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Eine Taube auf dem Dach der Fed

Sie sei qualifiziert wie keine andere, sagen ihre vielen Unterstützer. Nicht krisenfest und geldpolitisch unvorsichtig, meinen hingegen Kritiker der zukünftigen Notenbank-Chefin Janet Yellen. Die Reaktion an den Finanzmärkten ist zwiegespalten.

Von Brigitte Scholtes | 09.10.2013
    An den Finanzmärkten kommt die Berufung von Janet Yellen an die Spitze der amerikanischen Notenbank Fed gut an. Zumindest hat diese Nachricht die Kurse heute gestützt. Denn Janet Yellen gilt als "Taube", als Vertreterin einer expansiven Geldpolitik. Doch diese Betrachtungsweise ist etwas zu simpel, sagt Bernd Weidensteiner, Volkswirt der Commerzbank:

    "Der Ruf als 'Taube' kommt daher, dass Frau Yellen sehr frühzeitig in der Krise 2008 die Schwere der Krise erkannt hat und deshalb aggressive Maßnahmen gefordert hat. Ihre Prognose war besser als die der Falken, die das nicht so ernst sahen. Insofern war eher die Lage dran schuld, dass Frau Yellen da eher auf dem Gaspedal stand. Ob sie tatsächlich in der Zukunft auch eine sehr weiche Politik betreiben würde, wage ich zu bezweifeln. Also Frau Yellen könnte durchaus eine Taube mit Krallen sein. Wenn die Inflation stark ansteigt, wird sie reagieren, das hat sie ein ums andere Mal betont."

    Größere Überraschungen sind von der Geldpolitik in der Zeit nach dem Abtreten des amtierenden Präsidenten Ben Bernanke nicht zu erwarten, sagt auch Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Janet Yellen stehe für eine Fortsetzung von dessen Politik:

    "Sie ist Arbeitsmarktforscherin, sie hat sich sehr lange mit den Bedingungen dafür beschäftigt, wie möglichst viele Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten entstehen. Aber das nicht auf Kosten von solchen Negativfaktoren, wie sie in der Vergangenheit in Amerika ja schon einmal vorgekommen sind, also beispielsweise Inflation. Das heißt also, sie wird einen pragmatischen Kurs steuern mit einer Betonung auf der weiteren Gesundung von der Finanzkrise, in der die amerikanische Wirtschaft ja immer noch ist."

    Eine stärkere Geldschwemme als bisher ist also unter ihr nicht zu erwarten. Die Fed hat ja anders als die Europäische Zentralbank neben der Bewahrung der Geldwertstabilität auch das Ziel, für einen robusten Arbeitsmarkt zu sorgen. Inflation aber ist zur Zeit kein Thema, deshalb dürfte der Arbeitsmarkt im Fokus bleiben. Der Ausstieg aus den Anleihekäufen hängt davon ab, wie schnell sich die Lage dort stabilisiert, meint USA-Experte Weidensteiner von der Commerzbank, die Zinsen aber dürften erst einmal niedrig bleiben.

    "Erst einmal müssen sie ja aus ihren quantitativen Maßnahmen, den berühmten QE 3 aussteigen, was nicht von heute auf morgen geht und sich jetzt in der aktuellen Lage eher noch nach hinten verschiebt. Danach werden sie abwarten wollen, wie der Markt drauf reagiert, und erst danach mit Vorsicht mit Zinsanhebungen anfangen. Und so was wäre auch unter günstigen Bedingungen nicht vor Ende 2014 der Fall. Also insofern ist eine erste Zinsanhebung Mitte 2015, wie wir es erwarten, noch nicht sonderlich besorgniserregend."

    Die Geldpolitik bleibt also einigermaßen berechenbar. Die amerikanische Politik macht den Beobachtern eher Sorge. Noch hoffen sie aber weiter darauf, dass im amerikanischen Haushaltsstreit und bei der Auseinandersetzung um die Anhebung der Schuldengrenze endlich Vernunft einkehren möge. Was im anderen Fall auf die Weltwirtschaft zukommen könnte, wollen sie sich gar nicht erst ausmalen.