr viel passiert ist. Aber es passte so überhaupt nicht in die neu verordnete Sittlichkeit der Revolution hinein, deswegen hat auch der Kurzfilm Probleme gehabt, deswegen hat er auch mit seinem Roman zunächst Probleme gehabt. Der ist dann in Spanien herausgekommen aber auch nicht ohne Probleme, mit der franquistischen Zensur zum Beispiel. Das heißt, es war eigentlich schon sein Leben, dass sich immer wieder um Havanna gekümmert hat, immer wieder um diese Stadt und ihre Atmosphäre, aber der vorrevolutionären Zeit, dreht.
Köhler: Ich möchte von Ihnen so in der Schlusskurve eins noch bitte wissen. Wenn Sie versuchen, aus einem gewissen Abstand das Werk nun einzuordnen, wir haben von Ihnen gehört, seine Wendung gegen den Castrismus, die Wendung gegen den kulturellen Stalinismus, seine Beschäftigung als Filmkritiker, wie weit geht dieses Engagement des Autors im literarischen Sinne? Er hat als Filmkritiker begonnen. Ist er ein typischer Modernist gewesen? Ich sage mal, so wie Döbling oder Joyce, der im Montagestil Erzählungen übereinandergelegt hat. Oder ist er am Ende dann doch "nur" ein Chronist mittelamerikanischer Machtverhältnisse?
Schumann: Nein, er ist überhaupt kein Chronist und er hat sich überhaupt nicht als ein solcher empfunden. Ich glaube, es gibt zwei Themen, dieses Havanna und zum anderen die Sprache, die Literatur, mit der er sich auseinander gesetzt hat, deren Genres er aufgebrochen hat. Und er hat sehr viel Alltagssprache auch in sein Werk einfließen lassen. Das hat die Übersetzer oft zur Verzweiflung getrieben, dass es keine entsprechenden Vokabeln im deutschen oder in anderen Sprachen gegeben hat. Er war wirklich ein begnadeter Sprachspieler, der literarische Traditionen aufmischte, sich ihrer auch bewusst und oft ironisch bediente und überhaupt keiner Mode gefrönt hat und auch jedwedem Boom ganz fern gewesen ist. Trotzdem hat er natürlich auch an dem Boom der literarischen Literatur in den 60er Jahren partizipiert.
Köhler: Herzlichen Dank. Peter B. Schumann würdigte das Werk und die Person von Guillermo Cabrera Infante, der im Alter von 75 Jahren gestorben ist.